Galerist Ernst Hilger über die aktuellen Kunstpreise, die Wirtschaftskrise und die Qualität von Künstlern
"Habe am Schluss meistens recht"
|
Hilger: "Bin, wie alle anderen auch, von der Krise kalt erwischt worden." Foto: Newald
|
Von Stefan Janny
Preisrückgänge trafen etablierte lokale Künstler am stärksten.
Firmenbudgets für Kunst-Kooperationen stark gekürzt.
"Wiener Zeitung":
Die Krise hat den Kunstmarkt stark getroffen. Umsätze und Preise sind
rückläufig. Ich nehme an, das bekam auch Ihre Galerie zu spüren? Ernst Hilger:
Ich bin, wie alle anderen auch, von der Krise vergangenes Jahr kalt
erwischt worden. Das hat mich nach einer sehr langen Phase der
Erfolgsgewohntheit etwas aus dem Gleichgewicht geworfen.
Psychologisch oder auch finanziell?
Eher psychologisch, finanziell sind wir relativ solide aufgestellt.
Ich habe immer behauptet, ich käme jederzeit auch mit einem niedrigeren
Umsatz locker über die Runden. Nach 15 Jahren des beinahe
kontinuierlichen Aufschwungs habe ich allerdings festgestellt, dass es,
als die Krise dann kam, anfänglich doch schwieriger als erwartet war,
sich darauf einzustellen, weil man verwöhnt und nicht mehr gewohnt war,
wirklich scharf nachzudenken, ob sich bestimmte Projekte tatsächlich
rechnen.
2009 war wohl kein besonders erfolgreiches Jahr?
Es war insgesamt ein Jahr der Prüfungen für mich. Zum einen ist mit
dem Kunstsammler Peter Infeld ein langjähriger, sehr enger Freund
gestorben. Dann ist im Dezember auch noch Alfred Hrdlicka gestorben.
Zudem ist mir ein Künstler, den ich aus dem Nichts entdeckt habe, fünf
Wochen vor der Biennale abgesprungen. Dazu kam, dass große
Firmenpartner ihre Budgets stark gekürzt haben. Das alles hat meine
Erfolgsgewohntheit doch ein wenig erschüttert.
Aber unser Stammpublikum hat sich relativ unerschüttert gezeigt und uns die Treue gehalten und so für Kontinuität gesorgt.
Sie haben 2009 in der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik eine neue
Ausstellungshalle eröffnet. Warum startet man ausgerechnet mitten in
der schwersten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren ein solches Projekt?
Ich habe mir irgendwann im Spätfrühling 2009 gedacht, dass ich bald
60 werde und mich in einer wirtschaftlich schwierigen Phase daher
vermutlich einige Zeit einfach still verhalten sollte. Das habe ich
genau fünf Tage durchgehalten, weil Stillhalten einfach nicht meine Art
ist. Und weil mich der Maler Hans Staudacher gebeten hatte, ihm bei der
Suche nach einem Atelier behilflich zu sein, bin ich einige Male in die
Ankerbrot-Fabrik gekommen, in der Ateliers zu kaufen waren. Und
irgendwie war es dann Liebe auf den zweiten Blick mit diesem 1881
errichteten Backsteinbau, der eine unglaublich magnetische Ausstrahlung
hat. Da habe ich habe mir gedacht, ich frage meine Bank, ob sie mir
dort eine Ausstellungshalle finanzieren würde. Die Bank hat mir das
Okay gegeben, also habe ich es gemacht.
Aber das Risiko eines solchen Projekts ist ja trotzdem nicht gering.
Ich wollte etwas Neues, Besonderes machen. Und ich dachte mir, dass
ich für den Anfang genug Ersparnisse habe und alles Weitere sich schon
ergeben würde. Ich hatte zu dieser Zeit die Iran-Ausstellung auch schon
in Planung, mit der wir die Brot-Kunsthalle dann eröffnet haben. Also
habe ich innerhalb von wenigen Tagen die ersten 600 Quadratmeter
gekauft und innerhalb von sechs Wochen im Sommer umgebaut.
Seitdem haben wir mit der Iran-Ausstellung des genialen Kurators
Shaheen Merali Presse rund um den Erdball bekommen und wurden von
Journalisten wahrgenommen, die uns vorher überhaupt nicht gesehen
haben. Die Ausstellung ist jetzt sogar von der Arario Gallery, einer
der größten New Yorker Galerien, übernommen worden.
Aber wäre es nicht ratsam gewesen, mit dem Umbau und der Eröffnung zu warten, bis sich die Wirtschaftslage etwas erholt?
Ganz ehrlich, ich war nie ein Mensch, der auf irgendetwas warten
wollte. Es war der richtige Zeitpunkt für die erste große
Iran-Ausstellung in Europa. Und ich habe etwas gebraucht, das mich
konzentriert und ablenkt. Ich bin nicht der Typ, der Mitarbeiter
kündigt und Ausstellungsräume zu sperrt, um Energiekosten zu sparen.
Ich bin eher einer, der mit einem ordentlichen Schlag das Ruder
herumreißt, wenn es mal nicht so gut geht. Als wir für die Kunsthalle
eine gute Beleuchtung gesucht haben, hat mein Elektriker meinen alten
Porsche bekommen, weil ich die das Geld für seine Rechnung gerade nicht
hatte.
Für mich sind Kunstprojekte und nicht Statussymbole wichtig.
Außerdem ist die Brot-Kunsthalle für mich die Möglichkeit, mit jungen,
spannenden Kuratoren Projekte zu machen, die ich in meiner
Innenstadt-Galerie nicht verwirklichen kann. Und ich möchte damit
mittelfristig auch die Galerie erneuern, weil ich hoffe, dass da immer
wieder Positionen herauskommen, die einige Jahre später einen festen
Platz in meiner Galerie finden. Mein Partner hält hier glücklicherweise
immer zu mir und hat Verständnis für solche Ideen.
Anders ausgedrückt: Sie wollen junge Künstler entdecken, die
Jahre später, wenn sie sich etabliert haben, über die Galerie lukrativ
vermarktet werden können?
Das ist schön, wenn es passiert. Vor allem aber gibt es dadurch bei
uns für den interessierten Sammler immer wieder Zukunftsträchtiges zu
fairen, günstigen Preisen zu entdecken, und nicht nur Spitzenwerke zu
Spitzenpreisen.
Sie genieren sich, allzu viel Geld für Kunstwerke zu verlangen?
Auf keinen Fall, es ist nur einen andere Welt. Ich bin unermüdlich
und sehe sehr viel Kunst. Ich treffe fast jede Woche neue Künstler und
sehe dann immer wieder, dass große Kunst gar nicht so teuer sein muss.
Ich habe selber vor Jahren meine letzte Picasso-Zeichnung verkauft und
habe dann mitgekriegt, dass ein junger Sprayer aus England bei
derselben Auktion denselben Preis erzielt hat wie ein Picasso. Da habe
ich mir dann gedacht, da bin ich nicht so sehr dabei.
Ich habe ein sehr starkes historisches Verantwortungsgefühl, ich
möchte, dass die Kunst, die teuer ist, eine solide Basis hat. Ich
arbeite, wenn die Sachen wirklich gut sind, sehr gerne mit Kunstwerken
im Bereich zwischen 100.000 und 500.000 Euro. Bei Preisen, die deutlich
höher liegen, müssen die Argumente schon sehr stark sein.
Weil die Preisfestsetzung dann manchmal schon etwas willkürlich wird?
Nein, sondern weil man in diesen Preisdimensionen dann zu viel von
sich selbst mitverkauft. Wenn Sie jemandem ein Bild um ein paar
Millionen Euro verkaufen, erwartet der Käufer zusätzlich zur
Sicherheit, dass er ein gutes Investment getätigt hat, ein hohes Maß an
privater Anteilnahme.
Wird die Betreuungsintensität, die von der Kundschaft erwartet wird, zu hoch?
Genau. Ich bin dankbar, mit einigen wirklich weltberühmten Sammlern
sehr gut befreundet zu sein. Aber nicht deshalb, weil sie Sammler sind,
sondern wirklich tolle Menschen. Manche kaufen jedes Jahr bei mir,
manche haben seit zehn Jahren nichts mehr gekauft und manche noch nie.
Ich bin trotzdem mit ihnen befreundet. Ich möchte mir dieses Privileg
bewahren, dass ich nie jemandem aus wirtschaftlichen Gründen in mein
Privatleben aufnehmen muss.
Geschäfte mit Menschen, die einem nicht uneingeschränkt
sympathisch sind, lassen sich vermutlich nicht vermeiden. Aber ein
Wochenende mit so jemandem zu verbringen, wollen Sie vermeiden?
Sie formulieren das etwas zu polemisch. Ich treffe den ganzen Tag
Menschen, die für diesen Moment interessant sind, mit denen ich
durchaus auch einmal Mittagessen gehe. Wenn man aber Kunstwerke
verkauft, die deutlich über 500.000 Euro kosten, übernimmt man ein sehr
hohes Maß an sozialer Verantwortung.
Der Käufer geht unbewusst davon aus, einen Teil des Verkäufers
miterworben zu haben. Das möchte ich nicht. Ich bin ein sehr privater
Mensch, mag große Menschenmassen nicht einmal bei meinen eigenen
Vernissagen. Ich akzeptiere es als Notwendigkeit, aber für mich ist das
Gespräch zu sechst oder zu acht wesentlich zielführender.
Die Art Basel Miami, die im Dezember stattgefunden hat und bei
der Sie ausgestellt haben, gilt als eine der wichtigsten Kunstmessen
der Welt. Wie haben Sie dort die Stimmung erlebt?
Die Stimmung war gar nicht so schlecht, obwohl diesmal wesentliche Sammlergruppen nicht gekommen sind.
Die Hedge-Fonds-Manager?
Nicht nur die. Es sind überhaupt viele amerikanische Sammler nicht
gekommen. Gekommen sind aber die Leute, die sich wirklich für Kunst
interessieren und die wissen, dass man mit Kunst nicht innerhalb von
wenigen Jahren den großen Profit machen kann; die wissen, dass Kunst im
Normalfall 30 Jahre aufgehoben werden muss. Im Gegensatz zu früher, wo
wir – symbolisch gesprochen – mit einem Sack Geld heimgefahren sind,
haben wir diesmal in Miami kein Geld verdient. Aber wir haben ein paar
sehr gute Kontakte geknüpft und eine neue Sammlerfamilie kennengelernt,
die etwas Größeres gekauft hat und mit uns ein Kunstförderungsprogramm
machen will.
Wer ist von den aktuellen Preisrückgängen am Kunstmarkt stärker betroffen: etablierte Namen oder junge Künstler?
Junge Künstler sind ja von vornherein nicht teuer. Wenn Bilder in
einer Ausstellung 2000 oder 3000 Euro kosten, dann kommt sich jeder
komisch vor, wenn er handelt und man ihm dann vielleicht zehn Prozent
nachlässt. Am stärksten ist das Mittelfeld der halbwegs etablierten
Künstler getroffen worden, die mit guter Qualität einen gewissen
lokalen Markt haben, aber den wirklichen Durchbruch mit großen
internationalen Ausstellungen nicht geschafft haben. Und als zweite
Gruppe sind jene betroffen, die total überteuert waren.
Da sind einige Sachen im Preis deutlich korrigiert worden.
Irren Sie sich auch öfter mit Ihrem Urteil über die Qualität von Künstlern?
Am Schluss habe ich meistens recht. Wenn ich heute mit jemandem
länger zusammenarbeite, wird er deswegen nicht unbedingt berühmt, aber
jeder kann sich sicher sein, dass das ein sehr guter Künstler ist.
Ich arbeite immer wieder an eigenen Wissenslücken und musste
natürlich auch Lehrgeld bezahlen, aber davon profitieren heute meine
Sammler genauso wie ich selbst.
Zur Person
Ernst Hilger wurde am 28. Februar 1950 in Wien geboren und studierte
nach der Matura Betriebswirtschaft. Während des Studiums gründete und
betrieb Hilger das Folkmusik-Lokal "Atlantis". 1971 und 1972 war Hilger
Gründungsgesellschafter der Salzburger Galerie Academia und der Wiener
Galerie Spectrum. 1976 gründete er in der Wiener Dorotheergasse seine
eigene Galerie für moderne Kunst, die unter anderem Künstler wie Alfred
Hrdlicka, Franz Ringel, Hans Staudacher und Oswald Oberhuber vertritt.
2009
eröffnete Hilger, der zahlreiche ehrenamtliche Funktionen in Verbänden
und Organisationen der Kunstszene ausübt, in der ehemaligen
Ankerbrotfabrik im zehnten Wiener Gemeindebezirk die Brot-Kunsthalle.
Printausgabe vom Mittwoch, 10. Februar 2010
Online seit: Dienstag, 09. Februar 2010 16:57:00
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die
Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine
Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe
wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren
Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht
veröffentlicht.