Verkehrt und doch aufrecht
Georg Baselitz. Das Salzburger Museum der Moderne zeigt eine klar strukturierte, fein bestückte Retrospektive des deutschen Malers.
KARL HARB SALZBURG (SN). Georg Baselitz ist leicht zu identifizieren. Das ist jener deutsche Maler, dessen Bilder auf dem Kopf stehen. Seit 1968 praktiziert Hans-Georg Bruno Kern, der sich nach seinem sächsischen Geburtsort „Baselitz“ nennt, seine von ihm selbst so genannte „Methode“. Damit will er dem Verdacht, in wild gemalter, expressiver Manier womöglich „realistische“ Abbilder zu schaffen, ein Schnippchen schlagen. Baselitz hängt nicht Bilder verkehrt herum auf, er malt sie auch „verkehrt“ – als Akt der Opposition, um Realität zu „abstrahieren“.
Seit Samstag zeigt das Salzburger Museum der Moderne auf dem Mönchsberg eine retrospektive Schau zum Schaffen von Georg Baselitz – mit 54 großformatigen Malereien und fünf nicht minder monumentalen Skulpturen, großzügig gehängt und platziert, großzügig beschenkt durch international hochrangige Leihgeber und einen Lebenszeitraum von annähernd fünfzig Jahren (1960 bis 2008) umfassend. So viel Baselitz gab es in Österreich seit 1992 nicht mehr, als im Museum Moderner Kunst in Wien der letzte Überblick über das Werk des Künstlers gegeben wurde.
Neu zu entdecken sind großräumige Zusammenhänge. Das Menschen- und Körperbild hat Baselitz seit je beschäftigt, freilich nicht nach der „sozialistischen“ Doktrin der DDR, sondern als erkennbar ironischer Kommentar. Die „Helden“ (der Arbeit?) werden zu seltsamen „Heiligen“, Körperteile werden isoliert und – in den Frakturbildern – neu zusammengesetzt. Auch mit der und auf die Kunstgeschichte wird (an-)gespielt, nicht historisierend, sondern in Paraphrasen, etwa auf Courbet oder, noch 2005, auf Mondrian mit seinen Farbfeldern und Streifen, die Baselitz für eine zeichenhafte Figur neu „zerlegt“.
Die neuen Arbeiten bilden eine „Remix“-Serie, die Motive und Personen (Hitler als „Modern Painter“ oder Lenin im bunt getüpfelten Sturzflug) hintergründig umdefinieren.
Zuweilen spielt sich Baselitz auch mit sich selbst: Wenn er (rauf und runter“, 1987) eine blonde Frauenfigur von kopfüber wieder gewissermaßen „auf die Beine“ stellt – doppelte Umkehrung. Aber ist das wieder „normal“?
Grobkantig, kräftig, imposant haut Baselitz als Bildhauer aus Holzblöcken mächtige Köpfe, Torsi oder fast raumhohe Ganzfiguren, um sie mit klaren, scharfen Farbakzenten zu bemalen – und so daran zu erinnern, was er als seine ureigene Profession ansieht.
Im hellen, weiträumigen Ambiente des obersten Stockwerks des Museums kommen große Geste, explosive Farbigkeit und ungestüme Kraft dieser Malerei nachdrücklich zur Wirkung. Der Lebensweg wird als Kunstparcours großzügig und klar anschaulich. Somit ist die entscheidende Komponente einer Retrospektive erfüllt. Sie ist bis 21. Juni zu sehen.www.museumdermoderne.at