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Illustration

Die Frau als Rollbraten

(cai) Die Japaner hatten ja schon immer merkwürdige Gebräuche: Origami, vor Godzilla davonlaufen oder Karaoke (eine milde Form des Harakiri). Kinbaku dürfte auch so was Folkloristisches sein und hat seinen Ursprung womöglich in einer buddhistischen Zeremonie, die am ehesten "Lächelnde Hausfrau" heißt. Kinbaku? Kennen Sie wahrscheinlich unter dem Namen Bon. . . sai ? Nein: -dage . Bondage.

Nobuyoshi Araki, Fotograf aus dem Land der aufgehenden Sonne und untergehenden Gesangskultur (Stichwort: Karaoke), ist ein Meister darin. Verwendet die Seile als Beruhigungsmittel. Macht aus seinen halb oder ganz nackten Mäderln beschaulich deftige "Stillleben". Lässt Geishas und andere lieblichen Asiatinnen von seinen Assistenten kunstvoll verschnüren, bis sie die Bewegungsfreiheit eines Kalbsrollbratens haben. Und der wird ja auch nicht deshalb gefesselt, weil er sonst in der Küche über den Salat herfallen tät’ (wie’s so die Art der Vegetarier ist), sondern aus kulinarischen Gründen. (Dieses Rind macht sowieso keine Spompanadln mehr.)

Und Araki? Wird ebenfalls nie wirklich unappetitlich. Komponiert überlegt und "einfühlsam". Nicht wie ein trenzender Perversling. Patriarchatsfundamentalisten könnten trotzdem behaupten: "Diese Fotos bringen das ideale Verhältnis zwischen Frau und Gesellschaft harmonisch zum Ausdruck." Kaum überbietbar sinnlich sind dann Arakis Blumen-Orgien. Vanitas-Arrangements aus opulent verwelkender Flora (die geradezu "Farb-Orgasmen" hat) und Salamandern, die ihr Haltbarkeitsdatum deutlich überschritten haben. Unanständig metaphorisch. Dörr-Salamander (die Japaner haben ja einen seltsamen Reptilien-Kult, siehe: Godzilla) bestäuben Blümchen "in den Wechseljahren". Pfui? Nein.

WestLicht

(Westbahnstraße 40)

Nobuyoshi Araki

Bis 14. Jänner

Di., Mi., Fr. 14 bis 19 Uhr

Do. 14 bis 21 Uhr

Sa., So. 11 bis 19 Uhr

Fesselnd.

Held des Steuerknüppels

(cai) In einem anderen Kontext nennt man das Zwangsneurose. In der Kunst sind es "Variationen zu einem Thema". Besessen scheint Eric Moinat von Tim zu sein, dem Herrl von Struppi. Setzt ihm beharrlich Denkmäler. Gedenkt besonders seines Fluges nach Russland. Führt dabei die ganze Bandbreite vor: von der Kinderzimmerromantik (Holzflieger in Spielzeugästhetik) bis zur illusionslosen Objektkunst (materialbrutale Büsten). Kindisch bunt bis "erwachsen monochrom". Ich glaub fast, die Flieger sind ein Test.

Wer, vom Spieltrieb übermannt, am Propeller dreht, ist als Betrachter ein absoluter Amateur. Oder fällt der durch, der asketisch widersteht? (Weil: Der ist ja nicht einmal reif für eine Suppendose von Andy Warhol.) Sich selbst macht es Moinat aber auch nicht gerade leichter als uns. Die Geduld, mit der etwa die Kartongerüste gebastelt sind, grenzt ja bereits an Selbstaufopferung.

Galerie Peithner-Lichtenfels

(Sonnenfelsgasse 6)

Eric Moinat

Bis 20. Jänner

Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr

Sa. 10 bis 16 Uhr

Ausdauernd.

In den Boden meditiert

(cai) Malerinnen haben auch andere Möglichkeiten, um anzugeben. Die müssen mit ihrem Pinsel ja keinen dreifachen Axel auf der Leinwand vollführen.

Zu zeigen (mit schwelgerischer Sachlichkeit), dass ein simpler Vorhang voller Lichtsensationen steckt, reicht schon. Karin Kneffel meditiert obendrein in den glänzenden Bodenbelag hinein und dokumentiert gewissenhaft und effektvoll ihre Visionen (die sich diffus spiegelnden Möbel). Und das führt den Blick in die allerhöchste Wonnen.

Galerie König

(Schleifmühlgasse 1)

Karin Kneffel

Bis 13. Jänner

Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Pinselbeherrschung.

Mittwoch, 20. Dezember 2006


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