SOPHOKLES, ÖDIPUS, NASO MEET MÜNCHHAUSEN A TEMPORARY PROJECT IN PUBLIC SPACE CREATED BY HERWIG STEINER F a s s a d e n g r o ß l e u c h t b i l d 6x11m 20.11-27.11.2001 von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang Eröffnung: 20.11.2001 um 20Uhr Wien 14, Breitenseerstr. 104 (vis a vis Breitenseer Kaserne) Eine architekturästhetische Analyse über Tendenzen der gesellschaftlichen Werteauflösung und der Attrappenbildung. Die künstlerische Auseinandersetzung mit Sprache, ihre Ausdrucksformen und möglichen Konstruktionen in Bezug zur „Welt“, ist auch hier wieder Mittelpunkt von Steiner’s Arbeit. Sophokles’ Ödipus steht für die „Untragbarkeit der Wahrheit“. Er endet bekannterweise in (Selbst-)bestrafung und Blendung. Diese Drastik würde heutzutage „bei uns“ konsumistisch entschärft werden! Münchhausen wiederum ist in einem Bild zu neuen Ehren gelangt, das die Problematik der Sprachkritik, die inhärente Aporie des Nihilisismus darstellt, wo verkürzt skizziert, implizit auf „Wahrheit“ bezug genommen werden muß, um sie negieren zu können. Architektur / Gebautes, namentlich die nicht Reflektierteste, kann als wesentlicher Ausdrucksträger und Palimpsest von Werten und Befindlichkeiten einer Gesellschaft betrachtet werden und ist somit als eine „eigenartige Schrift“ (der „veröffentlichten Gesellschaft“),in seiner Haptik mit der vom Künstler verehrten Braille‘schen Blindenschrift assoziierbar. Ein 6x11 Meter großes Leuchtbild, technisch einer großen „Palmerswerbung“ ähnlich, steht als Verknüpfungsebene zwischen dieser unbewußten Sprache des Gebautem/ der Gesellschaft, als ästhetische Metamorphose, und den textuellen Reflexionen zu den Tendenzen der gesellschaftlichen Werteauflösung und der Attrappenbildung. Mit Beiträgen (Braille) von: Walter Benjamin, Massimo Cacciari, Peter Eisenman, Manfred Faßler, m.e., Wolfgang Retler, Nathalie Sarraute, Jean-Paul Sartre, Herwig Steiner Wie schon in Steiner’s PRE-PRINTS ( siehe Beilage) werden auch hier Form, „ästhetisches Sehen“ mit textueller Reflexion (lesen , vorstellen, erinnern) verschränkt/ verwoben, Inhalt und Ausdruck zu einer neuen Einheit fusioniert. Die Ebene von Benennung / Sinngenerierung, ein zentrales künstlerisches Moment, wird hier in einer „Bild in Bild“ Komposition thematisiert. Die Haptik der „Sprachebene“ des Bauens und die der Braille‘schen Blindenschrift kommen nun hinzu. Also architekturästhetische Analyse und Gesellschaftskritik stehen der Skepsis der Reflexionsmöglichkeit (aus philosophischer Perspektive) und ihre gesellschaftsrelevante Wirksamkeit gegenüber. Das aktuelle politische Feld ist hier Bestandteil! Man könnte also von einer aus künstlerischen Mitteln gespeisten synthetisch sich entfaltenden Architektur- und Gesellschaftskritik sprechen, die gleichzeitig eher eine negative Evaluierungsbilanz was die gesellschaftliche Wirkungsrelevanz ihrer konventionellen Schwesternformen betrifft, andeutet. Das Leuchtbild zeigt in seinen 2 Erscheinungsformen, einer nichtleuchtenden Tagversion und eines von innen leuchtenden Nachtstücks eine Figur der Verwandlung. Als Bildhaftes wirkt es in seiner Größe als Intervention auf seine architektonische Umgebung. Das „Ausgehöhlte“, Groteske, die Lächerlichkeit des korrumpierten Werts, auf den die Erbauer unbewußt verweisen, gilt als Sockel auf dem irritierend Ironie Platz nimmt. Charakterisiert wird dies (m.e.) etwa so: „...Somit kommt es zu einem Mißverhältnis von geringem Anspruch in der formwirksamen Verwirklichung des Bauens und mit dem tatsächlichen Gebrauch dieser Gebäude in keinem Zusammenhang stehenden zitierten Architekturtypologiefragmenten, die in ihrem Eigentlichen hohe Wertkategorien repräsentieren würden. Die architektonische Nichtsprachlichkeit ...schafft Attrappen von Werttypologien, ... In ihrer dann banalen Verkommenheit fasziniert eine starke Abwesenheit - ihre jeweilige Verheißung, als die reinste, die der reinen Nichtverwirklichung. Diese Abwesenheit zeugt in der Drastik der Erscheinung von einer absolut neuen Qualität. Dies alles scheint kein Problem darzustellen; Verwirklichung erscheint gar nicht erstrebenswert - im Gegenteil führt damit das Konstruktionsmodell der radikalen Ökonomisierung doch die Wertlosigkeit und banale Verfügbarkeit von allem ... vor und stellt so sich ... indirekt selbst dar. Der reine Nihilismus benötigt zwingend diesen Umweg. Dieses Phänomen bezeichnet Steiner als negative Formulierung. Er entwickelt aus den Architekturbeispielen die Grundlage für seinen künstlerischen Typus der Attrappe.“ Das, diesen Sockel naturgemäß ausblendende Nachtstück, beschreibt Massimo Cacciari : „Der Engel von Benjamin „überwindet“ die Kette der Katastrophen nicht, die sich vor seinem rückwärts gewandten Blick abwickelt – sondern er sieht an diesen Katastrophen, an jeder einzelnen, die Einzigartigkeit, jede von ihnen ist jenes Singularis, das er anruft und verantwortet, jede von ihnen ist jener Ort und jene Zeit, keine ist absolut setzbar. Möglicherweise wahrt sich in einem solchen Blick das Versprechen, das die Architektur des vollendeten Nihilismus abgründlich hinterfragt, sich in jenes seiner Vollendung umkehren zu können.“ Bleibt die Frage was nach dem 27.November folgt? Ein jeder wünscht das, was er verdient! „Parallelaktion“