Hans Gercke: Von sanfter Beharrlichkeit: Man sollte sich - in der Kunst wie anderswo - vor allzu simplen Schubladen- Sortieren hüten: Häufig sind die sogenannten Trends hausgemacht, und sie entstehen hauptsächlich dadurch, daß man - sprich: Kritiker, Ausstellungsmacher, Galeristen - geflissentlich alles ignoriert, was es zwar - auch - gibt, was aber dem selbstentdeckten oder kreierten Zeitgeist nicht entspricht. Freilich: Maßgebend ist nicht allein, was auf der Produzenten-Seite geschieht, sondern auch, was auf der des Rezipenten ankommt. Da kann es schon sein, daß da plötzlich etwas wahrgenommen wird, was wenig zuvor noch niemanden auch nur im geringsten interessiert hat. Jetzt aber, aus welchen Gründen auch immer, trifft es den Nerv der Zeit. Es ist "in", und es wäre sicher zu einfach, ganz im Sinne besagter Schubladen, diesen Sachverhalt lediglich als Mode zu qualifizieren. Solchermaßen Mißverständnissen vorbauend, läßt sich dann vielleicht doch konstatieren: Es gab in den sechziger Jahren eine starke Tendenz, die Kunst aus ihrem Elfenbeintum herauszuholen und sich mit ihren Mitteln ins politische Tagesgeschäft einzumischen. Und es gab in den Siebzigern so etwas wie einen Rückzug ins Private, eine Besinnung der Kunst auf sich selbst und auf die Bedingungen ihrer Entstehung. Minimal- und Konzept-Art bestimmten die Szene, es gab zwar auch anderes, aber es blieb, zumindest in der offiziellen Betrachtung, im Hintergrund. In den Achzigern läutete dann die Bewegung der Neuen Wilden das Zeitalter der Postmoderne ein, in der schlechthin alles möglich wurde. Niemand mußte sich mehr schämen, wenn es tradierte Techniken, Stile und Themen aus der Mottenkiste der Historie hervorholte und sie neu frisierte, zum Teil freilich auch gegen den Strich kämmte. Das Rien ne vas plus der Kunst- Croupiers war überwunden. Neben neuen Möglichkeiten einer Kunst über Kunst ergaben sich überraschende Perspektiven der Intervention in eine vermeintlich ununterscheidbar in den Bereich Kunst intergrierte Wirklichkeit. An die Stelle markenzeichenhafter Spezialisierung trat eine neue, ebenso reibungsträchtige wie anpassungsfähige Offenheit. Sie kann sich bis ins Chamäleonartige steigern - in der Antithese gegen das gerade Überwundene wirkt immer auch noch oder wieder dieses selbst mit, zum Beispiel insofern, als sich eine Handschrift heute häufig nicht mehr im Vordergründigen, sondern allenfalls auf der Ebene des künstlerischen Konzeptes erkennen läßt. Analysiert man vor diesem Hintergrund Bernd Faschings Kunst, so wird man sie als ebenso heterogen wie unverwechselbar erleben. Tradierte Techniken und Formvorstellungen - der Malerei, der Skulptur - verbinden sich mit konzeptuellen Versatzstücken, mit Texten und Strategien von Performance und Installation zu einem breiten, überaus komplexen Feld der Informationen und Irritationen, in dem der Betrachter sich nur zurechtfinden kann, wenn er die Herausforderung annimmt, sich selbst als aktiven Partner in dieses Spiel einzubringen. Vom Grad seines Engagements wird es abhängen, ob das Gespräch, das Bernd Fasching als Versuchsanordnung vorschlägt, in Gang kommt, ob der Funke überspringt, das Kunstwerk als prozeßhates Ganzes lebendig wird. Keiner wird zur Teilnahme gezwungen. Faschings Vorgehen ist von sanfter Beharrlichkeit. Allemal werden Orte gewählt, deren betont nicht kunstspezifische Eigenart es einerseits erschwert, Faschings Versuchsanordnung unbesehen als Kunst einzuordnen, andererseits aber die Auseinandersetzung auf einen konkreten historischen oder geographischen Punkt bringt. Hier aber - und auch da steht Fasching nicht allein, aber die Art, wie er es macht, ist ziemlich eigen, ehe episch al lakonisch - wird Offenheit zu einer neuen Bestimmtheit. Es vollzieht sich erneut der Ausstieg aus dem Elfenbeintturm, nun aber nicht mehr im Sinne plakativer Intervention, sondern als komplexe künstlerische Aktion, die im außerkünstlerischen Kontext möglicherweise eine leise, aber intensive, ausgesprochen subversive Wirkung entfalten kann - das Gegenteil des immer so wohltuend beruhigenden Aha-Effekts.