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17.05.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Das MAK "fließt"
VON ALMUTH SPIEGLER
Jenny Holzer lässt das MAK "floaten".

Die ganze große leere Halle ist in Bewegung geraten, die Wände, der Boden, die Decke, alles Feste scheint sich aufzulösen, zu fließen, zu "floaten", wie Jenny Holzer sagen würde. Für das MAK und Direktor Peter Noever, der mit der wohl bekanntesten US-Künstlerin seit 15 Jahren in Kontakt steht, entwarf sie jetzt erstmals eine ihrer Lichtprojektionen für einen Innenraum.

Bis auf graue Sitzkissen zum Fallenlassen im materiellen Sinn völlig leer, gleiten in zwei gegenläufigen Richtungen große blaue Textzeilen aufreizend langsam über die Architektur sowie einen selbst hinweg. Suchend, abtastend, fast wie ein lebendiger Organismus: "leider geht hier das leben an einem vorbei" zieht es die Decke hinauf. "auf wiedersehn!" Und es kriecht weiter nach: "anfang" - "schwächen findet er nur ekelhaft" - "brigitte näht büstenhalter".

Ja, genau, richtig erkannt. Es sind Zitate aus zwei Romanen Elfriede Jelineks, die Holzer mit der kollegenscheuen Nobelpreisträgerin per E-Mail abgestimmt hat: Vor allem aus dem Frühwerk "Die Liebhaberinnen", das Jelinek 1975 zum Durchbruch verhalf. Diese Karikatur eines Heimatromans, in dem zwei Fabrikarbeiterinnen sich in einen Konkurrenzkampf um den gesellschaftlichen Aufstieg stürzen, habe Holzer, laut "Profil", derart zum Lachen gebracht, dass sie dabei fast vom Sessel gefallen sei.

Ein neben aller Komik trotzdem tragisches Thema, das Holzers feministischem Ansatz entgegen gekommen sein muss. Zählt die 1950 in Ohio geborene Künstlerin mit Barbara Kruger oder Cindy Sherman doch zu den frühesten und wichtigsten feministisch aktiven Künstlerinnen der USA. Einen allgemeineren gesellschaftskritischen Aspekt thematisiert das zweite von Holzer benutzte Jelinek-Werk, "Die Ausgesperrten": Das 1980 erschienene "Jugendbuch für die Infantilgesellschaft" handelt von harmlos aussehenden Kindern, die nächtens Erwachsene überfallen.

Die näheren Roman-Inhalte werden einem inmitten der suggestiven Rauminstallation zwar nicht klar, eher versinkt man in eine Art meditativen Ruhezustand. Was immerhin zu einem körperlich stark spürbaren Erlebnis führt. Und Überraschungen hatte man sich sowieso keine erwartet. Denn eines kann man Holzer nicht vorwerfen: zu wenig Konsequenz. Seit 1982, als Holzer ihre zuvor auf T-Shirts und Posters gedruckten Sinnsprüche ("Truisms") erstmals über eine Anzeigentafel rennen ließ, weiß man, was einen bei ihrem Namen erwartet: Leuchtschriften, differenziert durch Laufgeschwindigkeit und natürlich die Texte - seit kurzem erst benutzt sie auch fremde, wie jetzt Jelinek.

Ab Mitte der 90er wuchs dieses populäre künstlerische Konzept aus den engen Grenzen der Leuchtdioden-Kästen hinaus und breitete sich als Projektionen noch großflächiger im öffentlichen Raum aus. So bespielte Holzer auch im Vorfeld dieser Schau schon einige mächtige Bauten wie Rathaus, Parlament, Staatsoper. Zum Finale, von heute bis nächsten Mittwoch, dient ihr noch der neue Tower am Flughafen Schwechat als "Leinwand". Genieße es, wer kann. Nach Einbruch der Dunkelheit.

Bis 17. 9. Di. 10-24 h, Mi.-So. 10-18 h.

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