Galerien
Beinah fast exakt genauso
(cai) Katholiken könnten den
unbändigen Drang verspüren, sich zu bekreuzigen. Weil hier überall
menschengroßes Ungeziefer herumlungert, das Messgewänder anhat. Und vom
Plafond hängt ein Mobile aus Knochen, während von der Karnische das Blut
tropft. Der Vorhang besteht nämlich aus fetten Blutstropfen. (Wie der
in der "Psycho"-Dusche?) Ach ja: Hinten ist eine Folterkammer. Was hat
das alles bloß zu bedeuten? Dass Freddy, Jason und Norman zusammen eine
Ausstellung machen? Um damit fertig zu werden, hat man jedenfalls mehr
nötig als einen Kammerjäger (oder einen Insektenspray), da braucht man
schon einen ausgewachsenen .. . Germanisten. Wieso einen Germanisten? Na
ja, außer man hat selber was von Käfka, äh: Kafka, gelesen.
Die Käfer sind ja lauter Gregor Samsas. Eh keine echten. Ausgestopfte
aus Samt halt.
Gregor S., das ist jener Vertreter, der dieses Alptrauma erlitten und
sich in ein Krabbelviech verwandelt hat. (Heute würde man
wahrscheinlich "Burnout" dazu sagen.) Gudrun Kampl hat also einen
Streichelzoo genäht. Voller Schmusekäferln. Man tät’ mit denen ja gern
kuscheln, wenn man nicht so viel Respekt vor der Priestertracht hätte.
Hm. Trägt der Gregor was Kirchliches, weil er ein Märtyrer von geradezu
katholischen Ausmaßen ist? Oder weil die wissenschaftliche Bezeichnung
für Käfer (Coleoptera) beinah fast exakt genauso klingt wie Zölibat?
Gut, in die Fleischwunde auf dem Rücken (wo der rote Samt förmlich vor
Schmerzen brüllt) hab ich mich trotzdem reingewühlt, um nach dem Apfel
zu suchen, der bei Kafkas Käfer im Eiter herumfault. Hab aber keinen
gefunden. In der Folterkammer müssen empfindliche Personen dann
aufpassen, dass sie keine Nierenkolik oder Herzprobleme kriegen. Denn da
werden deftige Voodoopuppen bis auf die Watte misshandelt. Mit ihren
Schmerzenskäfern, Knochen und Blutstropfen (alles weich und samtig) hat
Kampl den religiösen Leidenskult opulent inszeniert. Mit schamlos
profaner Sinnlichkeit.
Galerie
Steinek
(Eschenbachgasse 4), Gudrun Kampl, bis 1. März
Di. –
Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr
Der Mut zur Schlamperei
(cai) Falls das ein Trost für
den Michal Budny ist: Nicht einmal der MacGyver hätte aus
Transparentpapier, Wachs, Klebeband und einem Holzrahmen einen voll
funktionsfähigen Spiegel basteln können. (Selbst dann nicht, wenn man
ihm gnädigerweise noch einen Kaugummi spendiert hätte.) Seine
tragikomische Versuchsreihe (nein, nicht im Geringsten komisch) nennt
Budny selbstbewusst "Mirror". Obwohl die "Spiegel" eher an gelblich
wachsige Haut erinnern. Blödsinn. Er wollte nicht ernsthaft
Papier in einen Spiegel umwandeln. Doch er hat es geschafft, diesen
bescheidenen Bildern eine Aura zu verleihen. Muss an der ungeheuren
Präsenz des billigen Materials liegen. Und daran, dass alles auf so
kokette Art schlampig ist. Im Eineinhalb-Minuten-Film, wo ein Tänzer zur
kinetischen Skulptur wird, übt die präzise, zackige Abfolge primitiver
Bewegungen eine ähnliche Faszination aus.
Galerie
nächst St. Stephan
(Grünangergasse 1), Michal Budny, bis 26.
Februar
Mo. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr
Schwarz ist ein Plural
(cai) Eine Eierspeis ist total
abstrakt. Und trotzdem war sie einmal ein formvollendetes Ei. (Dem Huhn
sieht man ja auch das Ei, aus dem es geschlüpft ist, nimmer
an.) Bei den reifen Ölbildern vom Gottfried Mairwöger (1951 – 2003) hat
man aber sowieso nicht das Bedürfnis, irgendwas Weltliches zu erkennen.
Da ist man mit der puren Malerei schon restlos zufrieden. Mit den
kontrollierten Ausschweifungen und imposanten Farben. Sogar das Blau
glüht. Und das Schwarz ist gar keine einzelne Farbe. Das ist
ein Plural.
Galerie Wolfgang Exner
(Rauhensteingasse
12), Gottfried Mairwöger
Bis 28. Februar, Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr,
Sa.: 11 – 17 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 09.
Februar 2011
Online seit: Dienstag, 08. Februar 2011 16:30:00