Katja Blomberg: Hiroshi Sugimoto transportiert Japan-Klischees nach Bregenz FAZNET 1. Oktober 2001 Im Bregenzer Kunsthaus wurde eine Symbiose zwischen ästhetischen Hochleistungen japanischer Fotografie, asketischer Architektur und stilisiertem japanischem Noh-Theater, der ältesten ununterbrochen geübten Theatertradition der Welt, erprobt. Dieser Versuch ist eindrucksvoll schief gegangen: Die Noh-Schauspieler wirkten wie ausgestellte Tiere im Zoo. Bei Kerzenschein und mit finalem Applaus - in Japan verpönt - wirkte das Spiel missverstanden. Der Museumsbau von Peter Zumthor erschien zusammen mit den Fotografien Hiroshi Sugimotos überperfekt und steril. Schönheit pur, hinter Glas, ein Gefühl, als sei man in die 80er Jahre Ästhetik zurückgeworfen schlich sich ein. Wichtiges blieb auf der Strecke: Das authentisch-Chaotische, das Unvollendete, das Lebendige. Meditation über Bilder, die die Welt bedeuten Eine internationale Schar von Gästen war gekommen. Alle wollten hören und sehen, was der japanische Starfotograf Hiroshi Sugimoto in der Architektur des Bregenzer Museums von Peter Zumthor zu seinen Bildern zu sagen hatte. Und das war spannend. Sugimoto ist ein charmanter Redner - wenn auch des Englischen nur in seiner japanischen Variante mächtig. In der Eingangshalle, die zugleich erster Ausstellungsraum ist, trifft man auf ein Bild des Gebäudes, das man gerade betreten hat. Innen sieht man das Kunsthaus Bregenz von außen wieder. Es wurde verschwommen wie durch einen Filter aus Nebel aufgenommen. Dieser Nebel hängt ständig über dem nahegelegenen Bodensee. Er verklärt die Architektur zur Vision aus der Erinnerung. Sugimoto liebt den europäischen Modernismus der 20er und 30er Jahre. Seine Architekturserie beschäftigt sich mit herausragenden Beispielen, ist aber nicht von Vollständigkeit getrieben. Er zeigt Gehrys Museum in Bilbao, Corbusiers Kapelle in Ronchamp, den Einsteinturm in Potsdam oder eine Kapelle von Tadao Ando in Japan. Alles völlig unscharfe Bilder in großen Formaten. Technisch perfekt. Dazu höchst wertvoll in gebürsteten Aluminiumrahmen staubfrei hinter Glas präsentiert. Optisch voller Rätsel Die Unschärfe, erklärt Sugimoto, ist durch "doppelte Unendlichkeit", durch meterweises Verschieben des Fokus vor die Kamera erzeugt worden. Dadurch, führt Sugimoto weiter aus, sieht man auf den Bildern etwas, was mehr ist, als das menschliche Auge wahrnehmen kann. Der Blick hinter den Blick führt zu Gebäuden, die in ihrer klassischen Einfachheit in die Baugeschichte des 20. Jahrhunderts eingegangen sind. Hinter der Schwelle des 21. Jahrhunderts erscheinen diese Bauten wie aus einer anderen Zeit. Das Unscharfe, gibt Sugimoto zu, werte die Bauwerke auf. Baufehler und Details sind unsichtbar. Die Reihe der Architektur-Fotografien führt auf die Wurzeln unseres Lebensstils zurück, findet Sugimoto. Eine doppelte Zeitreise in die Erinnerung Ein Motiv des in New York lebenden Künstlers war auch das ehemalige World Trade Center. Die Katastrophe habe er aus dem zwölften Geschoss sehen können. Er sei aber erst auf das Dach seines Ateliers gestiegen, als ein Turm schon zusammengebrochen war, erzählt der Künstler ungerührt, entschuldigt sich und verschwindet, um sich vor dem öffentlichen Auftritt noch einmal zu sammeln. Motive findet Sugimoto überall. Allein die Umsetzung ist für ihn und seine Mitarbeiter eine Tortur: Bis das Bild wirklich perfekt ist, fliegen mindestens zehn Abzüge in den Papierkorb. Kein Staubkörnchen, kein Fältchen, kein Faden dürfen zu sehen sein. Eigentlich will sich Sugimoto nach 30 Jahren in den USA bald nach Japan zurückziehen. Aber sein New Yorker Studio kann er nicht mitnehmen. Nur dort hat er Handwerker, die auf seine Qualität eingespielt sind. Über stille Zeit Er arbeitet nur mit langsamen Materialien. Filme und Kamera müssen weder automatisch noch schnell sein. Zeit ist das Schlüsselwort seiner Kunst. Stille Meere unter stillen Himmeln. Dafür sind Belichtungszeiten bis zu zwei Stunden nötig. Sugimoto steigert sich während des Rundgangs, gibt Anekdoten preis: Enten, die aus dem Motiv verschwinden sollen. Kreidefelsen auf Rügen, die er nach Caspar David Friedrich aufgesucht hat, um "Seascape" aufzunehmen. Das Meer entspricht seinen ersten Kindheitserinnerungen. Das Noh-Theater auch. Letzteres hätte er lieber in Japan lassen sollen. Die Schauspieler und der Geist, den sie erwecken wollten, wirkten bei Kerzenschein in falschem Licht gequält wie Puppen, die mit Klischeevorstellungen ausgestopft waren. Kulturtransfer als Luxusgut ist nicht das, was das Verständnis zwischen den Völkern wirklich weiterbringt.