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Kunstberichte
Der große deutsche Maler Neo Rauch im Gespräch

Fertige Bilder sind ohne Beatmung lebensfähig

Maler Neo Rauch. Foto: dpa

Maler Neo Rauch. Foto: dpa

Aufzählung Rauch über die neue Ausstellung und die Gefahr des Erfolges.

"Wiener Zeitung": (apa/dpa) Herr Rauch, Sie haben sich die Ausstellung in München angesehen. In dieser Anordnung sind Ihre Bilder noch nie ausgestellt worden. Wie schwer fällt es Ihnen, dass Sie diese Arbeit aus der Hand geben müssen?

Neo Rauch: Das fällt mir außerordentlich leicht, weil Bernhart Schwenk ja der Kurator meines Vertrauens ist.

Eröffnet es Ihnen neue Blickwinkel, wenn jemand anderer kuratiert? 

Das eröffnet mir tatsächlich neue Blickwinkel. Die Bilder sind hier nicht chronologisch gehängt, sondern es gibt einen ganz charmanten Mix der Jahrgänge. Wenn man das aus der Hand gibt, dann besteht die Möglichkeit, dass der Autor der Ausstellung Verbindungen herstellt, die die Bilder völlig neu aufschließen können.

Woran liegt es eigentlich, dass Sie schon mit so vielen Retrospektiven bedacht worden sind?

Ich weiß beim besten Willen nicht, weshalb ich so ein Retrospektiven-Hirsch bin.

Ihre Bilder scheinen komplexer geworden zu sein. Kommt Ihnen die Realität komplexer vor? 

Das mag sein, ja. Die Mannigfaltigkeit des zuströmenden Materials, die setzt mir offenbar zu. Ich habe mich ja auch in Entwicklungsstadien aufgehalten, in denen ich mir eine striktere Ordnung auferlegt habe, eine rigorosere Auslichtung der Materialströme. Ich habe festgestellt, dass ich mich in diese Sortiermechanismen in einem hinlänglichen Maße eingeübt hatte und dass, wenn ich so weitergemacht hätte, eine Routineproduktion stattgefunden hätte. Dieses Auf-Nummer-Sicher-Gehen ist etwas, was dann bei mir zu Ekelzuständen führt.

Sicherheit kann für Sie also wirklich gefährlich sein?

Natürlich, ja. Man kann sich selber zu einer Marke herunterstutzen, wenn man einfach Stanzformen produziert.

Wann ist denn ein Bild fertig?

Fertig sind sie ja nie. Es ist einfach der Zustand irgendwann erreicht, in dem ich es verantworten kann und das Bild lebensfähig ist ohne meine weitere Beatmung.

Printausgabe vom Dienstag, 20. April 2010
Online seit: Montag, 19. April 2010 18:17:27


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