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20. März 2009
17:44 MEZ
Entschleunigung
Uhrenspezialist Kristian Scheed beendet seine Laufbahn als Kunsthändler

Im April räumt er sein Geschäft und gönnt sich eine "Auszeit", bei der 300 seiner Kunstwerke versteigert werden.

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Der Epoche der "Antiken Wiener Uhren" folgten die "Kultuhrzeit" oder die "Zeitreise", wie Kristian Scheed seine traditionellen Verkaufsausstellungen betitelte. Seit Mitte der 80er-Jahre lockt er traditionell im Herbst in sein Eldorado der Wiener Uhrmacherkunst. Über die Jahre hat man sich hier, an der Ecke Dorotheergasse und Plankengasse, den Ruf eines Museums erarbeitet, in dem Besucher nicht nur in ehrfürchtiger Bewunderung erstarren, sondern auch das eine oder andere Stück erwerben können. Staunen darf man stets kostenlos - umsonst ist es keinesfalls. Dieser Moment kindlicher Freude ist es wert, angesichts wundersamer Zeitmesser und darin verborgener exotischer Apparaturen.

Insider verfallen angesichts der gebotenen Dokumente aus der Hochblüte der österreichischen Uhrmacherkunst schnell in Fachsimpeleien. Posthumer Dank ist Joseph II. gewiss, der über eine Gewerbeförderung ab Mitte des 18. Jahrhunderts Spezialisten in die Donaumetropole lockte und damit eine angesehene Uhrmacherkolonie begründete.

Nicht selten avancierten zufällig vorbeischlendernde Einmaltäter zu Stammkunden, manchmal auch zu Sammlern. Jetzt, nach exakt drei Jahrzehnten, setzen Kristian Scheed und seine Geschäftspartnerin Brigitte Duschek-Kohlhammer den Schlusspunkt. Beim Händlertross, der anlässlich der Residenz Messe für Kunst und Antiquitäten (4.-13. April) an die Salzach pilgert, ist man nicht mehr dabei. Im Audienzsaal, wo "D&S Antiques" über Jahre unzählige Geschäfte abwickelten, treten heuer der Kunsthandel Widder (mit bildender Kunst) und die ehemalige Mitarbeiterin und Verkaufsleiterin Liselotte Setzer ("Lilly's Art") die Nachfolge an.

Bereits vor einem Jahr, so erzählt Scheed, traf man diese Entscheidung, die mit der Wirtschaftskrise überhaupt nichts zu tun habe. Im Gegenteil, davon spüre er derzeit wahrlich nichts. In Sachen Gesundheit hätte er im Jahr 2000 die sprichwörtliche Gelbe Karte erhalten, das habe zur Verlagerung seiner Prioritäten geführt. Mehr als 700 Quadratmeter Ausstellungsfläche fordern entsprechenden Tribut, nicht nur, aber auch in Form von zeitlichem Aufwand. Von der Beschaulichkeit, die seine kunsthandwerklichen Zeugen der k.k. Monarchie repräsentieren, und damit von jener Zeit, in der noch nicht jede Zehntelsekunde gemessen wurde, ist er schlichtweg zu weit entfernt. Der Gedanke an kontemplatives Fischen am Ufer seines Teichs im Naturschutzgebiet unweit von Grafenegg scheint verlockender.

Von Ruhestand will Scheed dennoch nichts wissen, seine Expertise wird "im Kinsky" - er zählt zu den Gründungsmitgliedern des Auktionshauses - weiterhin gefragt sein. Insofern setzt er den finalen Schlussakkord standesgemäß mit einer Versteigerung von Teilen des "D&S" -Sortiments ebendort und unter dem passenden Titel "Auszeit" : 300 Uhren, Möbel, Bilder, Antiquitäten und Jugendstilobjekte für die der ursprünglich im April vorgesehene Termin aufgrund der Menge auf den 14. Mai verschoben werden musste. Kristian Scheeds persönlicher Rekordanwärter? Die auf 30.000 bis 60.000 Euro taxierte höfische und ursprünglich aus dem Gewymüller Schlössl stammende Prunkuhr mit Orgelwerk aus dem 18. Jahrhundert. (ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.03.2009)

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