Angelica Bäumer: Über die Bildhauerin Christine Pillhofer Bewegung spielte im Leben von Christine Pillhofer von jeher eine wichtige Rolle. Hatte sie zunächst im Tanz einen Weg für ihre Sehnsucht nach Ausdruck gefunden und in der Akrobatik versucht, dem Gesetz der Schwerkraft zu entfliehen, so hat sie doch erst im Zeichnen und Malen, vor allem aber in der Bildhauerei zu jener Harmonie gefunden, die sie schon immer gesucht hatte. Es ist nahe liegend, daß der Tanz auch in ihrer bildhauerischen Arbeit einen wesentlichen Raum einnimmt, und daß sie versucht, selbst im harten Material - wie Bronze oder Stein - Bewegung umzusetzen und jene Schwingungen zu erreichen die Musik und Tanz vermitteln. Daß ihr dies überzeugend gelingt, ist inzwischen durch die Anerkennung , die sie gefunden hat sowie durch viele Ausstellungen im In- und Ausland bewiesen, nicht zu letzt aber durch Aufträge für die Kunst im öffentlichen Raum. Christine Pillhofer hat - wie so viele zeitgenössische Künstler - auf eine akademische Ausbildung als Künstlerin verzichtet und versteht sich so bescheiden wie selbstbewußt als Autodidaktin, die sich durch Mut und Geduld, durch zahllose Experimente mit Materialen, durch formale und inhaltliche Versuche - auch durch so manche Enttäuschung - jenes Können angeeignet hat, das sie für ihre Arbeit tatsächlich braucht. Sie hat schon früh erfahren, daß es immer nur auf das eigene unmittelbare und persönliche Erleben ankommt, auf Empfindungen und Beobachtungen, die umzusetzen sind in eine künstlerische Form. Christine Pillhofer hat noch die besondere Begabung, ihre bildnerischen Ideen mit handwerklichem Geschick zu verbinden. Und sie drückt ihre Gedanken in klaren Zeichnungen voll kühnem Schwung, in äußerst reduzierter Malerei, in ausdrucksstarken Portraits, vor allem aber in harmonischen Skulpturen von heiterer Anmut aus - wobei alles ohne Skizzen oder Werkzeichnungen direkt im Material modelliert wird. Beschwingt durch Musik und ganz dem unmittelbaren Tun hingegeben, verwandelt sich das statische Material unter ihren Fingern in überzeugende Bewegungen. Philosophie? Anläßlich der Ausstellung der Künstlerin im Wasserschloß der Schloß- Akademie Kottingbrunn schreibt Ferdinand Barg in einem Text über die Figuren: "In beschwingter Losgelöstheit bewegen sie sich im Raum, umgeben von wehenden Schleiern, in kühner Linienführung. Ursprung und Verlauf der Bewegung, Statik und Bewegungspotential sind die Hebelpunkte des Interesses." Von der Plage der Künstlerin, von ihren Zweifeln und Ängsten erzählen die meist kleinen Figuren nichts - nur von der Freude an der Bewegung und dem Rhythmus, als dem Wesen der Dinge, so wie Christine Pillhofer sie sieht und vermitteln möchte. "Ein Werk der bildenden Kunst braucht keine Philosophie als Rechtfertigung, wenn auch ohne solche keine überzeugende Arbeit zustande käme", meint die Künstlerin. Die Kunst braucht die Philosophie, weil sie Nachdenken bedeutet und Hinterfragen, weil sie keine Oberflächlichkeit zuläßt. Aber allzu viele Gedanken und Worte zerstören oft auch, wecken unnötige Zweifel - bei aller Sinnhaftigkeit von Selbstkritik - und machen mutlos, weil man sieht, wie "klein" man ist. Das weiß Christine Pillhofer. Aber sie weiß auch, daß die Spontaneität, die unmittelbare Beobachtung genauso wichtig sind wie das Nachdenken. Sie weiß, daß das konzentrierte Betrachten und Hinschauen, das sich der Emotion und dem Augenblick-Hingeben den Weg zum künstlerischen Gestalten freimachen. Spontaneität und Nachdenken, Unbewußtheit und Bewußtheit müssen sich die Waage halten; sehen bedeutet mehr, als Augen- Aufmachen. Nicht umsonst hat Oskar Kokoschka als das Wichtigste in der Kunst das "Sehen" bezeichnet, hat aber gleichzeitig um die Unfähigkeit der meisten Menschen, korrekt zu sehen, gewußt, denn "richtige" sieht man vor allem mit dem "inneren" Auge. So wollte seine "Schule des Sehens" auch nicht so sehr Künstler ausbilden, als vielmehr die Sensibilität steigern, das Bewußtsein verändern, das zum Betrachten von Kunst und dem Umgehen mit Kunst, aber vor allem natürlich zum Schaffen von Kunst notwendig ist. Sicherlich ist das bewußte Sehen, das sich vom Äußeren zum Inneren wandelt, das Ergebnis einer großen Selbstdisziplin und Bescheidung - sowie das Ergebnis einer harten Schulung, die allen Künstlern auferlegt ist, indem sie gleichzeitig der Tradition verbunden, wie dem Schritt in die Zukunft verpflichtet sind, wobei es auch um die schmerzliche Erfahrung und die Einsamkeit des ganz auf sich allein gestellt Seins geht ... Das Werk von Christine Pillhofer braucht allerdings keinerlei Rechtfertigung welcher Art auch immer. Aber wie intensiv die Künstlerin sich mit geistig-philosophischen Inhalten, mit Fragen von Sinn und Zweck ihrer und aller anderen Kunst beschäftigt, wird in jedem Gespräch mit ihr deutlich. Ihre Sensibilität und Gedankenschwere macht sie verletzlich, gleichzeitig aber auch stark. Sie ist überzeugt davon, daß es vor allem aber auch die Liebe ist, die die Welt im allgemeinen und den Menschen im besonderen verändert - und sie kann sich keinen Tag ohne Gedanken an ein Bild, eine Skulptur, ein Gedicht oder eine Melodie vorstellen. In ihr ist nur dann Frieden, wenn eine Figur entstanden, ein Bild gemalt, eine Idee skizziert oder Gedanke notiert ist. So lebt Christine Pillhofer ein Leben für die Kunst - was so pathetisch wie einfach klingt, aber ihre Wahrheit ist, wenn auch der Weg manchmal beschwerlich ist, so hat er doch Sinn und Logik und gibt neben allen Qualen des Schöpferischen doch auch Freude und die Gewißheit, sich selbst treu zu sein.