Lioba Reddeker: Reinhold Rebhandl. Retrospektv Eröffnung Kunsthalle tmp steyr 21 06 2001 Anläßlich der kürzlich zuende gegangenen Art Basel erschien vor wenigen Tagen in der Neuen Zürcher Zeitung eine Reihe von Zusatzartikeln unter dem Titel "Schauplatz Gegenwartskunst", in denen die aktuelle Situation der Kunst, ihre Möglichkeiten und Grenzen, den Gehalt von "Avantgarde" Tendenzen und Marktkompatibilität ausgelotet wurde. Der Kritiker Andreas Lepik dazu "Am Beginn des 21. Jh sind in der Kunst die Konventionen und Stile überwunden und die Retro Avantgarden fallen einander glücklich in die Arme, nach dem Motto "Anything goes" und "All is beautiful!" Im gleichen Maße, wie die Verbindlichkeit gesellschaftlicher und ästhetischer Wertsysteme verloren ist, hat auch die Kunst keine festen Bezugsgrößen außerhalb ihrer selbst; sie ist vielmehr in immer kleinere, individuelle Splitter zerfallen. Realistische und abstrakte Malerei werden als ebenso gültig akzeptiert wie Photographie, Video, Aktionskunst, Dokumentation, Konzeptkunst, Computerkunst oder Neo Pop." Weiters werden einige Argumente angeführt, die den Verlust der Lust zur Überschreitung der Grenzen beklagen und sich gerade der (falsch?) inszenierten Tabubrüche als müde erweisen, Tabubrüche, die eigentlich keinen mehr wirklich interessieren. Und doch, so wird verwundert bemerkt, obwohl die Kunst so viel Energien einzubüssen schien, wo in ihr alles so vorhersehbar und kalkulierbar erscheint, werden immer mehr Museen gebaut, übernehmen Event Marketing Companies inzwischen die Kunst in ihre Programme und strömen jährlich mehr Menschen in Museen, Messen, Biennalen und Ausstellungen als je zuvor. Und das, obwohl sich doch niemand mehr damit auszukennen scheint, was die Kunst ist.... ....oder wer eine Künstlerin, ein Künstler ist ....?! Um daran keine Zweifel aufkommen zu lassen, informiert Reinhold Rebhandl sein Publikum über die Tatsachen unmissverständlich: "Reinhold Rebhandl, Künstler" - so heißt das Bild und trägt sein Thema und den Titel dazu auch gleich im Image. Irrtum ausgeschlossen? Wirklich - ? - Oder muß man jetzt vielleicht erst recht nachzudenken beginnen über das, wen und was man da sieht? Erkennbar ist das verschwommene Portrait (womöglich aufgrund "unprofessionellen" Abfotografierens vom Bildschirm) eines jungen Mannes, vor Natur-Hintergrund (oder ist es durch ein Fenster gesehen?) mit Brille, dunklem Gewand und rotem Schal - oder ist es ein Handtuch?) Fragt man sich tatsächlich, was auf dem Bild zu sehen ist, fällt eine eindeutige Antwort schwer. Der Untertitel klärt uns immerhin noch über den Kontext auf: Bildschirmfoto während der Sendung "Oberösterreich heute". Offensichtlich gab es eine interviewartige Situation, in der die gezeigte Person involviert war. Die Beschriftung klärt für den Zuseher seine Identität und den Beruf. Aber weiter? Wir erfahren in diesem Foto nichts über das Thema eines Gesprächs oder der Sendung. Ging es um Kunst oder wurde Reinhold Rebhandl, joggend am Donauufer, als zufälliger Passant über den Zufriedenheitsgrad zur Ausbaustufe der Fahrradwege in Oberösterreich befragt? Dieses Lapidare, gern Changierende zwischen Ernst und Ironie sowie das wenig heroische einer Künstlerexistenz ist es, was Reinhold Rebhandl gern in den Mittelpunkt seiner Selbstdarstellung und thematischen Fokussierungen rückt. Vorbilder und große Väter mag er nicht nennen - dazu interessiert ihn zu viel verschiedenes. Gerhard Richter spricht er an, was dessen große Flexibilität im Umgang mit ganz verschienen künstlerischen Problemen angeht. Wenn Sie es wollen, werde ich auch morgen ein gutes Bild malen - so heißt eine sich auch immer wieder verändernde Arbeit und hieß eine Ausstellung von Rebhandl vor 2 Jahren und diese saloppe Aussage fasste auch damals prägnant zusammen, wie sich der Künstler innerhalb seiner eigenen Werkentwicklung, des Kunst- und Ausstellungsbetriebes als auch gegenüber seinem Publikum verortet. Das Publikum, die Besucher seiner Ausstellungen, jene, die seinem Werk gegenübertreten, scheinen für den Künstler immer schon von großer Bedeutung zu sein. Jedoch nicht im Sinne des verständnis- heischenden Künstlers, der sich die Fan Gemeinde aufbaut, sondern jener Person, die sagt: das bin ich, das ist meine Arbeit, ich kann es auf diese Weise darstellen und anbieten - und nun steht die Arbeit an ihrem Platz und löst etwas bei seinem Betrachter aus. Konterkariert werden jedoch jene Erwartungen, die den Künstler in die Position des Genies, der herausragenden Geistesgröße, des unfassbaren Talentes stellen wollen. Dazu nimmt sich Reinhold Rebhandl selbst und auch die Kunst nicht ernst genug - obwohl sie sein Leben ist und scheinbar jede Regung, jedes formale und ästhetische Interesse in Kunstwerken formuliert wird. Sowohl jede Art von Materialität und Medialität, als auch differierende Farbräume und Techniken, die verschiedensten sprachlichen Experimente werden von Rebhandl erspürt, aufgestöbert und lustvoll in Kommentare zur Welt und neue Kommunikationsangebote umgewandelt. Rebhandl lässt sich gern verführen - von Bild- und Motivangeboten des alltäglichen Lebens und verführt gerne sein Publikum, am liebsten mit einer augenzwinkernden Rückkoppelung auf den Betrachter selbst, wenn er über poetische Untertitel oder ungewöhnliche Installationsanordnungen wie in der Arbeit "Bildkästen/ Epitaphe" scheinbar bekannte Fragen neu stellt. Rebhandl sagt was er denkt und führt uns doch durch zwiespältige Titel und zweideutige Kontexte in die Irre und befindet sich damit in bekannter (nicht nur kunsthistorisch ablesbarer) österreichischen Tradition. Eine Arbeit aus dem Jahr 2000, einem sicherlich für Österreich besonderen politischen Jahr, mit dem Titel "Wenn es ernst wird, dann beiß ich mich durch" oder die Variante mit "Wenn es ernst wird, dann box ich mich durch" stellt unverhohlen, und doch trotzig-widerspenstig im Hinblick auf eindeutige Interpretationen, eine Warnung in den Raum. Doch die Warnung trifft ins Leere, solange man nicht bereit ist, seine eigene Position zu hinterfragen angesichts des genussvoll in die österreichische Fast Food Variante der Leberkässemmel beißenden Gesichtes. Wie ernsthaft ist unsere Bereitschaft zur selbständiger, offener und kritischer Positionierung? Um eine Beantwortung der Frage kommt man nicht herum und Rebhandl befindet sich ikonographisch in bester Gesellschaft, hat doch schon Peter Weibel vor 30 Jahren durch seine Eß und Begrüßungsperformance "Grüß Gott" das Publikum vor die Gretchenfrage ihres Verhältnisses zu Vaterland und Muttersprache gestellt: Ein gebackenes Stück "Grüß Gott" wurde von ihm, durch die Straßen gehend den Entgegenkommenden hingehalten, um anschließend, in autoritätsnegierender Geste, davon abzubeißen. Den Rest hat sich das zufällige Kunstpublikum selber überlegen müssen. In dieser umfassenden "retrospektiv" Ausstellung wird eine künstlerische Position deutlich, die jene erwähnte, in vielen Bereichen nicht mehr vorhandenen Bezugsgrößen, um die eingangs erwähnte Kritik wieder aufzugreifen, in frei flotierenden künstlerischen Gebilden neu definiert und über die Schaffung eines ganzen Universums bildnerischer und sprachlicher Produkte neue Definitionsmöglichkeiten formuliert und das mit einer gesunden Portion Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung und frei nach dem Motto "Ich vermittle mich selbst"