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Pakosta: „An der Akademie war es fad“

21.02.2011 | 18:25 | Von Barbara Petsch (Die Presse)

Malerin Florentina Pakosta spricht im Interview mit der "Presse" über ihre Ausstellung im Wiener Leopold-Museum und erklärt, warum es Frauen heute besser geht in der Kunst als früher. Zumindest ein wenig besser.

In der Nacht vor der standesamtlichen Trauung bin ich im Traum aufgestanden und habe ein Fenster zerschlagen. Am nächsten Morgen war das Blut auf meinem Arm. Da wusste ich, ich kann nicht heiraten.“ Die österreichische Malerin Florentina Pakosta (77) führt durch ihre Ausstellung im Leopold-Museum. Auch anderswo in Wien kann man Perspektiven von Künstlerinnen erleben, z.B. von Birgit Jürgenssen im Bank Austria Kunstforum oder von Lieselott Beschorner im Museum auf Abruf; allen gemeinsam ist eine feministische Sicht im weitesten Sinn.

Ist es für Frauen schwerer, in der Kunstszene zu landen, als für Männer? „Die letzten zehn Jahre ist es besser geworden für die Frauen“, sagt Pakosta. „Ich war seinerzeit die erste und einzige Frau im Vorstand der Secession. Das Künstlerhaus, dem ich zuvor beitreten wollte, hatte in seinen Statuten verankert, dass Frauen nicht Mitglieder werden dürfen. Ich glaube, 1964 ist das dann gefallen.“

Männer seien nicht immer schuld gewesen an der schwierigen Rolle der Frau in der bildenden Kunst: „Die Männer wollten die Frauen fernhalten, klar, aber es gab und gibt auch viele Frauen, die sich im Haushalt und in der Familie wohlgefühlt haben, wohlfühlen. Ich habe kein Kind, leider, weil ich ihm die materielle Unsicherheit meines Lebens nicht zumuten wollte. Es gibt jetzt eine neue Studie, über 50 Prozent der Malerinnen sind nicht verheiratet. Das ist kein Zufall. Ein Künstler hat meist eine Frau, die sich um ihn und seine Karriere kümmert. Eine Künstlerin muss sich selbst durchsetzen.“

Als kleines Mädchen ging Pakosta mit ihrem Vater ins Kunsthistorische Museum, dort sah sie „Die Bauernhochzeit“ von Pieter Bruegel d.Ä. und wusste: „Das will ich machen.“ Als sie mit zehn Jahren in der Schule in einem Aufsatz „Was will ich werden?“ ihren Berufswunsch bekannte, sagte die Lehrerin: „Malerin ist kein Beruf. Schreib Modell-Zeichnerin hin.“ „Ich habe mich furchtbar geärgert, aber ich war zu klein, um mich zu wehren“, erinnert sich Pakosta.

An der Akademie der bildenden Künste studierte sie beim Genre-Maler Josef Dobrowsky (1889–1964): „Er war ein guter Lehrer und jeden Tag da, aber er war sehr konservativ. Und das Zeichnen war schrecklich fad. Stellen Sie sich vor: Man steht ein Jahr lang vor einem nackten Menschen und malt ihn ab. Wir haben gewusst, so kann es nicht bleiben, aber als die langen Hälse kamen und die eckigen Köpfe, Modigliani und all das, da haben wir nicht gewusst, was das soll, und es hat uns auch keiner erklärt. Nach dem Krieg haben wir uns Ansichtskarten gekauft. Die österreichischen Kollegen haben dann ihre eigene Avantgarde gemacht, Kästen aus dem Fenster geworfen, sich einmauern lassen. Das ist mir aber nicht gelegen.“

Treffen sich befreundete Künstlerinnen heute? „Es gibt einen gewissen Konkurrenzkampf unter Künstlern, nicht nur unter Frauen, aber bei den Frauen ist es noch ärger, weil der Markt kleiner ist.“

 

Als Kriegskind wochenlang im Keller

Nach der Ausbildung sehnte sie sich nach dem richtigen Leben: Im Prater, im Theater fand sie Modelle, die sie inspirierten, dem Statischen zu entfliehen. Manche Bilder sind schockierend: Einer Frau ragen Nadeln aus der Scham und aus dem Kopf. Eine in der Ehe vergewaltigte Frau war für Pakosta der Auslöser für dieses Bild. Wenn Adolf Frohner Frauen mit abgeschnittenen Brüsten malte, zeigte sie Männer mit Hodenbruch.

Pakosta begann auch, herrlich skurrile Texte zu schreiben, etwa über Helmut Zilk, der sich von ihr verewigen ließ in bizarrer Pose, man weiß nicht, ob er schimpft oder sich amüsiert. „Er redet“, erklärt Pakosta. In ihrem Text wird kein Name genannt, man erlebt nur die groteske Wirkung, die ein gestresster Politiker auf Außenstehende hat.

Der Krieg, den sie als Kind hautnah mitbekam, hat sie geprägt: „Wir haben die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter gesehen. Sie hatten Hunger, aber man durfte ihnen nichts geben. Meine Tante wurde von einer Granate getroffen. Wir waren vier Wochen im Keller, kein Licht, kein Wasser, nur Angst – die SS, die Flak, die Russen, es war grauenhaft.“ Gibt es eine Vision, die man als Künstler hat? „Ich stelle mir eine Welt ohne Todesstrafe, ohne Polizei, ohne Militär und ohne zwischenstaatliche Konflikte vor.“ Wer würde dann die Verbrecher einfangen? Pakosta: „Die gäbe es nicht mehr. Das ist natürlich eine Utopie.“ (Ausstellung bis 18.4.)


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