Monika Schwärzler: Kunst;f. Aus grammatikalischen Gründen und einer Menge anderer. 2001 Oberflächlich betrachtet haben die vier Ausstellenden eines gemeinsam - sie sind alle Frauen und wurden auch unter diesem Aspekt für die Ausstellung ausgesucht. Die alte Frage ist natürlich, ob sich bei so einer Versammlung von Künstlerinnen in einem Ausstellungsraum andere oder von der ihrer männlichen Art-Genossen abweichende Kunst ergeben wird. Kunst von Frauen macht aber nicht Frauenkunst. Dieser Begriff ist als oft pejorativ gebrauchter, diskriminierender Begriff längst nicht mehr verwendbar. Aber auch wenn Frauenkunst als Begriff nichts erklärt, so macht es wohl Sinn, von Zugängen zu Kunstproduktion zu sprechen, die man als weiblich bezeichnen könnte, wobei solche Zugänge von Männern und Frauen gleichermaßen praktiziert werden. Lassen Sie mich im folgenden versuchen, ein paar feine Unterschiede herauszuarbeiten. Das männlich konnotierte Künstlersubjekt der Moderne setzt sich als Schöpfer. Dieses Schöpfertum ist aktiv definiert. Er, und in dem Fall ist es er, verfügt über den notwendigen Gestaltungswillen und die entsprechende Potenz, seine Entwürfe umzusetzen. In einem titanischen Akt macht er sich über leere Leinwände und unbearbeiteten Stein her. Als Schöpfer ist er laut Konzept autonom und verdankt sich niemandem und nichts. Er holt alles aus sich selbst. Seine Produkte sind originär, originell, sprich tragen den Ursprung in sich selbst und sind insofern unvergleichlich wie der, der sie hervorgebracht hat. Während er tut, verursacht, Form gibt, will es der Mythos, dass er kämpft und leidet, denn die ganze Konstellation um Schöpfer und Produkt ist auf Widerstand und Konflikt angelegt. Eva Stimpfl hat jahrelang in dieser Tradition gearbeitet und sich in expressiven Zeichnungen ausgedrückt. Ihr Medium war der Strich, der möglichst direkt das wiedergeben sollte, was sie als Künstlerin vermitteln wollte. Auf diesem eingegrenzten Gebiet der Zeichnung und der Beschäftigung mit der menschlichen Figur fühlte sie sich auch zuständig. Nach eigenen Angaben kennt sie das Gefühl, kompetent, potent, zuständig, Herrin und Heldin im Prozess zu sein nur zu gut. Wobei es damals ihr künstlerisches Anliegen war, den Strich, die Linie, immer besser zu beherrschen, und das Maß der Kontrolle über ihre Ausdrucksmittel ständig auszuweiten. Seit 1999 experimentiert Eva Stimpfl mit Farbe, malt aber nicht im klassischen Sinn, sondern lässt die Farbe fließen. Wobei man sich den Gegensatz von einen Strich ziehen und Farbe fließen lassen nicht drastischer vorstellen kann. Konkret sieht das so aus, dass sie die befeuchtete oder nasse Leinwand auf den Boden legt, Farbe aufträgt und dann durch Drehen und Wenden der Leinwand beim Vorgang der Bildwerdung quasi assistiert. Unvorhersehbares entsteht. Beim Trocknen malen sich die Bilder weiter, sprich Farben rinnen weiter, bilden neue Form- und Farbkombinationen. Nun ist es aber nicht so, dass Eva Stimpfl malen ließe, denn im Zuge dieses Rinn-und Fliessprozesses sind jede Menge künstlerischer Entscheidungen zu treffen. Trotzdem ist die ganze Herangehensweise im Vergleich zu ihrem früheren Arbeitsstil eine markant andere. Um den Erfolg dieser Art von Bilder zu sichern, muss sie eine ganz andere Haltung einnehmen. Nicht mehr zwingen, sondern lassen, könnte das neue Konzept lauten. Kontrolle zurückzunehmen, sich auch gegenüber dem Unverdienten und dem Geschenkten rezeptiv zu verhalten, mehr zu reagieren als zu agieren, andere Zeitmasse anzuerkennen als die, die die eigene Psychomotorik vorgeben, sich leer zu machen im Gegensatz zur Anhäufung jener hybriden Fülle, aus der allein das Bild sich speisen soll, das sind heute ihre Ziele. War sie früher Alleintragende des Prozesses mit allem damit verbundenen Druck gewesen, so teilt sie sich diese Verantwortung um die Entstehung eines Bildes nun mit der Farbe. "Farbe kann viel für einen tun", so eine ihrer Aussagen. In diesem dialogischen Verfahren betreten die Protagonisten im Bild irgendwann unaufgefordert die Bühne und sie kann ihnen zuarbeiten. Lies Bielowski arbeitet in ähnlicher Weise. Als ihr ausdrückliches Programm nennt sie, sich in ihrer Arbeitsweise von dem bestimmen zu lassen, was ihre Arbeitsmittel vorgeben. Für die Ausstellung hat sie Blätter der gefällten Bäume des Adolf-Pichler Platzes zu Objekten verarbeitet. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Linden- und Ahornblätter. Bei der Linde fand sie die Fruchtblätter besonders spannend, die Ahornblätter färbte sie nachtblau, um jede Assoziation zu Herbstbastelei, die ihrer Meinung nach dem Ahornblatt anhaftet, zu brechen. Lies Bielowski arbeitete bis dato mit Pappelblättern, Kastanienblättern, Blättern unterschiedlichster Art. Jeder Blattyp und auch jedes Einzelblatt hat seinen ganz spezifischen Charakter, den zum Vorschein zu bringen, ihr künstlerisches Anliegen ist. Ziel ist es, sich von dem leiten zu lassen, was das Blatt vorgibt, was es an Strukturen zu entfalten vermag und welche Grenzen es einer möglichen Bearbeitung setzt. So war die ursprüngliche Idee gewesen, den Objekten, die aus den Blättern des umkämpften Adolf-Pichler Platzes entstehen sollten, auch eine Erinnerungsfunktion zu geben und eine Art Ahnengalerie zu schaffen. Dafür wollte die Künstlerin die Blätter in repräsentativen Rahmen vorführen und das Blattwerk auch noch über die Rahmen spannen. Wie sich herausstellte, machten die Blätter da nicht mit. Um dieses Konzept zu realisieren, hätte sich Lies Bielowski über die "Natur" der Blätter hinwegsetzen und diese soweit mit Leim bearbeiten müssen, dass das Fragile eines getrockneten Blattes verlorengegangen wäre. Ihre künstlerischen Prioritäten waren klar und so wählte sie ein sehr attraktives Konzept ab. Lediglich die ovalen und rechteckigen Formen in der Mitte jedes Bildes erwecken noch Anklänge an eine Ahnengalerie oder auch an einen Platz, der zum Spekulationsobjekt wurde. Lies Bielowski pflegt also auch einen weiblichen Zugang zu Kunstproduktion. Dem eigentlichen Arrangieren der Blätter geht ein langer und aufwendiger Prozess des Pflückens, Aussortierens, Bleichens, Färbens, Wässerns voraus. Obwohl dies ein dramatischer Prozess mit drohenden Verlusten, eventuellen Einbussen und der ständigen Möglichkeit des Verfehlens der Eigenart des Blattes ist, ist er aber auch bestimmt von alltäglichen Verrichtungen. Es ist Dienst am anderen. Die ausgewählten Blätter gehen mehrmals durch die Hände der Künstlerin. Sie bereitet sie vor, präpariert sie für einen anderen Kontext, wertet sie auf und um. Diese ausgedehnte Phase der fast körperlichen Vergewisserung mündet nahezu übergangslos in die eigentliche Phase der Schaffung der Objekte. Zu dem Zeitpunkt haben die Partner im Entstehungsprozess aber bereits ein schönes Stück Alltäglichkeit hinter, sodass kreative Kraftmeierei einfach nicht mehr angesagt ist. Wie anfangs bereits erwähnt, ist es Teil jenes Konzeptes exklusiver Autorenschaft, Originale zu liefern. Das Konzept sieht vor, dass der Künstler nicht nur das Einzigartige und Unverwechselbare, sondern auch das Unikat schafft. Mit dieser an den Künstler delegierten und von ihm willig übernommenen Aufgabe wird natürlich eine ganz bestimmte Subjektkonzeption gestützt, derzufolge gerade wieder das männliche Individuum Unverwechselbarkeit für sich beanspruchen kann. Martina Tscherni schafft auch Originale, aber solche, die auf Kopien basieren und einen völlig entspannten Umgang mit Kopien zur Voraussetzung haben. Aus naturkundlichen Büchern kopiert sie Käfer, Puppen, Larven, biomorphe Formen verschiedenster Art. Minutiös und mit Hilfe händisch perforierter Linien, überträgt sie diese Formen auf Folien und verwendet diese dann als Multiplikatoren. Wie sie selbst sagt, sieht sie keinen Sinn darin, ein und dieselbe Käferdarstellung immer wieder von Hand nachzuzeichnen. In die mittels Graphitstaub auf jede mögliche Unterlage übertragenen Formen zeichnet sie dann hinein und nimmt sich sozusagen die Freiheit „originär“ zu sein, akzentuiert jeweils andere Teile der Käfer und macht sie damit zu ihren eigenen. Martina Tscherni hat unter anderem auch eine Kunstgewerbeausbildung hinter sich und im Zuge dessen das Zeichnen und Entwerfen von Mustern gelernt. Die Wiederholungen, die in jedem Muster angelegt sind, hätten sie immer fasziniert. Muster entwickeln sich, spinnen sich fort, haben die ihnen eigene Logik, der man sich im Zeichnen überlassen kann. Gerade diese Anfangsphase von meditativer Repetition, von Durchpausen, Nachzeichnen und sich dabei auf Vorgefundenes Beziehen beschreibt Martina Tscherni als äußerst wichtig und auch lustvoll. Die durchgepausten Formen überziehen ihre Blätter wie Labyrinthe, wie ein geheimes vorfiguratives Formenrepertoire, aus dem sich dann wunderblockartig Lebewesen herauslösen. Mit dieser, wie es auf den ersten Blick scheint, im Bereich der niederen, sprich angewandten Künste angesiedelten Herangehensweise gelingt ihr jedoch eine Art Meta-Diskurs darüber, was Zeichnen oder Naturdarstellung überhaupt ausmacht. Das Formenrepertoire naturwissenschaftlicher Darstellung beruht ja letztlich auch auf dem Wunsch, Parameter von Ordnung einzuführen und Muster im Chaos ausfindig zu machen. Ihre Muster sind aber potentielle, mögliche und ihre Abwehr des Todes ist eine ephemere, während naturwissenschaftliche Darstellungen immer mit Autorität und Repräsentationsmacht operieren. Nicht von ungefähr faszinieren sie Puppen, Larven, biomorphe Körper, sind das doch alles Wesen, die sich in Stadien der Transformation befinden. Wenn z.B. Hirschkäfer es letztlich schaffen, vor diesem Hintergrund möglicher Formen prominent Gestalt anzunehmen, so scheinen da Analogien zu ihrer realen Existenz zu bestehen. Hirschkäfer wachsen Jahre lang unter der Erde, um dann nur einige Wochen zu leben. Auch auf Martina Tschernis Blättern ist jede Form des Erscheinens an sein Verschwinden gebunden. christine susanna prantauer arbeitet mit eigenen und gefundenen Fotos, die sie dann am Computer mit Bildern aus den Print Medien, aus der Werbung oder dem Fernsehen kombiniert. Ihre Haltung ist es also auch, keinen qualitativen Unterschied zwischen selbstgeschaffenen und bereits bestehenden Fotos zu machen. Damit kann sie sich auf so berühmte Vorläufer wie die Pop Art Künstler berufen und teilt diese Einstellung weiters mit vielen ihrer zeitgenössischen KollegInnen, die davon ausgehen, dass man heute als KünstlerIn der Fülle der in Umlauf befindlichen Bilder nicht noch unbedingt welche hinzufügen muss, sondern dass es mehr darum geht, sich kritisch auf die bestehenden Bilder zu beziehen. Bei den in der Ausstellung gezeigten Foto-Arbeiten der Künstlerin thematisiert Serie 1 die Zerstörung des Adolf-Pichler Platzes in Innsbruck. Es sind dies höchst irritierende Bilder von großer Friedlichkeit bei gleichzeitig extremer Bedrohlichkeit. Kinder spielen selbstvergessen, Grün überwuchert alles, die Zeit scheint angehalten. Die Fotos sind im Stil unspektakulärer Momentaufnahmen gemacht und die Bildausschnitte nicht prominent gewählt. Wie es zunächst scheint, handelt es sich um einen normalen Park, der durch die fotografische Aufnahmetechnik weder geschönt noch aufgewertet wird. Horrorfilme arbeiten nach diesem Muster, Orte als idyllisch und alltäglich einzuführen, um dann gerade dort das Grauen ausbrechen zu lassen. Und Vorzeichen von Gewalt sind in christine susanna prantauers Fotos schon gegeben. Die weißen Kreuze auf den Bäumen sprechen eine völlig andere Sprache als die idyllische Umgebung und antizipieren damit den Einbruch des Schreckens. Wissend, dass es sich bei ihren Arbeiten um digital manipulierte Fotos handelt, vermutet man natürlich zuerst, dass die todverkündenden Kreuze digital eingefügt wurden, aber dem ist nicht so. Mit diesen Inserts hat die Wirklichkeit selbst jede Computerzugabe übertroffen. Die Kreuze auf den Bäumen wurden von denen gemacht, die für die Erhaltung des Platzes kämpften. Die Künstlerin hat dann lediglich eine kleine Intervention vorgenommen. Je ein Soldat dringt, noch unbemerkt von den spielenden Kindern, vom Hintergrund her in das Bild ein. Als Soldaten werden sie zu Zeichen von Kontroverse und Gewalt, als digitale Aliens sind sie offensichtlich im falschen Szenario gelandet und sind doch absolut richtig oder, um im Militärjargon zu sprechen, tauglich, die schon im Foto angelegte Bildaussage zuzuspitzen und zu pointieren. Dies ein paar Gemeinsamkeiten von vier Künstlerinnen in deren Herangehensweise an Kunstproduktion. Zu den Differenzen - sehen Sie selbst. Dr. Monika Schwärzler Webster-Universität, Wien