Das Museum als Wirtschaftsfaktor

Wie verloren nehmen sich die Menschengestalten aus, die staunend zum Plafont aus Glas und Stahl hinaufblicken. Bis in 55 Meter Höhe ragt das verglaste Foyer auf. Die Ausstellungsräume gruppieren sich auf drei durch geschwungene Brücken verbundene Ebenen.


Trotz der harten Materialien Stein, Glas, Beton, Titan fließen alle Linien in diesem Gebäude: Die Stege im Inneren, die Zugänge wirken wie Landungsbrücken, die Terasse und die davorliegende Fensterfront wirkt wie der geöffnete Schiffsbauch einer Fähre. Die 33.000 glänzenden, ineinander mit Klammern befestigten Titanplatten der Außenmauern wirken wie Schuppen.

Das Dach / ©Bild: Ursula Burkert
Das Dach / ©Bild: Ursula Burkert

Frank O.Gehry, der amerikanische Architekt, hat diese bemerkenswerten Formen und Räume, die jede Freiheit zur Interpretation lassen, mit Hilfe des Computerprogrammes Catia entwickelt. Dieses Programm stammt von der französischen Firma Dessault und wird üblicherweise für die Konzeption von Flugzeugen und Raketen eingesetzt.

Bewusste Randlage

Viele Besucher, die das Guggenheim Museum das erste Mal sehen, sind nicht nur von der spektakulären Architektur überrascht, sondern auch von seiner Lage: etwas außerhalb des Zentrums, am Rande eines Verschiebebahnhofs, inmitten ehemaliger Industrieanlagen am Bilbaofluss. Mitten durchs Museum führt eine Stahl-Brücke aus den 70er Jahren.

Das ist kein Zufall, erklärt Nerena Abasola vom Organisationsteam des Guggenheim-Museums. Das Museum war entscheidender Teil eines wirtschaftlichen Wiederaufbauplanes für das Baskenland und die Stadt Bilbao, die in den 80er Jahren von der allgemeinen Stahlkrise in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Bürgerprotest

Hier, wo sich jetzt das Museum befindet, war die Industriezone der Stadt mit Fabriken, Schiffswerften und Hafenanlagen. Schon vor knapp 700 Jahren wurde Bilbao als Hafenstadt gegründet. Als Anfang der 90er Jahre die Pläne für die komplette Umgestaltung dieses Bereichs, ein Investitionsvorhaben von 100 Millionen Dollar für ein Kunstprojekt, bekannt wurden, regte sich - für Nerena Abasolo durchaus verständlicher - Protest in der von 24% Arbeitslosikeit belasteten Bevölkerung. Es kam zu Ausschreitungen, die politischen Parteien waren entzweit.

Bürgermeister Inaki Atzuna, Mitglied der PNV, der Nationalistischen Partei des Bakenlandes, und erst seit wenigen Monaten im Amt, erinnert sich an heftige politische Auseinandersetzungen. In Sachen Guggenheim konnte seine Partei, die anfangs als eine der wenigen dieses Projekt unterstütze, schließlich punkten.

Akzeptanz durch Augenschein

Niemand verstand die Regierung, die Baukosten wurden ausschließlich vom Baskenland getragen, die Guggenheim Stiftung wollte lediglich die Werke zur Verfügung stellen. Während des Baus allerdings kam die Wende, erzählt Nerena Abasolo, als nämlich der Bevölkerung gestattet wurde die Baustelle zu besichtigen.

8000 Bewohner nützten diese Chance und bemerkten, dass dieser futuristische Bau kein Fremdköper war, sondern sehr viel mit ihnen und der Geschichte der Stadt und ihrer industriellen Vergangenheit zu tun hatte.

Publikumsmagnet

Diese vielen Anknüpfungspunkte an die eigene Geschichte überzeugten nicht nur die Bewohner der Stadt, sondern auch die vielen Besucher aus Spanien und der ganzen Welt, betont Elvira Etxebarria. Die ehemalige Journalistin hat von Anfang an die Entstehung dieses neuen Stadtteils als Tourismusplanerin begleitet. Alle Erwartungen wurden übertroffen: Man hatte mit etwa 400.000 Besuchern im ersten Jahr gerechnet, mehr als 1,3 Millionen sind gekommen. Das ist, was die Planer den Guggenheim-Effekt bezeichnet haben.

Im Guggenheim-Museum findet gerade ein Wechsel statt: Die Ausstellung des großen alten baskischen Künstlers Eduardo Chillida ist bereits abgebaut, seine Metall- und Steinskulpturen wieder nach San Sebastian gebracht worden. Der zweite Stock wird gerade für eine große Andy Warhol-Retrospektive vorbereitet und anstelle der riesigen Stahlelipsen von Richard Serra wird ab Oktober die New Yorker Erfolgsausstellung "Die Kunst des Motorrades" gezeigt. Zusätzlich ist die ständige Sammlung der Guggenheim-Stiftung zu sehen.

Link:

Guggenheim-Museum Bilbao

Tipp:

Speziell für Ö1 wurde in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsbüro und den Austrian Airlines ein Guggenheim Reise-Zyklus ins Leben gerufen. Detaillierte Informationen zur Bilbao-Reise im Juni erhalten Sie im Verkehrsbüro unter 01/58 800-300, oder via e-mail. Preis für Ö1 Clubmitglieder: ÖS 11.500.- /Einzelzimmerzuschlag ÖS 2.800.-
Normalpreis: 11.890.- / Einzelzimmerzuschlag ÖS 3900.-

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