Götz Bury: Präsentation Karin Frank. 09.2000 Karin Franks Atelier ist ihr Kopf. Ein Atelierbesuch stellt sich entsprechend schwierig dar. Karin Frank setzt vorwiegend Skulpturen aus Holz und Textilien in diese Welt. Vorzugsweise menschliche Figuren. Der Raum, auf dem sie sie herstellt ist so klein, daß man kaum von ihm schreiben kann. Eine kleine Hobelbank in der Ecke eines bescheidenen Büroraumes, den sie mit ihrem Vater teilt. Gerade so viel Platz, daß ihre Figuren in diese Welt gelangen können. Ein Geburtsort, der kaum größer ist, als die Figuren selbst. Ein Lebensprinzip. Kein selbst gewähltes, eines, das die Umstände mit sich bringen. Keine Produktion am laufenden Band findet hier statt. Eher spärlich erblicken die Arbeiten das Licht der Welt. Wie ein aus Bündnerfleisch geschnitzter Mann der eingegossen in Kunstharz liegt, einem vorzeitlichen Gletschermann gleich, quasi doppelt konserviert, in seinem gläsernen Sarg, isoliert, doch dabei allen Blicken preisgegeben. Oder eine Frauenfigur, die ein "bedrohlich" grelloranges Kissen vor ihr Gesicht hält, als wollte sie sich schützen. Oder sollte sie sich selbst ersticken wollen?! Oder auch der verkohlte Christus, der in ein "umweltverträgliches" Polyäthylen-Kuvert eingearbeitet wurde und beängstigend an den Krimi von neulich erinnert, wo der Verbrecher seinem Opfer mit einer Plastiktüte den Atem zu rauben suchte. Adressiert ist dieser "Brief" an "Firma Frank". Der Absender: "METRO - Partner für Profis". Der Glaube an Gott, der gerecht ist, der seine Kinder liebt, auch wenn er sie straft. Das Atelier des Künstles, ein Ort der künstlerischen Entfaltung, der Verwirklichung von Ideen, der Inspiration? Gott als verkohlte Leiche im aktuellen body bag?! Die Geburt ist hier kein Akt der Freude, sondern vielmehr ein traumatisches Ereignis. Der Weg ins Diesseits führt durch einen schmalen Engpaß, und erst eine Art Tunneleffekt macht den Übergang möglich. Der Mensch ist von einer Hülle umgeben, die er "Haut" nennt, und die sein Inneres vor den Blicken der Anderen schützt. Der verborgene Kern ist sehr zerbrechlich und sein wahrer Zustand soll den Blicken verborgen bleiben. Wie die zerbrochene Marmorplatte, die in unversehrtem Zustand in blütenreinen weissen Plüsch eingenäht wurde, und danach den starken Schlägen des Hammers erwartungsgemäß nicht stand hielt. Und nur die tastende Hand beobachtet die Zerstörung. Karin Frank wurde 1972 in Wien geboren. Der unerwartete Tod des vier Jahre älteren Bruders, mit dem sie sich besonders verbunden fühlt, wurde vor zehn Jahren zum einschneidenden Erlebnis. Eine Arbeit, die sich hierauf bezieht, ist eine Schnitzerei nach einem Kindheitsfoto, das sie und ihren Bruder beim Spielen zeigt. Das kleine Figurenpaar dreht sich auf dem Plattenteller der alten Stereoanlage des Bruders, solange eine seiner Platten abgespielt wird. Ein zartes Denkmal für einen, der immer noch vermißt wird. Bildhauerei hat Karin Frank bei Michelangelo Pistoletto, und zwar mit Auszeichnung studiert. Aus dieser Zeit stammt eine Arbeit, die "Kindheit in der Hülle" heißt, eine lebensgroß geschnitzte Kinderfigur, die in eine Art Österreichfahne aus Plüsch gehüllt ist, wobei das Tuch auf dem Boden zu liegen kommt, der mittlere weiße Streifen aber zu einem Futteral ausgeformt ist, aus dem die Figur durch einen weit geöffneten Reißverschluß nach außen blickt. Ein kindliches Selbstportrait, bei dem die Fahne weniger für Nationalbewußtsein steht, als für das Hineingeborenwerden in Umstände, die nicht zu beeinflussen sind, oder in ein strikt geregeltes, fremdbestimmtes Leben, das zu persönlicher Entfaltung keinen Raum läßt. Karin Franks Thema ist der Mensch, der in komplizierten emotionalen Beziehungen zu anderen Menschen steht, ebenso, wie zu sich selbst.