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Denken als schöne Kunst
Alles Wahre, Gute und Schöne, das man über Franz Schuh sagen kann, wurde gesagt, als er kürzlich den Preis der Leipziger Buchwoche erhielt. Ich habe nur mehr wenig hinzuzufügen.

Das Buch "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" lobte die Leipziger Jury als eine "Sammlung von Texten, die alle Bereiche der menschlichen Existenz durchleuchten und oft in äußerst verknappter Form Reflexionen über Liebe, Glück und Vergeblichkeit alles menschlichen Strebens in verblüffende Zusammenhänge stellt". Von "sprachlichen Kostbarkeiten" war die Rede und von der "großen Linie des Genres von Kafka bis Polgar". Ich würde die Linie noch weiter zurückverfolgen (bis Lichtenberg, bis Montaigne) und damit das Spektrum von Schuhs Schreibkunst noch etwas breiter sehen.

Er lässt wirklich nichts aus. Ob es nun ein Beisl ist oder ein Buch, die Feindschaft, die Dumpfheit oder die September-Melancholie - alles kann ihm zum Objekt der Nachdenklichkeit werden, das (scheinbar) Banalste und das (scheinbar) Erhabenste. Sein verfremdender Blick kann das Banale auffällig und das Erhabene lächerlich machen. Ironie und Mehrdeutigkeit, auch der verblüffende Einfall ohne argumentative Absicherung geben seinen Anekdoten, Abhandlungen, Geschichten, Aphorismen und Gedichten eine stilistische Frische, die Klugheit und Weltwissen zum Lesevergnügen macht.

Franz Schuh: "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche", Zsolnay, 410 Seiten, 24,90 Euro

OÖnachrichten vom 26.04.2006
 
   



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