Mia Eidlhuber: Der deutsche Hollein. In: Profil online 23.09.2002, Nr. 39/2002 Max Hollein, Sohn des österreichischen Architekten, ist neuer Direktor der berühmten Frankfurter Schirnhalle. Ende September startet seine erste große Schau. Die Anekdote über ihn ist fast so alt wie Max Hollein selbst. Und dennoch erlebt sie zurzeit eine Renaissance. Wann immer Journalisten über den neuen, jungen Direktor der Frankfurter Schirnhalle berichteten, fehlte eine Geschichte nicht: jene vom kleinen Max, der in der Volksschule behauptete, dass auch Michelangelo schon bei ihm zu Hause zum Abendessen war - ganz einfach, weil er dachte, dass jeder berühmte Künstler schon bei seinen Eltern zu Gast war. Natürlich ist die Anekdote interessant, weil sie einiges über Max Hollein, Sohn des Wiener Stararchitekten Hans Hollein, erzählt: Große Namen aus der Kunstwelt waren für ihn tatsächlich selbstverständlich. Oswald Oberhuber ist sein Patenonkel, der große Joseph Beuys spielte mit ihm Hoppereiter, und wenn Pop-Art-Pionier Claes Oldenburg aus New York zu Besuch war, durfte Max länger aufbleiben. Heute ist Max Hollein Direktor an der berühmten Kunsthalle Schirn in Frankfurt. Am 27. September wird er seine erste selbst kuratierte Schau "Shopping" präsentieren, Altmeister und Familienfreund Oldenburg wird dafür Teile einer Ausstellung von 1961 rekonstruieren und zur Verfügung stellen. Die Anekdote ist aber auch deswegen interessant, weil sie Max Hollein selbst gerne erzählt. Weil er weiß, dass Journalisten gerne Anekdoten hören, um die Objekte ihrer Berichterstattung plastischer zu machen, vielleicht auch, weil Hollein einen so geradlinigen Aufstieg zurückgelegt hat, der nicht viele bunte Geschichten abwirft. Holleins Karriere begann eigentlich schon im Kinderzimmer. Früh war ihm klar, dass er einmal im Kunst- und Kulturbereich arbeiten würde. Weil er aber "künstlerisch zwei linke Hände" hat, wurde er nicht Künstler, sondern Kunstmanager. Er studierte in Wien Kunstgeschichte und Betriebswirtschaftslehre. Danach ging er für sechs Jahre nach New York ans Guggenheim-Museum und war dort Assistent von Guggenheim-Chef Thomas Krens. Er koordinierte internationale Ausstellungsprojekte, pflegte die Beziehungen zu europäischen Instituten, Sammlern und Sponsoren und kümmerte sich um den Aufbau der Guggenheim-Dependancen Berlin und Bilbao. Vor einem Jahr wechselte er nach Frankfurt und wurde Anfang des Jahres an der Schirn mit 32 Jahren jüngster Museumsdirektor Deutschlands. Außenauftritt Im Büro von Max Hollein sieht es nach Arbeit aus. Papierberge türmen sich neben seinem Notebook. Hollein selbst könnte, rein optisch, auch Investmentbanker sein: gut geschnittener Anzug, perfekte Manieren, schnell im Denken. Mit einem richtigen Maß an Ernsthaftigkeit ist er peinlichst genau darauf bedacht, was er sagt. Der Mann lebt, denkt und arbeitet "ohne eine Schmauchspur von Wiener Schmäh". Das war im deutschen Feuilleton über ihn zu lesen. Er weiß, dass er sich in seinem Job perfekt verkaufen muss, um eine der wichtigsten deutschen Ausstellungshallen erfolgreich leiten zu können. Das fängt beim Außenauftritt der Kunsthalle an. An der Fassade der Schirn hängen Leuchttafeln. Sie zeigen das neue Logo - bunt und auffallend. Das Foyer hingegen ist kühl und klar, schlichter gestaltet als noch vor einem Jahr. Dadurch werden die Listen von Sponsoren und "Freunden der Schirn" umso präsenter. In einer seiner ersten Amtshandlungen ließ Hollein diese Namenslisten anbringen. Er weiß, dass ein Kunsthallenchef zunehmend von privaten Geldgebern abhängig ist. Für die Großausstellung "Shopping", die Ende des Monats ein breites Publikum in die Schirnhalle locken soll, hat er etwa die Crédit Suisse als Hauptpartner gefunden. Besucherzahlen nennt Hollein als "kluger Direktor" im Vorhinein keine - und muss dabei schmunzeln -, doch dass es eine "sehr erfolgreiche Ausstellung" werden wird, ist für ihn fix. Nein, Bescheidenheit ist keine von Max Holleins Tugenden. Sein gesundes Selbstbewusstsein scheint durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre noch gewachsen zu sein. "Das Guggenheim ist eine Erfahrung, die nicht aufzuwiegen ist", sagt er in Richtung all jener, die ihn für zu jung und unerfahren halten. Dann lehnt er sich zurück und erzählt genüsslich, wie viele Leute in New York für ihn gearbeitet haben, welche Entscheidungen er alleine zu verantworten hatte und wie viel Spaß es ihm machte, mit Größen aus der amerikanischen Kunst, Politik und Wirtschaft im Gespräch zu sein - mit "Menschen, die etwas bewegen können, auch in wirtschaftlicher Hinsicht". Irgendwann aber wollte Hollein nicht mehr bloß die rechte Hand sein. "Die Lernkurve, die erst steil nach oben ging, flachte im Guggenheim irgendwann enorm ab", sagt Hollein nüchtern. Um Karriere zu machen, war es notwendig zu gehen. Vor gut zwei Jahren war Hollein auch als möglicher Chef der Sammlung Leopold im Wiener Museumsquartier im Gespräch - und scheiterte. "Die Stiftung Leopold hat mich wirklich interessiert", gibt er offen zu, "die Erfahrung aber - auch die der medialen Berichterstattung - war gut." Heute ist er froh, dass er nicht in Wien, sondern in Frankfurt gelandet ist: "Die Schirn ist die spannendere Aufgabe." Vorschusslorbeeren Tatsächlich war das Scheitern in Wien prägend für ihn. Als das Schirn- Angebot kam, hat er "hart verhandelt". Das heißt nicht nur, dass er sich zunächst eine Million Euro zusätzliche städtische Mittel zu seinem Budget erstritten hat: Anders als in Wien wollte er eine Bestellung ohne öffentliches Ausscheidungsverfahren. Das Poker hat sich gelohnt: Mit viel Vorschusslorbeeren versehen, soll Hollein der Kunsthalle Schirn wieder zu internationalem Ansehen verhelfen. "Kunsthallen müssen aufhören, Museen zu spielen", sagt er bestimmt. Seine Stoßrichtung: flexibel sein und mit kleinem Apparat große Wirkungen erzielen. Wie das geht? Mit Hollein soll die Schirnhalle auch aktuelle gesellschaftspolitische Debatten aufgreifen. Die an den neuen Direktor gestellten Erwartungen sind groß. Das korreliert ganz wunderbar mit seinem Ehrgeiz. Kompetenz Dass sein Nachname beruflich eine Rolle spielen würde, war ihm immer bewusst: "Negative Gefühle gegenüber meinem Vater projizieren die Leute auch auf mich." Dass er seine Jobs nur seines Vaters wegen habe, ist ihm nicht erst einmal unterstellt worden. Das war auch in Frankfurt so, als Journalisten die kühne These wagten, er hätte den Schirn-Posten nur bekommen, weil sein Vater das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt entworfen hatte. Hollein junior: "Dass man vielleicht kompetent ist, wird erst gar nicht in Betracht gezogen." Das klingt ein bisschen beleidigt, aber so meint er das nicht. Im Gegenteil: Er grinst, wenn er das sagt.