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Kunstberichte

Aktuelle Ausstellung im Leopold Museum mit Werken von Albin Egger-Lienz entfacht erneut Restitutionsstreit

Rückgabe: "Komplexe Materie"

Eines der umstrittenen Bilder der Albin Egger-Lienz-Schau: „Ruhende Hirten“, 1918.  Foto: Museum Schloss Bruck, Lienz

Eines der umstrittenen Bilder der Albin Egger-Lienz-Schau: „Ruhende Hirten“, 1918. Foto: Museum Schloss Bruck, Lienz

Von Petra Rathmanner und Christoph Irrgeher

Aufzählung Restitution: Druck auf das Leopold Museum wächst.
Aufzählung Rückgabegesetz: Kommt die Novelle?

Wien. Groß war der Trennungsschmerz, als Klimts "Goldene Adele" das Belvedere verließ. Geschichts trächtig der Augenblick, als auch Munchs "Sommernacht" an seine rechtmäßige Erbin ging. Doch das Kapitel Kunstrestitution – also die Rückerstattung jener Güter, die das NS-Regime Kunstbesitzern abzwang – ist nicht abgeschlossen. Und sorgt erneut für einen Eklat.

Ursache: Die Albin-Egger-Lienz-Schau, die das Leopold Museum am 15. Februar eröffnete. Wolfgang Zinggl brachte die Kugel ins Rollen: "Es ist die wahrscheinlich größte Präsentation von Raubkunst in Österreich seit vielen Jahren", sagte der Kultursprecher der Wiener Grünen. 14 Werke mit, laut Zinggl, "mehr als bedenklichen Provenienzen" werden dabei ausgestellt.

Vor allem das Bildnis "Waldinneres" (1895) sorgte für Aufregung: Bis 1938 befand es sich im Besitz des später von den Nazis ermordeten Ehepaars Georg und Erna Duschinsky. Eingezogen von der Gestapo, landete es im Landesmuseum Kärnten. Weitere Beispiele: "Feldsegen" (1896) und "Ruhende Hirten" (1918) – die Jüdin Stefanie Gartenberg musste sie unter Zwang an die Stadt Lienz verkaufen.

"Was sich Herr und Frau Doktor Leopold geleistet haben, ist eine Ungeheuerlichkeit", meinte Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), und forderte die "Schließung des Leopold Museums bis zu einer Novellierung des Kunstrückgabegesetzes". Sämtliche inkriminierte Werke sind dabei – bis auf "Waldinneres" – Leihgaben.

Fällt Leopold Museum unter Rückgabegesetz?

Dennoch, aufgrund ähnlicher Fälle im Haus bleibt die Streitfrage: Fällt das Leopold Museum unter das Kunstrückgabegesetz (siehe Wissen)? Grundsätzlich nein. Denn es gilt nur für Bundesmuseen. Das Leopold Museum aber ist eine Privatstiftung. Allerdings eine Stiftung mit Besonderheiten: 1994 kauften die Republik Österreich und die Nationalbank die Sammlung des Augenarztes weit unter ihrem Schätzwert. Der Kunstliebhaber mit Sinn für Werke der österreichischen Moderne wurde dafür auf Lebenszeit zum Direktor des mit öffentlichen Mitteln erbauten und erhaltenen Museums im Wiener Museumsquartier ernannt.

"Der Vorstand der Stiftung Leopold, der zur Hälfte vom Bund gestellt wird, soll sich endlich dem Restitutionsgesetz unterwerfen", forderte Zinggl. Von Seiten des Kulturministeriums hieß es bisher nur prinzipiell, dass man der "moralischen Verpflichtung der Republik" nachkommen wolle.

Derzeit wird ein Gutachten geprüft, dass der Verfassungsrechtsexperte Walter Berka im Auftrag der IKG verfasst hat. Berka gegenüber der "Wiener Zeitung": "Es gibt eine verfassungsrechtlich einwandfreie Möglichkeit, die Sammlung dem Kunstrückgabegesetz zu unterwerfen." Berka kommt zu diesem Schluss, nachdem er die gesetzlichen Spezifika der Privatstiftung Leopold unter die Lupe genommen hat. Einen Vorstoß wagte auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) vergangenen Donnerstag: Er kündigte eine diesbezügliche Novelle des Kunstrückgabegesetzes an. Am 7. März tagt der Restitutionsbeirat unter Clemens Jabloner, der am 26. März Schritte zur Verbesserung der Kunstrückgabe bekanntgeben wird.

"Leopold ist an Aufklärung interessiert"

Im Museum ist man um Kalmierung bemüht. Pressesprecher Klaus Pokorny hinterfragt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Anzahl von 14 "Raubkunstbildern" und schränkt auf das – mittlerweile "sattsam besprochene" – "Waldinnere" ein. Die ganze Affäre sei eine "konzertierte Aktion" – einerseits von der Opposition, die Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) Schwäche unterstelle, andererseits von Seiten der Kultusgemeinde, die ihr nahestehenden Personen zu deren – vorläufig nicht verifiziertem – Recht verhelfen wolle. Entgegen anders lautender Medienberichte sei Leopold, der seit zehn Jahren in den USA wegen Schieles "Wally" prozessiert (siehe Kasten), an einer Aufklärung der Provenienzen interessiert.

Der Anwalt Andreas Nödl, Vorstandsmitglied der Stiftung Leopold und einst im Schiedsgericht zur Causa "Adele", spricht für sein Haus. Einerseits habe Leopold zum Zeitpunkt seiner Käufe nicht alle Informationen besitzen können, weil einschlägige Archive erst 1998 geöffnet wurden. Andererseits betont er die Rechtmäßigkeit manch strittigen Besitzes: Das Bild "Waldinneres" sei den Duschinskys entzogen worden, man hätte es 1952 jedoch an deren Erben restituiert, der Verkauf an Kärnten sei also legal gewesen. Und: Der Einfluss des Staates könne nicht so ohne weiteres auf das Leopold Museum ausgedehnt werden. Nödl: "Nur weil eine Wohnbauförderung fließt, hat der Fördergeber ja auch keine Besitzansprüche". Fazit: "Eine komplexe Materie, in die man nicht grobschlächtig hineinfahren kann."

Aufzählung Wissen: Das Kunstrückgabegesetz

Vor zehn Jahren wurde das Kunstrückgabegesetz beschlossen. Anlass waren Kunstwerke der Sammlung Leopold: Egon Schieles "Bildnis Wally" etwa, das ans New Yorker Moma entliehen und prompt vom US-Staatsanwalt Robert Morgenthau als Diebsgut beschlagnahmt wurde. Der Vorwurf: Das Kunstwerk sei 1938 der Kunsthändlerin Lea Bondy-Jaray von ihrem Salzburger Kollegen Friedrich Welz abgepresst worden; und Leopold habe das gewusst, als er es nach dem Krieg erwarb.

Ein Skandal, der die heimischen Behörden auf den Plan rief: Was wusste man eigentlich über die Praktiken der Nationalsozialisten, um an jüdische Sammlungen heranzukommen? Und wie ging es nach dem Krieg weiter? Mit Hilfe des Kunstausfuhrverbots wurde seinerzeit nicht selten Druck auf die Eigentümer ausgeübt. Sie konnten eine bestimmte Anzahl von restituierten Kunstwerken mitnehmen, mussten dafür aber andere als "Geschenk" im Land lassen.

Im März 1998 nahm nun eine Kommission für Provenienzforschung ihre Tätigkeit in den Bundesmuseen auf. Die Archive wurden geöffnet, um die Fragen zu den Eigentumsverhältnissen aufzuklären. Im Spätherbst 1998 wurde das Gesetz beschlossen.

Zehn Jahre später, nach spektakulären Rückgaben wie der Sammlung Rothschild aus dem Kunsthistorischen Museum oder der "Goldenen Adele" Gustav Klimts aus dem Belvedere und der Restitution tausender Objekte, ist die Causa Wally noch immer nicht geklärt. Laut Leopold kostete das Verfahren bisher 2,9 Millionen Euro. Bis zum Sommer, heißt es jetzt aus dem Museum, ist ein Urteil wahrscheinlich – womit aber nicht gesagt ist, dass nicht weitere US-Prozesse folgen.

Montag, 03. März 2008

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