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Kunstberichte

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Ai eit Nju Joak

Aufzählung (cai) Ich wohne, also bin ich .. . wo daheim. Dass das Wohnen aber nicht unbedingt eine beschauliche, stressfreie Beschäftigung ist, also ein passives Erdulden des Wohnraums, das wissen wir ja spätestens, seit der Kevin allein zu Haus gewesen ist. Es ist eine Extremsportart. Oder eine Kunstrichtung? Im Kunstraum Niederösterreich wandert man quasi durch eine begehbare Definition des Phänomens Wohnen. Wie weit der Drang nach Gemütlichkeit und Stauraum den Menschen so treibt. Kuratorin: Ingeborg Strobl.

Ziemlich lebhaft haust (oder schmaust), wer sich den Glastisch von Christoph Meier in die Küche stellt. Zumindest muss man dauernd das Essen vom Boden kletzeln. Denn die Tischplatte ist dermaßen transparent, alles fällt durch. Okay, sie befindet sich in einem Paralleluniversum. Jedenfalls nicht hier. Im Rahmen ist bloß Luft. Ach nein, das ist keine Luft , das ist Humor. Und was man für eine primitive Heizung hält (rustikal gestapeltes Brennholz von Clemens Kirsch), also für einen Witz, entpuppt sich als martialisches Bauwerk, das für Prinzen und andere Eindringlinge so tödlich sein kann wie die Dornenhecke vom Dornröschenschloss. Weil da Stahlstangerln herausstehen.

"I 8 NY" (sprich: Ai eit Nju Joak): Das Wunschkennzeichen eines Kannibalen? Nein, das steht auf dem T-Shirt vom King Kong. (Die Leute, die er verspeist hat, haben vorher sicher auch wo gewohnt.) Aber natürlich ist ein vier Meter großer, von Steve Reeder gemalter Gorilla viel, viel kleiner als ein vier Meter großer David aus Marmor. Na ja, dafür ist der Gummibaum hier der kolossalste überhaupt. Die innere Größe mein’ ich. Er hat sogar mehr an als Michelangelos David. Weil Regula Dettwiler jedes nackerte Blatt mit einer Spitzenbordüre umrandet hat. Bös, die Hommage ans Spießige. Oh, einen Fernseher gibt’s auch! Was will ein Wohnjunkie wie ich (eine Stubenhockerin) mehr?

Kunstraum NOE
(Herrengasse 13)
Wir wohnen
Bis 13. März
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

I glaub, mi tritt a Kamel!

Aufzählung (cai)Die unbeliebteste Wiener Sehenswürdigkeit ist, hm ... das Umleitungsschild? Ja. Oder eben das Graben. (Äh, nicht der Graben? Nein, der ist ja sehr beliebt.) Tja, bei den Schweizern sind die Löcher im Käs’ , bei uns im Boden. Drum fehlen die Baustellen auch in den satirischen Zeichnungen nicht, in denen Georg Petzer sich ein bissl lustig macht übers Wienerische. Mit jedem seiner dicht von Einfällen bevölkerten Blätter ist der Blick praktisch so lang beschäftigt wie die Zunge mit einem Zuckerl. Den Klimawandel sieht er übrigens recht fatalistisch: Dann ziehen halt statt der Pferderln Fiaker kamele die Kutschen. Petzers Humor verhält sich zu dem vom Deix aber wie ein Wattestäbchen zu einem Presslufthammer. Er ist also gutmütig und kultiviert. Na ja, vielleicht nicht immer ganz stubenrein. Der "Paragraphenscheißer" (wohl eine Kreuzung aus Goldesel und Amtslipizzaner) ist schließlich grad aktiv. Pflatsch!

Galerie Artefakt
(Strauchgasse 2)
Georg Petzer
Bis 11. März
Mo. – Fr.: 13 – 18 Uhr

Wetterfester als Monet

Aufzählung (cai)Ein Aquarell im Freien malen, das kann jeder. Aber unhandliche Kupferplatten in die Natur schleppen und dort energisch zerkratzen, noch dazu im Winter (aha, deshalb " Kalt nadelradierung" - nein), da muss man schon belastbar sein. Und wetterfest. Was sind das eigentlich für komische Mugeln in der dürftigen Landschaft? Heuhaufen? Maulwurfshügel? I wo. Schutthalden, die noch vom Kupferbergbau im Mansfelder Land (früher DDR) übrig sind. Oh, dann drückt Claudia Berg ihre Nadel ja genau in jenes Metall, das mitschuldig am surrealen Aussehen der Gegend ist. Im emphatischen Strich meint man gar den Wind und die klammen Finger zu spüren, und mit der großen Leere des Himmels ergibt das eine packende Melancholie. Seufz.

Galerie Gans
(Kirchberggasse 4)
Claudia Berg
Bis 3. April
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr
Sa.: 12 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 10. März 2010
Online seit: Dienstag, 09. März 2010 17:59:00

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