Über die künstlerische Arbeit von Teresa Präauer Von Christian Rakow Zwischen den Bildern spielt sich die Kunst ab, sagt Teresa Präauer über (ihre) Malerei. Zwischen den Bildern - da ist zunächst von den eigenen Bildern die Rede. Nicht von einem einzelnen Bild, nicht von einem singulären Akt der Repräsentation oder des Ausdrucks, sondern von Bildergruppen. Bildergruppen zeigen zunächst auf ihre inneren Verhältnisse. In ihnen überwiegt die Beziehung der Bilder zueinander den traditionellen Anspruch des Einzelbildes, eine begrenzte und definitive Stellung zur Wirklichkeit einzunehmen. Die Gesichter in Teresa Präauers Zeichnungen und Aquarellen lassen sich daher nicht durch ein Wissen um Person erklären, die ihnen äußerlich wären. Sie stehen vielmehr im Zeichen ihrer sie umgebenden Figuren. Es ist ein wandelbares Zeichen, denn es hängt von der kursorischen, von Bild zu Bild schweifenden Lektüre des Betrachters ab, welche Gesichter oder Figuren er jeweils in Nachbarschaft sieht. Wenn Teresa Präauer ihre Kunst zwischen den Bildern ansiedelt, dann relativiert sie also das Einzelbild zugunsten einer prozessualen Auffassung, nach der das Kunstobjekt nicht mehr als ein eigenes Zentrum auftritt, sondern in eine beziehungsreichere Kommunikation von Aneignungen und Mitformung gestellt ist, die Bilder in Bildern vermittelt und im Moment der Zusammenschau bestimmt sieht. Dieser Prozessgedanke betrifft nicht nur die Rezeption der Arbeiten, sondern bereits ihre Zustandekommen. Zwischen den Bildern - das meint auch jene Bilder, die das Werk der Künstlerin umgeben, die ihr Material und ihr Sujet darstellen. Es sind nicht in erster Linie Kunstwerke. Gegen weniges verhält sich Teresa Präauer so skeptisch wie gegen den Mythos des originalen Künstlers, der allein durch die Tradition vermittelt seine Wirklichkeit bearbeitet, seine exklusiven Wahrnehmungen und Darstellungen pflegt. Teresa Präauer interessieren vielmehr alltägliche, genauer alltäglich wirksame Fabrikate. Ihre Arbeit beginnt bei den Populärporträts aus Zeitungen und Zeitschriften, die zur Darstellungs- und Verständnisnorm modernen Rollenverhaltens werden. Zwischen diesen Bildern etabliert sich ihre eigene Arbeit. Wie in einer überdeterminierten Öffentlichkeit, die in unablässiger Folge Typen und Typisches (re-)produziert, Singularität und Individualität zu denken sind; wie gegenüber dem medialen Konstruktivismus eine eigenständige Signatur entwickelt werden kann - aus diesen Fragen entsteht das Werk von Teresa Präauer. Gesichter, Masken, Mythen Das künstlerische Porträt zehrte traditionell von der Hoffnung, den Menschen unter der Verkleidung, das Antlitz hinter der Persona aufzuspüren. I’m afraid, the masquerade is over, heißt es in einem Song von George Benson. Spätestens seit der Neuen Sachlichkeit verhält sich die Kunst reserviert gegen derartige authentische Phantasien. Unter der Maske zieht man andere Masken hervor. Der Mensch in seiner sichtbaren Präsentation ist der kenntliche Mensch, so die Lehre der Moderne. Wie das Selbst nicht ohne Pronomen zu denken ist, so besteht es auch nicht ohne eine spezifische Grammatik von Kleidung und Darstellung. Frauen in Scheißkostümen heißt eine Bilderserie von Teresa Präauer, die nicht ohne Unbehagen, auch nicht ohne Ironie diesen konstruktiven Charakter bezeichnet: Kosmetik und Gymnastik sind in der modernen Lebensphilosophie keine Deckel mehr, sondern die Suppe selbst. Der Kajalstrich von Avril Lavigne etwa oder die Körperlichkeit von Alecia Moore (alias Pink) zeigen mehr als den Look eines einprägsamen Adoleszenzverständnis’. Sie sind Ausdrucksformen einer Epoche, für die Bildung und Bildlichkeit keinen Gegensatz mehr bezeichnen. Es sind so gesehen keine Oberflächenphänomene, sondern verschiedene Weisen der symbolischen Komposition des Selbst, auf die Teresa Präauers gemalte oder gezeichnete Köpfe und Gesichter Bezug nehmen. Die Auseinandersetzung mit der Bildlichkeit populärer Medien, mit Frauenzeitschriften, Hochglanzblättern, Boulevardmagazinen, das Sammeln und Zusammenordnen, die Suche nach Pattern in Haltungen und Gesten - sie legen den Grundstein für ihre Thematisierung moderner Selbstentwürfe. Es ist eine Arbeit an einer Bildlichkeit, die man als partiell bezeichnen könnte. Im populären Bild bleiben die Formenwerte und kompositorischen Verhältnisse gemeinhin unentdeckt wirksam, nicht nur weil der emotionale Überschuss, den sie hervorrufen, sie gleichsam verbrennt (d.h. die Kontemplation verhindert), sondern auch, weil es gemeinhin supplementär gebraucht wird. Das populäre Bild ist ein Emblem, das eine Erzählung (oder ein Cluster von Erzählungen) vertritt. Es mag als geglücktes Bild erscheinen, ja obwohl es auf längere Sicht als auswechselbar erscheint, ist es im jeweiligen Moment seiner Verwendung das einzig richtige, sprechende Bild. Aber seine Ästhetik kann nicht getrennt werden vom Verweis auf eine zugrunde liegende narrative Bedeutung. Ein Foto von Halle Berry etwa ist ein Emblem der Halle-Berry- Geschichte: eine schwarze, semi-engagierte Künstlerin makes it big in der L.-A-Traumfabrik. Das populäre Bild zehrt von dem Mythos, den es selbst mit herstellt und immer aufs Neue rückbestätigt. Es ist Teil der Mythen des Alltags (Roland Barthes), in denen sich kollektiven Phantasien vergegenständlichen und die individuellen Phantasien als Muster dienen. Diese Mythen besitzen einen geringen Darstellungswert (ihr Referent tut kaum etwas zur Sache), aber eine beträchtliche kultivierende Funktion. Mythen des Alltags sind mehr als Reflektoren, sie kreieren und regulieren Begehren und Phantasien. Oh Mama, that’s the life for me, when I grown that’s what I’m gonna be, singt Randy Newman über die Jolly Coppers on Parade (Cops beim Vorbeimarsch - Mythos und Wunschbild par excellence). Teresa Präauers Arbeit kennt die Faszination dieser Mythen des Alltags, die ihr Material bilden. Aber sie begegnet ihnen auch mit Abwehr. Zwischen den Bildern spielt sich die Kunst ab - das heißt auch, sich den Suggestionen des einzelnen, mythischen Bildes zu entziehen. Schließlich rechnet das populäre Bild wie jedermann, so auch dem Künstler vor, wo sich sein Selbstentwurf als typisch erweist, wo das vermeintlich Individuelle immer schon als Allgemeines registriert ist. Kunst aber ist die Abweichung vom Allgemeinen. Geste und Groteske Wenn Teresa Präauer sagt, dass ein Bild nicht emotional vereinnahmen darf, dann spitzt sie damit zu, was sie von ihrer Kunst verlangt: eine Differenz, die das Pop-Material nicht besitzt. Vereinnahmen heißt passiv machen, abhängig machen, aussaugen. Das Faszinosum, das Kunst darstellt, befreit dagegen den Betrachter, ermöglicht ihm ein Spiel von Hingezogensein und reflektierender Distanznahme. Teresa Präauers Bilder spannen daher ebenso wenig einen Gefühlskokon um den Betrachter wie sie als Vehikel einer umfänglichen Narration dienen. Im Gegenteil, sie entmythisieren. Nicht zuletzt deshalb besitzen ihre Bilder auch sehr selten einen (etwa titelgebenden) Hinweis auf die jeweiligen Vorlagen. Gäbe es solche Hinweise vermehrt, fände die Bilddeutung ihre vordergründige Aufgabe darin, rekonstruktive und vergleichende Quellenarbeit zu leisten. Das heißt, sie würde letztlich nichts anderes reproduzieren als die Abhängigkeiten des Kunstbildes von fremden Bildern, nichts anderes als die Macht des Mythos. Teresa Präauers Arbeiten stehen quer zu den Mythen des Alltags. Die nüchterne Kühle der Frau im rosa Pulli, ihr im Lächeln eingefrorener Mund haben nicht bereits eine Geschichte mitzuteilen. Aber sie sprechen doch auch nicht nur sich selbst aus (das wäre der Weg des Expressionismus). Sie sprechen von ihrem Verhältnis zu den Darstellungsmustern und zu den Ausdrucksrepertoires, die ihre Vorlagen bereithalten. Zwei Elemente, so scheint mir, stellen das grundlegende Verhältnis der Bilder her: die Farbe und die Geste. Teresa Präauer wählt einmal leuchtende, teilweise kokette bis plakative Farben - Türkis, Rosa, Hellblau - und verwendet sie in deutlichen Kontrasten. Dann wieder sind die Farben gebrochen, gedämpft, lasierend, der Pinselstrich tritt in den Vordergrund. "Jungmädchenfarben" lautet ein Schriftzug auf einem ihrer Bilder, der ein Betrachterurteil zitiert. Das Urteil benennt, worauf die Farbgebung der Arbeiten angelegt ist: Sie spielt auf die Beziehung zum Schema, zur musterhaften Vorlage an, die bekannten sozialen Rollen zugewiesen wird (Jungmädchen). Die Suche nach populären Konventionen charakterisiert auch den Umgang mit der Geste. Eine aufs Bett gelegte, sich lasziv gebärdende Frau, die von den Beinen her eingefangen wird (eine Phantasie des Blicks), oder ein androgyner Knabe in Blau, der seinen Blick im Wind zerstreut - sie rufen einen einschlägigen gestischen Vorrat auf. Dass die Geste dabei häufig in einem diskrepanten Verhältnis zur Farbe steht, ist bereits ein Moment der Individualisierung, die die Arbeiten charakterisiert. Trotz aller Jungmädchenfarbigkeit wird etwa die Frau im rosa Pulli von einer lakonischen Haltung dominiert, die sich in die Vorstellung frühpubertären Ausdrucks nicht fügen will. Hier liegt, wie ich denke, der emanzipatorische Kern der Arbeiten Teresa Präauers. In ihrem Spiel mit Vorgaben und Klischees sucht sie die Abweichung, das Unvereinbare, das sich einem definitiven Rollenverständnis verweigert. Sichtbarster Ausdruck dieses Bestrebens ist ihr Interesse für das Groteske. In Frauen in Scheißkostümen zitiert Teresa Präauer den russischen Literaturwissenschaftler Michael Bachtin: Das groteske Gesicht läuft im Grunde auf einen aufgerissenen Mund hinaus. Alles andere ist bloß die Umrahmung des Mundes, diese klaffenden und verschlingenden leiblichen Abgrunds. Der groteske Leib ist ein werdender Leib. Er ist niemals fertig, niemals abgeschlossen. Er ist immer im Aufbau begriffen, im Erschaffenwerden. Das Transitorische im Herzen des Grotesken, die Verwandlung, ist die Art und Weise, zwischen die vorliegenden Bilder zu treten. Es bedeutet aus dem schönen Vor-Bild herauszuwachsen, seine Formen nicht aufzulösen aber doch zu verzerren, ohne sie ganz in ihr Gegenteil zu verkehren (der völlig unförmige Körper, der missratene Ausdruck sind ja nicht minder kulturelle Stereotypen - man denke an die Skurrilitäten in den Talk, Talk, Talk-Formaten). Groteske auf halbem Wege, könnte man die diskreten Verwandlungen nennen, mit denen Teresa Präauer ihre Vorlagen bearbeitet und aneignet. In der Pop-Kultur, man denke an Batman, Spider Man oder den grünen Hulk (den Vorzeigegrotesken), stehen Verwandlungen im Zeichen der Erlösung. Wer dem Alltag entwächst, kann rettend in ihn eingreifen, allerdings unter Preisgabe der eigenen Erlösungshoffnung. Den phantastischen Zuschnitt dieses Vergleichs abgerechnet, ist die Groteske bei Teresa Präauer in ähnlicher Weise ein Herausdrängen aus der alltäglichen Rolle. Aber es geschieht nicht auf eine neue Bestimmung hin. Teresa Präauers Bilder zeigen keine Retter, keine Wissenden, überhaupt keine fixen Gestalten. Sie werden selbst nicht mythisch. Die Figuren ihrer Bilder sind Unerlöste, und das bedeutet in einer säkularisierten Zeit, dass ihre soziale oder diskursive Rolle noch nicht oder nicht mehr eingelöst ist. In ihrer ortlosen Distanz fördern sie nicht weniger als die Entwöhnung unseres kenntnisreichen, klassifikatorischen Blicks. Sie sind Prismen, in denen sich unsere Alltagswahrnehmung der Person bricht. Bilderserien und Selbstbilder Das einzelne Bild ist bei Teresa Präauer also zugleich indirekter Verweis auf eine Darstellungsnorm bzw. auf den Gattungscharakter sozialen, mimischen und gestischen Verhaltens als auch eine Störung dieser Normen. In der Störung wirkt das Bild singulär und, in Bezug auf seinen Verständnishintergrund, emanzipatorisch. Aber das Einzelbild ist nicht das Zentrum, um das die Arbeit der Künstlerin kreist. Redundanzen oder Nuancen in hergebrachten Posen, das Spektrum von Ausdrucksvarianten, inmitten derer sich das Selbst etabliert, zeigen sich erst, wie eingangs angesprochen, in der Arbeit an Bilderserien. Erst wo das Einzelbild nicht mehr illusionär bedeutend wirkt, wo es vielmehr Begleitbilder kommentiert und von ihnen kommentiert wird, fügt es sich in die dynamische Kunstauffassung, die Teresa Präauers Arbeiten charakterisiert. Ihre akzentuierteste Form findet diese Auffassung in ihren Stopp Motion Filmen: Anprobe und Windungen markieren schon in den Titeln das Grundthema der Künstlerin. Sich zu regen, Bewegungen zu entwickeln, sie zu Haltungen auszuformulieren, Bedeutungen anzuspielen und zu verwerfen - das sind in aller Sinnlichkeit die Windungen modernen Rollenverhaltens. Es sind auch Windungen der Künstlerin selbst, so versteht man, wenn sie in den Filmen auftritt. Es ist die wahrscheinlich zeitgemäßeste Form autobiographischer Thematisierung. Die Selbstbildnisse der Künstlerin strömen dahin. Sie werden übermalt, verzerrt, verwandelt. Sie durchmischen sich mit populären Images, die hier offener zutage liegen als in den Aquarellen (erinnert sei an die Film Stills in Windungen). Sie verschwinden in Porträts, um wieder aufzutauchen - voll Veränderung und doch nicht fremd. Das sind nicht nur Abbilder einer Künstlerin. Es sind Bilder, die den prozessualen Charakter des modernen Selbst einfangen. Es ist ein Selbst, das weder seiner Eigenständigkeit noch seiner dauerhaften Integrität gewiss ist, ein Selbst, das nicht mehr an die Permanenz spezifischer Rollen, ja überhaupt institutioneller Zuschnitte glaubt, weil es zu viele dieser Muster kennt. Es ist ein Selbst, das im Fluss der Vergleichungen, der Anproben und Windungen steht. Aber, davon berichten Teresa Präauers Arbeiten auch, es ist auch ein Selbst, das immer wieder hervortaucht, das sich exzentrisch und grotesk sichtbar macht, um den Akzent seines Daseins zu setzen. Christian Rakow ist freier Dramaturg und Autor/Kritiker für Theaterzeitschriften (Theater Heute, Theater der Zeit), lebt in Berlin. 1