Pressetext zu "Jeff Wall. Photographs". 2003 JEFF WALL Photographs 22. März - 25. Mai 2003 Erstmals in Österreich zeigt das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) von 22. März bis 25. Mai eine umfassende Werkschau des 1946 in Vancouver (Kanada) geborenen Fotografen Jeff Wall. In den späten 70er Jahren hat Wall seine charakteristische Bildform entwickelt - großformatige Diapositive in Leuchtkästen -, mit der er maßgeblich zu einer Aufwertung des Mediums Fotografie als eine der Skulptur und der Malerei gleichwertigen Kunstgattung beigetragen hat. Die Ausstellung vereint neben dem für die Sammlung des Museums angekauften Man with a Rifle weitere 25 teils großformatige Leuchtkästen und Schwarz-Weiß-Bilder aus allen Schaffensphasen. Bekannte und spektakuläre Arbeiten (z.B. Milk und Restoration) sind ebenso zu sehen wie selten ausgestellte Werke (z.B. The Bridge). Mit diesem weit gesteckten Überblick bietet die Ausstellung Gelegenheit, sowohl der Entwicklung der komplexen künstlerischen Techniken Walls als auch den vielschichtigen historischen Implikationen seiner Bildkonzeption nachzugehen. Wall entwickelte seine künstlerische Position in Auseinandersetzung mit den kritischen Diskursen der (post)konzeptuellen Kunst. Gleichzeitig suchte er den ästhetischen und gedanklichen Reichtum der westlichen Bildtradition für seine Kunst fruchtbar zu machen - der Künstler spricht deshalb auch von einer "critical restoration" von Darstellungsmöglichkeiten der Narration, der Geschichte und der historischen Erinnerung. Mit der Präsentation seiner großformatigen Diapositive in Leuchtkästen, deren Licht in den Raum strahlt, reflektiert Jeff Wall den Status einer modernen städtischen Wahrnehmungsweise, die vom Fernsehbild, vom Kino, der Fotografie und der Omnipräsenz elektrischen Lichts geprägt ist. Insofern bringen seine Leuchtkästen die Ambivalenz der heutigen Kunstbetrachtung, die sich zwischen den Bedingungen moderner Visualität und dem auratischen "Scheinen" traditioneller Kunst bewegt, zur Darstellung. Ganz bewusst versucht die Ausstellung, das Klischee von Wall als einem "Maler" des modernen Lebens zu relativieren, um vielmehr seine intensive Beschäftigung mit der Geschichte und den Darstellungskonventionen des Mediums Fotografie aufzuzeigen. Die Werkauswahl konzentriert sich auf die enge Verbindung des Künstlers zur Tradition der Dokumentarfotografie und der straight photography. So ist Jeff Walls Man with a Rifle nicht allein die sorgfältige Studie des sozialen Mikrokosmos in einem der ärmeren Viertel Vancouvers, sondern vor allem auch eine Reflektion seiner eigenen fotografischen Praxis. Das 'Abdrücken‘ des Fotoapparats ist ein Schuss, ein 'shot‘, der die Kontingenz des Alltäglichen bildhaft still stellt. Der Schütze steht, leicht in die Knie gegangen, am Rand eines Parkplatzes und zielt quer über Straße und Trottoir, auf dem Passanten dennoch unbeeindruckt ihrer Wege gehen: die Hände des Schützen sind leer, sein Ziel eine Vorstellung, die Kugel ein Blick. Der Rückbezug auf Vertreter der straight photography wie Walker Evans und Dorothea Lange einerseits und die auf Baudelaire zurückgehende Malerei des modernen Lebens andererseits lässt sich in Walls Arbeiten auch dort ablesen, wo er die traditionellen Mittel der Fotografie mit Methoden der digitalen Bildbearbeitung verknüpft: Hatte Wall von Beginn an mit gestellten Aufnahmen gearbeitet, benutzt er seit Anfang der 90er Jahre leistungsstarke Computer für seine Fotomontagen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Kaja Silverman, Homay King, Peter Bürger, Gregor Stemmrich, Tom Holert, Achim Hochdörfer, Friedrich Tietjen und Fred Orton/Lisa Joyce. Die ca. 190 Seiten umfassende Publikation mit 35 Farbabbildungen sucht der Vielschichtigkeit von Walls Kunst gerecht zu werden. Zentrale, bisher selten thematisierte Aspekte werden dabei erörtert: Walls Reaktion auf die Avantgarde-Diskussion der 70er Jahre, seine Position innerhalb der postkonzeptuellen Fotografie, seine Beschäftigung mit Film und Filmtheorie, sein Interesse an einer zeitgenössischen, populären Ikonografie und seine höchst komplexe Arbeitsweise. Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (Hrsg.). Jeff Wall. Photographs. Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2003. (ISBN 3-33375-683-0, 24) Veranstaltungen zur Ausstellung Podiumsgespräch Jeff Wall im Gespräch mit Fred Orton Samstag, 22. März 2003, 19:00 Uhr, Auditorium Vortragsreihe "Close Readings - Vorträge zu Jeff Wall" Die großformatigen Fotografien bieten die Möglichkeit, Vorträge in der Ausstellung unmittelbar vor den Originalen stattfinden zu lassen. Termine Do, 27. März: Gregor Stemmrich - Die ästhetische Fixierung eines mimetischen Impulses Do, 3. April: Tom Holert - Die Reinigungskräfte des Bildes (Housekeeping) Do, 10. April: Lois Renner - Die Zeit im Bild Do, 17. April: Monika Faber - Blinde Flecken oder Vordergründiges zum Panorama Do, 24. April: Friedrich Tietjen - Light and Enlightment Do, 8. Mai: Florian Pumhösl - Morgenrituale. Der Internationale Stil des Jeff Wall Do, 15. Mai: Ruth Noak - Die Eröffnungseinstellung (Swept/Mimic) Do, 22. Mai: Dorit Margreiter - Mit freiem Auge. Zeitabstände bei Jeff Wall Beginn jeweils 19:30 Uhr, der Eintritt ist frei Presseinformation 17. Februar 2003