Margarethe Szeless: Im Atelier. 2002 Wir befinden uns in einem quadratischen Raum mit weißgetünchten Wänden. An den Wänden in Herbert Hofers Atelier hängen seine jüngsten Arbeiten. Es sind dies in erster Linie weiße Arbeiten. Also nicht Bilder, die ein farbiges Rechteck, sprich einen potentiellen Ausblick in die Wand schneiden, sondern Bilder, die sich kaum von ihrem Untergrund abheben, Bilder also, die hartnäckig auf den Raum zurück verweisen. Das Interesse für den Raum ist eine Konstante in Hofers Werk, in seinen neuesten Arbeiten aber spitzt sich dieses auf die unmittelbare Thematisierung seines Arbeitsraumes zu. entlang der oberfläche, 2001 besteht aus fünf digitalisierten Fotografien, die in ihrer seriellen Anordnung und forcierten Programmatik an die Ästhetik und Inhalte der Concept Art erinnern. Zwischen den Einblicken in den eigenen leeren Atelierraum erscheint - nicht ganz ohne Pathos - die Hand des Künstlers vor weißem Hintergrund als pars pro toto des Schaffenden, des Umsetzers von Ideen, des Willens zur Form. Gleichzeitig aber verweist diese Hand, nicht anders als Hofers Bilder, zurück auf den Raum als jenen Ort des Rückzuges und der Reflexion, in dem die Wahrnehmung des Künstlers zirkuliert. entlang der oberfläche scheint somit ein Bekenntnis zur Beschaffenheit der eigenen bildnerischen Sensibilität zu sein, die ganz auf den unmittelbaren Raum gerichtet ist und fortwährend an die Grenzen dieses Raumes stößt, um sich an diesen abzuarbeiten. Dieses Abarbeiten am Raum offenbart sich in der skulpturalen Arbeit atelierfalte auf geradezu brachiale Art und Weise. Eine großformatige Aluminiumplatte wurde auf beiden Seiten mit einer Fotografie überzogen, die einen guckkastenartigen Einblick in Herbert Hofers Atelier bietet. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde die Aluminiumplatte mit den Abbildern des Ateliers geknittert und deformiert, der Künstler machte sich also mit physischer Gewalt über jenen virtuellen Atelierraum her. Dabei gerieten im Übergang von zweidimensionaler Aluminiumplatte zu dreidimensionalem verformtem Objekt die räumlichen Dimensionen des abgebildeten Atelierraumes in Bewegung und außer Kontrolle. Während in der Fläche die tiefenräumlichen Charakteristika des Ateliers noch den Regeln der Zentralperspektive gehorchen, ist der Atelierraum in seinem skulpturalen Endzustand von zahlreichen Knicken, Falten und Brüchen durchzogen, die das Konzept der dreidimensionalen Räumlichkeit sprengen. Der Raum ist formbar geworden unter den Händen des Künstlers und folgt seinem Gestaltungswillen aber ebenso der Logik des Materials, das Verlauf und Form der Deformationen mitbestimmt. An keinem anderen Aufstellungsort können die Qualitäten dieser Arbeit pointierter zu Tage treten als im Atelier des Künstlers selbst, wo sich durch den Verdoppelungseffekt ein Ineinanderkippen der Räume, gleichsam eine räumliche Implosion, vollzieht. In einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich angewandt auf eine Fotografie Brassaïs von 1932, hat Rosalind Krauss den Terminus der mise en abyme (dt. etwa: Kippen in den Abgrund) geprägt, der mir auch besonders geeignet erscheint, die Raumdynamiken in Herbert Hofers atelierfalte zu erfassen. Aus diesem Grund lassen sich auf struktureller Ebene Parallelen zwischen Brassaïs Fotografie und Hofers Arbeit ziehen. Brassaïs Foto zeigt eine Reihe von Pärchen, die um einen Tisch in einem Kaffeehaus von Montmartre sitzen. Während eine Dreiergruppe direkt vom Fotografen ins Visier genommen wird, erscheint im dahinterliegenden Spiegel eine andere Dreiergruppe, die in Konstellation und Gestik ein Spiegelbild der ersten zu sein scheint, sich aber als deren Gegenüber entpuppt. In diesem Bild wird eine Situation, die im wirklichen Raum entsteht, durch die Reflexion im virtuellen Raum des Spiegels verdoppelt. Angelpunkt dieser Bild im Bild - Konstellation ist also der Spiegel, der die Raumverhältnisse und damit die Wahrnehmung durcheinanderbringt und -gedanklich weitergeführt- einen Prozeß der mise en abyme in Gang setzt, der - ähnlich einem Kaleidoskop oder Spiegelkabinett - eine endlose Kette von Verdoppelungen hervorzubringen vermag. Zurückkommend auf Herbert Hofers atelierfalte zeigt sich, dass hier ganz ähnliche Wahrnehmungsweisen erzeugt werden wie bei Brassaï. So wie sich im Foto zuallererst der Inhalt, sprich die Erfassung der abgebildeten Personen und des Kontextes, aufdrängt, ist es bei Herbert Hofer die skulpturale Qualität der atelierfalte. Zuerst gleitet das Auge an der glatten Oberfläche der Skulptur entlang, bleibt an Kanten hängen und verweilt in Höhlungen jenes äußerst fragilen Gebildes, das nur auf Grund seiner Ausbeulungen ein labiles Gleichgewicht hält. Gleichzeitig aber entziehen sich dem Auge Form und Festigkeit der Skulptur, die durch die Reflexionen des Lichtes an ihrer glänzend weißen Oberfläche entmaterialisiert wird. Es ist, als ob die Skulptur für ihre Umgebung durchlässig wäre, als ob sich Licht und Umraum in sie hineinsögen. Nun steht aber die atelierfalte in einem Raum, dessen Abbild, wenn auch verzerrt und zerknittert, sie trägt und darstellt. Ein und derselbe Raum kippen somit ineinander, sowie dies auf Brassaïs Fotografie der Fall ist. Der Effekt der mise en abyme ist in Gang gesetzt, Räume verdoppeln sich, räumliche Dimensionen verschieben sich, Räume kollabieren ineinander, dehnen sich aus und ziehen sich zusammen. Und unsere Wahrnehmung dreht Pirouetten... Rosalind Krauss, Das Photographische. Eine Theorie der Abstände, München 1998