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vom 31.05.2007 - Seite 022
Sechs Geschichten über die Zeit

Der Grazer Märchendichter

Folke Tegetthoff erzählt am 8. September um 21 Uhr im Linzer Donaupark mit der visualisierten Klangwolke "Six Tales of Time", wie das Dorf zur Welt und die Welt zum Dorf wurde.

"Die Grundidee besteht aus zwei Handlungssträngen", sagt Tegetthoff. Der eine erzählt von sechs Erfindungen der Menschheit, die dazu geführt haben, dass die Welt vom Dorf zu großen Städten angewachsen ist und durch die steigende Vernetzung doch wieder zu einem Dorf geworden ist.

"Parallel dazu erzählen wir die Schicksale von sechs Menschen, die durch etwas verbunden sind. Was das ist, lösen wir erst am Schluss auf. Die Bilder, die wir uns ausgedacht haben, sollen nur eine Ergänzung zur Phantasie der Betrachter sein."

Die sichtbare Umsetzung durch die Welser Multimedia-Firma Kraftwerk liegt in den Händen von Markus Beyr, der darin sein schönstes Geburtstagsgeschenk sieht: "Ich bin am 8. September 1971 in Linz zur Welt gekommen. Und am 8. September darf ich hier die Klangwolke visualisieren."

Im Zentrum eines Schiffsverbundes auf der Donau steht ein abstrakt gezeichnetes Dorf, flankiert von zwei 18 mal 13 Meter hohen Leinwänden. Das Feuerwerk wird musikalisch inszeniert, Gebäude in Urfahr, Lentos und Arcotel werden mit Schatten- und Wandprojektionen beworfen und die Urfahraner gebeten, ihren Stadtteil eine Minute in Dunkel zu hüllen.

Die Musik komponieren Thomas Zbornik und Timo Spekkens, zu erwarten ist ein Mix aus großem symphonischen Orchester, japanischen Daiko-Trommlern, den Wiener Sängerknaben und einer internationalen Stimme, die noch geheim bleiben will.

"Six Tales of Time" handelt von Kommunikation. "Märchenerzählen ist die Urform von Kommunikation", sagt Tegetthoff. "In dem Augenblick, in dem Menschen begonnen haben, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, wurde eine Geschichte erzählt. Und was ist eine Geschichte? Der Versuch, etwas, das dem Alltäglichen zum Opfer zu fallen droht, Dinge und Handlungen, die von der Gewohnheit vereinnahmt und zerstört werden, zu retten, indem man dem Alltag, seinen Dingen und Handlungen, Achtung, Aufmerksamkeit und Respekt schenkt - und damit das ursprünglich Wunderbare, das wahrlich Märchenhafte, das allem innewohnt, wieder hervorzuheben."

"Warum verwenden Sie als deutschsprachiger Erzähler einen englischen Titel?", fragten die OÖN. "An sich bin ich gegen Anglizismen und gegen die Verhunzung unserer sehr schönen, poetischen Sprache, aber ,Sechs Geschichten über die Zeit` klingt technischer und holpriger." (beli)

Folke Tegetthoff

Der Computer weiß schon, wie die visualisierte Linzer Klangwolke am 8. September aussieht. Fotos: Brucknerhaus


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