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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
02. Oktober 2008
15:46 MESZ


"Todas las historias del arte: Kunsthistorisches Museum Wien", Ausstellung im Guggenheim, Bilbao, 3. Oktober bis 18. Jänner 2009

Link: guggenheim-bilbao.es

 

KHM-Schau im Guggenheim Bilbao
"Todas las historias del arte" zeigt bis Jänner prominente Auswahl aus Gemälden, Kunstkammerstücken und antiken Skulpturen

Bilbao - In der Titan-Architektur von Frank Gehry, die Touristen aus aller Welt nach Bilbao zieht, gastieren Gemälde von Tizian, Tintoretto, Brueghel und anderen alten Meistern, Pretiosen der Kunstkammer und der Antikensammlung. "Todas las historias del arte" ("All' die Geschichten der Kunst") zeigt das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) in einer großen Ausstellung im Guggenheim Museum Bilbao. Fast 200 Objekte sollen einen Überblick über die von den Habsburgern aufgebaute Sammlung geben.

"Die Großzügigkeit des Kunsthistorischen Museums war außergewöhnlich", versicherte Kurator Francisco Calvo Serraller bei der Presseführung am Donnerstag, und auch Generaldirektor Wilfried Seipel meinte: "Wir sind in vielen Bereichen über unsere normalen Möglichkeiten hinausgegangen und zeigen hier teilweise Exponate zum ersten Mal außer Haus." Schließlich hatte man sich zum Ziel gesetzt, die seit rund acht Jahren bestehende enge Kooperation von Guggenheim mit dem Kunsthistorischen Museum (in der als Dritter die Eremitage Sankt Petersburg eingebunden ist) erstmals in einer großen Ausstellung zu dokumentieren. "Aber diese Sammlung ist so riesig", stöhnte der Kurator, "Sie haben dort drei Millionen Werke. Sie können sich vorstellen, wie sehr man sich verloren fühlen kann in diesem Schatz."

Einblicke in 5000 Jahre

Obwohl man davon abgekommen ist, den Sammlungsaufbau anhand der Familiengeschichte der kunstsinnigen Habsburger chronologisch darzustellen, empfängt ein Velasquez-Gemälde der "Infantin Maria Teresa" die Besucher in der Schau, die auf der dritten Etage dieses faszinierenden Museums gegen die schwergewichtigen, rostigen Groß-Skulpturen Richard Serras im Erdgeschoss und gegen eine tolle Retrospektive des spanischen Bildhauers Juan Munoz im zweiten Stock antritt. Auch wenn 65 Prozent der Guggenheim-Besucher aus dem Ausland kommen, sind die Habsburger natürlich der Anknüpfungspunkt der KHM-Schau - schließlich werden sie von den Spaniern "Austrias" genannt.

Obwohl die sich über fünf Säle erstreckende Präsentation nach den Themen Porträt, Geschichte, Religion und Mythos, Nacktheit, Alltagsszenen, Stillleben und Landschaften gegliedert ist, kontrastiert das in Empfang nehmende Velasquez-Porträt auf wunderbare Weise mit ägyptischen Büsten und Statuen aus der Antikensammlung des KHM. Hier werden vielleicht nicht gerade "alle Geschichten der Kunst" erzählt, aber kurze Einblicke in 5000 Jahre Kunstgeschichte gegeben. Seipel hat sich am Ende seiner über 18 Jahre dauernden Ära wahrlich nicht lumpen lassen. Allein die Gemäldegalerie hat 73 Werke geschickt, darunter "Der weißbärtige Mann" von Tintoretto. Man stößt auf Rubens und Veronese, Van Eyck und Brueghel, Dürer und Arcimboldo, Hans Holbein, Lucas Cranach und Lorenzo Lotto. Dazwischen gibt es als reizvolle Ergänzungen nicht nur Helme aus der Rüstkammer, sondern auch zahlreiche Schätze der Kunstkammer. Kein Wunder, dass nicht nur Seipel, sondern auch seine Kunstkammerleiterin und designierte Generaldirektorin Sabine Haag sowie der Leiter der Gemäldegalerie Karl Schütz stolz ihr Haus im Baskenland repräsentieren.

Zwar sind - keineswegs eine Selbstverständlichkeit in diesem Museum, das sich wie kaum ein Zweites selbst als begehbare Skulptur begreift - die Wände fast durchwegs neutral und senkrecht, dennoch erzeugt die erstaunliche Großzügigkeit der Hängung sowie die Art der Präsentation einen komplett anderen Eindruck als im Wiener Stammhaus - faszinierend und nüchtern zugleich. "Ich glaube, es gibt an den Wänden des Kunsthistorischen Museums in Wien keine weiße Farbe", schmunzelte die Kuratorin Carmen Gimenez, "Wir wollten aber diese Meisterwerke wie moderne Kunst zeigen."

Guggenheim-Effekt

Der "mutige Schritt", der zeigen soll, dass alle Kunst auf einem gemeinsamen Fundament der Kunstgeschichte basiere, wie es Seipel nannte, hat sich gelohnt. Der runde, letzte Saal der Schau, in dem Bozetti und prachtvolle Goldschmiedearbeiten aus der Kunstkammer ebenso präsentiert werden wie der berühmte römische "Jüngling vom Magdalensberg" (dessen Original als verschollen gilt) oder "Mars, Venus und Cupido" von Tizian bietet zum Abschluss Ein- und Ausblicke auf das restliche Museum und die im Geschoss darunter befindliche Munoz-Ausstellung.

Der "Guggenheim-Effekt", der sich seit der Eröffnung des Museums 1997 mit jährlich über einer Million Museums-Besuchern niederschlägt, ist in der baskischen Stadt unübersehbar. Den Touristen, die zu 88 Prozent des Museums wegen anreisen, präsentiert sich eine renovierte, charmante Altstadt, eine Flusspromenade, eine neue U-Bahn, ein neues Konzerthaus und moderne Architektur von Santiago Calatrava über Norman Foster bis Zaha Hadid. Nachmachen, so wie es Stadtväter in aller Welt seither vergeblich versuchen, wird aber immer schwieriger. "Die Krise hat uns noch nicht erreicht", versicherte zwar Guggenheim Bilbao-Direktor Juan Ignacio Vidarte im Gespräch, noch seien alle Finanz- und Ausstellungs-Pläne aufrecht. Aber die anrollende Wirtschaftskrise wird wohl nicht vor dem Kunstbetrieb Halt machen. (APA)

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