Presseinformation: REALITÄTEN II: Gesellschaftswerte Iris Andraschek (A) / Tina Bara (D) & Alba D'Urbano (I/D) / Nina Bauer (A) & Jasmin Trabichler (A) Oriana Fox (USA/GB) / Per Hüttner (S) / Sabine Jelinek (A) / Franz Kapfer (A) / Martin Krenn (A) Lisl Ponger (A) & Tim Sharp (GB) / Marika Seidler (DK) / Soody Sharifi (IR/USA) Eröffnung: Montag, 29. August 2005, 19 Uhr Dauer: 30. August – 28. September 2005 Ort: FOTOGALERIE WIEN , Währinger Straße 59, 1090 Wien DI – FR 14 – 19 Uhr, SA 10 – 14 Uhr An Feiertagen ist die Galerie geschlossen. Die KünstlerInne sind bei der Eröffnung anwesend! Dieses Projekt wird unterstützt von: BKA-Kunst / MA 7-Kultur / Cyberlab / Alsergrund-Kultur Kooperationspartner: House of Photography, Poprad und IWM, Wien Mit gesellschaftlicher Werteproduktion beschäftigt sich die 2. Ausstellung des diesjährigen Schwerpunkts REALITÄTEN, der FOTOGALERIE WIEN. Werte sind wandelbare Eigenschaften innerhalb eines Sozialsystems. Woraus wird ein Wertesystem gespeist, innerhalb welcher tradierten und neu definierten, neu kreierten Werte bewegen wir uns? Insgesamt 14 KünstlerInnen aus dem In- und Ausland wurden zu dieser Ausstellung eingeladen und gehen auf unterschiedlichste Weise diesen Fragen nach. Ein wesentliches Merkmal westlicher Demokratien ist die Achtung und der Schutz von privatem Eigentum. Martin Krenn erarbeitet in seiner 2005 begonnenen Fotoserie Lost History Today Geschichte dort wo sie gelöscht oder vergessen wird. Er fotografiert Orte der „Arisierung“ und Restitution in Wien, München und Berlin. Die Normalität mit welcher diese Orte ihrer Geschichte beraubtwerden, zeigt auf, wie Geschichtskonstruktion und die systematische Verdrängung von „Arisierung“ und Restitution seit 45 in das Heute wirken. Franz Kapfer reflektiert in seinen Arbeiten Zentaur und Rom 2003 die Situation des Vater-Seins, die Definition von Familie und spielt auch auf die wertekonservative Haltung speziell christlich dominierter Gesellschaften an. Dafür stülpt er sich die Hülle des Zentauren - der Verkörperung des Lehrenden, Gesetzlosen und des Künstlers über, um zu seiner Tochter Kontakt aufzunehmen: "Höre, höre Tochter, alles ist Lüge" sagt Kapfer und kündigt das Scheitern der elterlichen Bestimmungen an. Zusammengehörigkeit und Identitätsmechanismen werden seit Jahrhunderten während diverser Festivitäten konstruiert. Iris Andraschek führt uns mit ihren Zeichnungen und Fotografien „The passion of the real“ in ländliches Feld. Die vielzitierte Idylle des Ländlichen findet sich in ihrer Arbeit nicht. Stattdessen sind Menschen zu sehen, die sich bei diversen Festen Rollen zulegen wie aus einem Versandhauskatalog. Feldforschung der anderen Art betreibt auch Sabine Jelinek mit ihren Videoarbeiten „Aponia“ und „Spaß nach Anleitung“. Sie begibt sich damit auf die Spuren des winterlichen Tourismus, der sogenannten Freizeitgestaltung. Jelinek zeigt welche Formen die „Jagd nach Glück“ annehmen kann und unterstreicht den Kontrast zu dem eigentlichen Ziel der Wohlstandsgesellschaft, nämlich frei und individuell zu sein. Mit dem Verhältnis Mensch und Arbeit beschäftigen sich Jasmin Trabichler und Nina Bauer in ihrem Projekt „Auszeit - L’ emploi du temps“. Identität und Entfremdung in der modernen Arbeitswelt – der Arbeitsplatz als Ort individueller und visueller Vereinheitlichung. Trabichler / Bauer erforschen die Spuren von Strategien sich Rückzugsmöglichkeiten, private Nischen zu schaffen - den genormten Zeitplan zu durchbrechen. Tina Bara und Alba D’Urbano zeigen in ihren großformatigen Portraitfotografien Schwimmerinnen die im Zeitraum der 50er bis 70er Jahre in der DDR erfolgreiche, damals sehr junge, Leistungssportlerinnen waren. Siegerehrungen thematisiert nicht nur das Phänomen der Körperpolitik die in unserem komplexen politischen und wirtschaftlichen System einen wichtigen Stellenwert einnimmt, sondern auch das indentitätsstiftende Rezept von Sport, Leistungsschau und Erfolg. Auch Oriana Fox geht es in ihren Videos „Our Bodies, Ourselves und Tales of Narcissus“ um Körperpolitik, sexuelle Rechte und Freiheiten. Fox lässt feministische Körpertheorien der 70er Jahre in Form der populären Fernsehserie „Sex and the City“ Revue passieren. Sie kombiniert feministische Kunstproduktion von Judy Chicago und Hannah Wilke mit aktueller medialer Repräsentation von Frau. Wie eine Gesellschaft zu ihren Bildern und über diese zu ihrer Identität kommt, zeigen Lisl Ponger und Tim Sharp in ihrem CD-R Projekt „ImagiNative, Recherche als künstlerische Strategie“. Darin wird eine Geschichte der künstlerischen Aneignung des Exotischen, das nie im eigenen Land oder dem eigenen Selbst gesucht wurde, recherchiert. Um kulturelle und religiöse Werte geht es in Soody Sharifis Fotografien „Moslim Teenagers“. Sharifi interessiert das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne des islamischen Alltags, der Einfluss des Westens und der Bruch mit tradierten Medienbildern von moslemischen Frauen, die es zu hinterfragen und zu durchbrechen gilt. Individuelle Freiheiten von Frauen zwischen Wunsch und Realität in Syrien und dem Libanon beschreibt Marika Seidler in ihren Videoprojekten. „Imagine“ dokumentiert Frauen-Fantasien von nicht existierenden Plätzen. Dabei geht es ihr um die imaginative Vorstellungskraft eines anderen Ortes als dem des real existierenden, den die Frauen in politisch untragbaren Situationen neben ihrer aktiv politischen Handlungen auch einzusetzen verstehen. Den Ausstieg vom Wertekanon einer eurozentristischen Weltsicht lässt Per Hüttner in seiner inszenierten Fotografie anklingen. Der Künstler stellt sich als Projektionsfläche zur Verfügung und spricht damit die Ängste vor Einsamkeit oder die Überforderung des Einzelnen, in einer anything goes - Gesellschaft an. Rahmenprogramm zur Ausstellung: HUBERT LOBNIG zeigt ZIVOMIR DER SAMMLER - 1996-2003 und eine Fotoinstallation. Donnerstag, 15. September 2005, 19 Uhr im FOTOGALERIE WIEN - KINO "Ab Mittag sitzt Zivomir im Park, ordnet, sortiert, schält Plastik von Kupferkabeln, schraubt Griffe von alten Bratpfannen, sortiert, ordnet, schichtet Dinge aufeinander, von einem Wagen in den anderen, füttert seine Tauben. Über Nacht gibt es spezielle Plätze für den Wagen: Er läßt ihn im kleinen Park einschließen oder sperrt ihn hinter einen Baustellenzaun. Dabei nutzt er sehr geschickt Nischen des öffentlichen Raumes, dehnt diesen in seinen Funktionen und weiß sehr genau Bescheid über dessen Eigenschaften und Zeiten. Obwohl er kein Wort deutsch spricht ist er Mittelpunkt des Parks, der einzige tatsächliche Parkbenützer. Manchmal bringen Leute einfach Dinge vorbei, von denen sie wissen, daß er sie (wieder-)verwerten kann." Hubert Lobnig