Salzburger Nachrichten am 22. Jänner 2003 - Bereich: kultur
Satire, Ironie und tiefere Bedeutung

Salzburg: "Orginal + Fälschung" von Sigmar Polke im Rupertinum

Die sechziger und auch noch die siebziger Jahre waren eine Zeit, in der man von der Aura des Überkommenen nicht viel hielt. Die Autoritäten gerieten unter Rechtfertigungsdruck, nicht nur jene in der Politik, die durch die außerparlamentarische Opposition herausgefordert wurde, auch jene in der Kunst. Aus dieser Zeit stammt Sigmar Polkes Zyklus "Original + Fälschung".

Der Maler sympathisierte mit der Möglichkeit, dass die Werke großer Meister täuschend ähnlich nachgemacht werden können und dass darum jede Menge Aufhebens gemacht wird. Von teuren, wichtigen Büchern wurden damals billige "Raubdrucke" hergestellt. Die Vergötzung des Originals stand nicht hoch im Kurs.

In dem Thema steckt ein großes Potenzial an Ironie, Polke fühlte sich davon herausgefordert, ging den Verflechtungen des komplexen Sachverhalts nach und fing an, sich damit auf vielfältige Weise produktiv zu spielen.

Das Ergebnis war eine Werkfolge, die erstmals 1973 im Westfälischen Kunstverein Münster ausgestellt wurde; ein Jahr danach auch in Bonn. Zur Präsentation gehörten zwölf großformatige Bilder, denen jeweils ein Kommentarbild zugeordnet war, ferner Spiegel und eine Publikation mit einer Fülle von Material, das nicht bloß zur Erklärung, sondern mindestens im selben Maß zur absichtsvollen Verwirrung des Publikums diente.

Der Titel des Buches "Franz Liszt kommt gern zu mir zum Fernsehen" bezieht sich auf ein britisches Medium. Die Frau behauptete, sie werde von Liszt, aber auch von anderen verstorbenen Komponisten besucht, und ihr würden bei dieser Gelegenheit neue Kompositionen dieser Herren übermittelt. Diese Vorstellung begeisterte Polke, ebenso die Tatsache, dass es eine Liste der begehrtesten und deshalb gestohlen Kunstwerke gibt.

Das Tagesgeschehen als Kunst-Ausgangspunkt

Polke ging bei seinem Zyklus nicht nach einem strengen Schema vor. Meist allerdings gab den Anstoß zu einem Bild eine tagesaktuelle Veröffentlichung in irgend einem Druckwerk, etwas, das den Künstler wegen seiner Absurdität reizte. Polke produzierte daraus eine Collage, mit der er bereits eine sehr individuelle Interpretation des jeweiligen Themas betreibt, und dann kam auch noch in jedem der zwölf Fälle ein großformatiges Bild hinzu.

Manchmal nahm er sich tatsächlich das Sujet eines Alten Meisters vor, Rembrandts etwa oder Gainsboroughs, und deutete mit dem eigenen Werk an, dass ihm das Fälschen keine große Schwierigkeit bereitete. Satire ist ein ausgemachtes Ziel, etwa wenn der "Bayerische Landtag" durch eine Parade von Bierkrügen und an die Wand genagelten Jagdtrophäen dargestellt wird.

Authentizität und Täuschung, Original und Nachahmung, wirklichkeitsgetreue Wiedergabe und Manipulation, das sind große Themen, mit denen sich die Wissenschaft herum schlägt. Polke geht mit ihnen lustvoll und produktiv um. Der Zyklus "Original + Fälschung" zeigt, wann er entstanden ist, nicht nur anhand der in den Collagen verwendeten Fotos, sondern auch durch Polkes Bildsprache, die der Pop Art verpflichtet ist.

Der Zyklus kommt als Leihgabe des Sammlers Hans Grothe nach Salzburg und wird erstmals nach 30 Jahren wieder gezeigt. Die Spiegel und das merkwürdige Buch sind leider nicht mitgekommen.

Bis 6. April WERNER THUSWALDNER