Eröffnungsrede Martin Prinzhorn: Brueckl/Schmoll, Boehme. 1998 Die zwei in dieser Ausstellung gezeigten künstlerischen Positionen haben - abgesehen von Malerei und Malereibezug - vorallem eines gemeinsam: Sie greifen in der künstlerischen Praxis Inhalte und Probleme auf, die ganz und gar nicht in einen aktuellen Diskurs gehören, der Forderungen nach neuen Inhalten und Erweiterungen bedeutet oder von einer fixen Domäne ausgehend operiert. Sie sind daher schon auf den ersten Blick in einem Sinn ,entspannt" wenn auch nicht rückwärtsgewandt oder nostalgisch. Vielmehr werden in ihnen Probleme und Fragen aufgegriffen, die wie bei Max Boehme meistens nur mehr in einem vergangenem Malereidiskurs der Moderne angesiedelt werden oder wie bei Rosa Brueckl und Gregor Schmoll eher theoretischen Diskursen über Blick, gaze etc. in der klassischen Malerei bzw. allgemeinen Bildtheorien angehören, also Dinge aus der Theorie für die Kunst reklamieren. Bei allen drei KünstlerInnen werden in gewisser Weise todgesagte oder akademisierte Diskussionen wiederbelebt und in einem neuen Kontext für die Kunst vehement eingefordert. Um Kunst, die nicht in einem kunsthistorischen Sinn historisch vorgeht, handelt es sich hier, sie ist sich aber der Geschichte der Kunst bewusst und sieht diese Geschichte nicht als etwas Gelöstes oder Abgehaktes an. Max Boehmes zwei Arbeiten schlagen einen Spagat: Einerseits sehen wir ein Tryptichon, das hunderte von Jahren Malereigeschichte vor uns an die Wand aufträgt und in seiner äußeren Form die reine Macht des abendländischen Tafelbildes darstellt. Dem gegenüber steht die Pelzmalerei, die sich zart und amorph der Wand entlangschlängelt, nicht Monumentales, nur Intervenierendes an sich hat. Diese Pelzmalerei hat natürlich eine Geschichte, hier zwar verborgen, aber doch angedeutet. Diese Geschichte handelt vom Maler als bohemien, einem Aktionisten der Lächerlichkeit, der mit großer Geste eine Frau im Pelzmantel als Pinsel verwendet und sich so totalen aber eben absolut lächerlichen Macht - bzw. Männerphantasien hingibt. Beim Ausstellungsraum Mezzanin handelt es sich aber nicht um einen Pariser Salon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und bei Boehme auch nicht um Gagtype, der irgendeinen reduktionistischen Malereischmäh als Identität annehmen will. Boehme langt hier in die allerpeinlichsten Kisten der Malerei der Moderne, die denn auch in einem spannenden Gegensatz zur Komplexität seiner Bilder steht. Falsches Pathos versus echtes Pathos. Aber auch dieses falsche Pathos kann Spuren hinterlassen, die eine formale Eigenständigkeit entwickeln und sich nicht mehr dem Konzept, aus dem sie eintsprangen, unterordnen. Es wird hier eine anachronistische Geschichte erzählt, von der aber nur mehr die Eigenständigkeit des Kunstwerks der Anektote gegenüber bestehen bleibt. Der Tryptichon, des zweite Werk Boehmes, zwingt Narrative, Assoziationen und Erinnerungen auf. Vor einem Renaissancealtar in Oberitalien scheint man zu stehen, in dem alle nur erdenklichen Dramen zwischen Himmel, Erde und Hölle stattfinden, ohne das der Betrachter jedoch an den Gehalt herankommt, so mächtig dieser auch ist. Dennoch handeln die Bilder von abstrakter Malerei, von ihren expressiven Kunstgriffen und Tricks nämlich: Gegenstände werden nur angedeutet und lassen das Bild so zu einer Projektionsfläche für das im Unbewussten Verborgene werden, es gibt immer noch was zu entdecken und immer ist es auch eine Entdeckung unseres Selbst, eine Entdeckung vergangener oder verborgener Sehnsüchte. Das ist sozusagen das stark sentimentalistische Programm der Malerei von de Kooning bis Rothko. Die Malerei hält den Betrachtern das Verborgene groß vor Gesicht und das ist eine absurde Position. Boehme scheint mir hier genau auf diese Probleme einzugehen, indem er die Mechanismen des Zitats und der versteckten Form explizit und mit großer Deutlichkeit bearbeitet. Er packt gleich einmal so viel Psychologie in die Bilder hinein, daß diese gleichsam platzen und entlastet sind. "Adam und Eva" von Rosa Brueckl und Gregor Schmoll ist Konzeptkunst, die ins Bild hineingetragen ist. Während die alte Konzeptkunst vorallem bildliche und sprachliche Ebenen dekonstruiert hat - Motto: Gegenstand, Photo des Gegenstand und Begriff - und als absolut Getrenntes aufgefasst hat, wird hier mit dem Bild und seiner Textualität bzw. deren Ebenen gearbeitet. Sprache wird nicht formal und als etwa außerhalb des Bildes liegendes begriffen, sondern als Verhältnis zwischen Aktanten in und vor dem Bild: Es gibt Betrachter vor dem Bild, aber auch im Bild: Die Sprache zwischen Bild, Betrachter in und vor dem Bild ist eine indirekte und es kommt zu einem Punkt, an dem die Bilder vom nicht Sichtbaren handeln. Dadurch spielt sich die Malerei wiederum auf einer psychologischen Ebene ab, auf der durch Projektion rekonstruiert wird. Dieser Punkt ist zwar schon historisch in Analysen von Friedrich über Poussin zu Manet gemacht worden und wird auch immer wieder in der Analyse aller mögichen außerkünstlerischen Bilder herangezogen, gilt aber in der Gegenwartskunst entweder als vergangen oder höchstens noch als Rest eines Malereidiskurses. Während also die alte Konzeptkunst diese Grammatik der Bilder weitgehend unberührt und unanalysiert gelassen hat und Sprache nur im außerbildlichen gesucht hat, wird sie bei Brueckl und Schmoll in ihre Bestandteile zerlegt und untersucht. Portrait, Spiegel, Blick und Hintergrund werden so transparent gemacht, geben aber durch ihr Nebeneinander, ihre neue Komposition oder vielleicht besser Dekomposition neue Fragen auf, die sich bei der Abgeschlossenheit von Tafelbildern gar nicht stellen. Daher sind die Arbeiten von Brueckl & Schmoll auch eine interessante Malereikritik, die nicht das Ende des Bildes propagiert, sondern dem Bild noch ein weiteres, vielleicht quälendes Leben abverlangt, in dem es viele Fragen aus seiner historischen Vergangenheit beantworten muss. Video und Installation werden hier auch als der Malerei überlegene Techniken begriffen, indem die statische fixe Anordnung und Inszenierung, der das Tafelbild unterworfen ist von einer im gewissen Sinn unabgeschlossenen Versuchsanordnung ersetzt wird, in der auch ein möglicher Fehler kein schlechtes Bild, sondern weitere Erkenntnis bedeuten würde. Bei der zweiten Installation wird das kleine Ölbild mit seiner Mischung aus Abstraktion und Realismus in eine Beziehung mit der grossen Videoprojektion gesetzt, die das Bild wiederum nicht verdrängt, sondern ziemlich deutlich befragt. Der Blick auf Frauenbeine in betulichem Öl kriegt eine neue Bedeutung, indem er von einer anderen künstlerischen Praxis überblendet wird und gleichsam von einer "wirklichen Renaissance" in den Schaukasten gestellt wird. Alle Arbeiten in dieser Ausstellung sind Ausdruck davon, daß die Geschichte und Interpretation der neueren Kunst, und hier vorallem der Teil, der immer wieder das ein oder andere Ende von Richtungen und Formen postuliert, so nicht festgeschrieben werden kann und das sich einer junge Generation wieder das Recht nimmt, dort zu graben und zu untersuchen, wo sie es will - ohne Rücksicht auf abgesteckte claims.