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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
01. Juli 2009
13:07 MESZ

Untersuchung, Ordnung, Übersiedlung, Kosten

Untersuchung der Kunstwerke: Jedes einzelne der 950.000 Werke aus dem Depot muss einzeln auf Schäden überprüft werden, jedes der 9.000 Behältnisse wird geöffnet und einer Messung der Luftfeuchtigkeit unterzogen. "Alle Kassetten sind feuchter, als sie sein sollen", so Elisabeth Thobois, die Leiterin der Restaurierungsabteilungen. Zu befürchten sind Verwellungen des Papiers, je höher ein Werk innerhalb seiner Kassette gelagert war, desto mehr Feuchtigkeit war es ausgesetzt. Noch über "Wochen und Monate" müssen die Werte künftig immer wieder kontrolliert werden, um Folgeschäden, darunter auch Schimmelbildung, auszuschließen. Ob Sporen von Mikroorganismen auf Kunstwerken bereits aktiviert seien, ließe sich gegenwärtig jedoch noch nicht sagen.  Gleichzeitig sind Luftentfeuchter im Einsatz, um zu verhindern, dass zu viel Feuchtigkeit vom Speicher in die Basteihalle "mitgebracht" wird.

Ordnung der Sammlung: In der Basteihalle, die seit Ende der Rembrandt-Ausstellung am Wochenende vor dem Unglück leer steht, wird ein "möglichst geordnetes" Übergangslager eingerichtet. Derzeit werden Regale eingebaut, die Räume sind nach der alten "Schulordnung" des Albertina-Gründers Albert von Sachsen-Teschen in Schulen, Herkunft und Technik der Werke gegliedert. "Auch in diesen schwierigen Zeiten soll die Sammlung zugänglich bleiben für Forschung und für Leihgaben", erklärte die stellvertretende Direktorin Marie Luise Sternath. Die wichtigsten Werke der Sammlung, wie der "Feldhase" oder die "Betenden Hände" wurden in ein eigenes Depot gebracht.

Übersiedlung in externes Lager: Für Ersatzdepots, in die die Sammlung mittelfristig übersiedeln könnte, hat das Museum "viele Angebote bis nach München" erhalten, wie Schröder lobte. Von der Nationalbank bis zur Nationalbibliothek gibt es mögliche Lagerflächen, Schröder würde am liebsten "die ganze Zeichensammlung in der Albertina behalten" und "so schnell wie möglich wieder den Betrieb im Depot aufnehmen". Dort sollen einige Maßnahmen gesetzt werden, um künftig ein menschliches Eingreifen im Notfall zu ermöglichen. Prinzipiell wird der Speicher aber "nicht infrage gestellt": "Bei Zugriff, Sicherheit und Nutzung bietet er Vorteile, die kein anderes Depot bieten kann."

Ursachenforschung: Am Depot wird unterdessen weiter nach den Gründen für den Wassereintritt geforscht, bisher ist auch die genaue Stelle, an der das Wasser von außen durchdringen konnte, nicht bekannt. Die Bitumenisolierung wird derzeit "maximal vorsichtig" freigelegt, wie Burghauptmann Wolfgang Beer erklärte. Dies könnte noch lange dauern: 1.000 bis 1.200 Quadratmeter der 6.000 Quadratmeter umfassenden Basteifläche liegen über dem Kunstdepot, ein halber Quadratmeter wurde bisher untersucht. Erst wenn der Mangel festgestellt sei, werde man auch wissen, wer für die Ereignisse verantwortlich ist: "Es waren hier sehr viele Firmen am Werk, und sie alle werden am Ende des Tages genau angeschaut werden", so Schröder.

Kosten: "Das Geld darf im Augenblick keine Rolle spielen", betonte Schröder. Beim Krisenmanagement werde nicht gespart, weder mit der Anmietung von Räumlichkeiten, der Installation neuer Notfallsysteme noch der Anstellung zusätzlicher Mitarbeiter. "100-prozentige Rückendeckung" gebe es dafür von Kulturministerin Claudia Schmied. Erst im Anschluss an die notwendigen Maßnahmen wollen Bildungs-, Wirtschafts- und Finanzministerium über die Kostendeckung sprechen. Falls der Fehler gefunden und einer Firma zugeordnet werden kann, könnte deren Versicherung für Folgeschäden aufkommen müssen. Vonseiten der Albertina gibt es weder für die Sammlung, noch für eventuelle Ausfälle im Ausstellungsbetrieb Versicherungen. Dazu soll es aber auch nicht kommen. "Das Herbstprogramm wird wie geplant durchgeführt", versicherte Schröder.

Auch ins MUMOK schwappte schon Wasser

Nur schleppend ging die Räumung der Kunstdepots der Wiener Albertina voran. Vor allem verzögern Ausfälle des automatisierten Roboter-Beschickungs-Systems die Evakuierung. Bereits wenige Minuten waren nach dem Feststellen des Wassereintritts bereits Absaugvorrichtungen in Betrieb genommen worden. Die Gewitterregen vom Wochenende  haben zu keinen neuerlichen Wassereintritten geführt. "Die ausgelegten Planen scheinen das Wasser abzuhalten", sagte Schröder, der daher derzeit von einem Schaden in der Depot-Decke ausgeht, am Montag. Die Albertina hat zwölf Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit dem Problem befassen, und in den betroffenen Abteilungen eine Urlaubssperre erlassen.

Zum Vergleich: Zweimal gab es übrigens bereits wassereinbruchsbedingte Schadensfälle im Museum Moderner Kunst (MUMOK), seit es seinen Neubau im Museumsquartier (MQ) bezogen hat. "2003 trat über einen Schaden im Kanalisationssystem Wasser nach starken Regenfällen ins Depot, die Evakuierung von Kunstwerken folgte als Vorsichtsmaßnahme - man fürchtete hohe Luftfeuchtigkeit", hieß es auf Anfrage. "2008 drang nach einem Unwetter erneut Wasser ins Depot, ohne Folgen für die Werke, daraufhin wurden Bauschäden als Ursache für die Wassereintritte ermittelt und von der MQ Errichtungs- und Betriebsgesellschaft behoben."

Aktivismus zum Abschluss: BZÖ-Kultursprecher Stefan Petzner, zuletzt durch Thesen zu einem "politisch motivierten Attentat" auffällig,  verlangt per Aussendung die sofortige Einsetzung einer Untersuchungskommission und stellte eine parlamentarische Anfrage an die Kulturministerin. "Hier wird seitens der öffentlichen Hand mit unersetzlichen Kunstschätzen und damit auch unschätzbaren Werten der Republik russisches Roulette gespielt. Das ist einer Kulturnation wie Österreich unwürdig." In ihrer Beantwortung stimmte Ministerin Schmied zu, nach der Sicherung der Kunstwerke  sei die Schuldfrage   zu klären. Petzner sieht laut BZÖ-Aussendung "einen ersten Erfolg. Jetzt gilt es den Worten Taten folgen zu lassen. Mein Vorschlag ist die Einsetzung einer Untersuchungskommission, auch hier soll sich die Kulturministerin der BZÖ-Position anschließen, um für objektive Aufklärung zu sorgen". (APA)

 

In der Basteihalle lagern die geretteten Grafiken. Kassetten schützten sie vor dem Wasser: Schröder präsentierte eine - samt falschem Hasen.

 


 

 

 

 


Schröder erläutert bei der Pressekonferenz, wie es dazu kommen konnte, dass ...


 

Durch eigentlich gar nicht geplante Metalldächer, die der Leiter des Facility Managements, Helmut Myslik (hier bei der Pressekonferenz am Mittwoch), über den Regalen hatte einbauen lassen, wurden 120.000 Kunstwerke gerettet, "die sonst sehr leicht schwer beschädigt" hätten werden können - " bis zum Totalschaden", so Schröder. 

 

Myslik hatte die "seltsamen Blechdächer" als zusätzlichen Staubschutz einbauen lassen, "an Wasser hat dabei niemand gedacht", so der Facility-Chef, der sich mit der in Eigeninitiative beauftragten Konstruktion einen Status als Kunst-Retter gesichert hat.

 

Wäre das Wasser nicht von den Spitzdächern in die Zwischenräume der Hochregale abgeleitet worden, wäre es direkt auf und durch die Reihen auf die gesamten 83 untereinander angeordneten Tablare getroffen. Stattdessen sammelte sich das Wasser nun auf dem Boden, von wo es wenige Minuten nach dem ersten Alarm des Frühwarnsystems abgesaugt wurde.

 

Dennoch habe sich die zunächst als Vorsichtsmaßnahme angekündigte Totalevakuierung als Notwendigkeit entpuppt. (APA)


Das Albertina-Depot ist nicht bombensicher
Nach dem Wassereinbruch: Staubschutz-Bleche verhinderten eine Katastrophe

Am 23. Juni drang Wasser in das Depot der Albertina ein. Die Hälfte der 950.000 Kunstwerke wurde bereits evakuiert. Die Schuldfrage ist ungeklärt. Die Burghauptmannschaft lehnte eine bombensichere Decke ab.


Wien - Dass die Betenden Hände von Albrecht Dürer und all die anderen anbetungswürdigen Zeichnungen nicht nass wurden: Dies sei nicht nur ein "kleines Wunder", sondern "so etwas wie ein moderner Gottesbeweis". Klaus Albrecht Schröder, der Direktor der Albertina, gestaltete die Pressekonferenz, zu der er am Mittwoch in den Musensaal lud, als Dankgottesdienst.

Noch einmal rekapitulierte er die dramatischen Ereignisse: Am 23. Juni um 8.51 Uhr meldeten die Leckage-Sensoren im Zentraldepot den Eintritt von Wasser. Wie sich später herausstellte, waren insgesamt 2100 Liter Regenwasser über drei Stellen im Flachdach in das Hochregallager eingedrungen.

Das in die Bastei integrierte Depot wurde von 1999 bis 2003 errichtet und 2006 in Betrieb genommen. Es beherbergte 95 Prozent des Sammlungsbestandes, darunter Meisterwerke von Michelangelo über Klimt bis zu Warhol.

Die Rettung der Preziosen scheiterte zunächst: Die beiden Roboter der vollautomatisierten Anlage fielen um 8.54 Uhr aufgrund eines Kurzschlusses aus, der durch einen Tropfen Wasser ausgelöst worden war. Ab 10 Uhr versuchte man, die ersten Kunstwerke manuell zu retten, was sich als kontraproduktiv herausstellte. Um 12.50 Uhr deckte die Feuerwehr bei strömenden Regen die Bastei mit einer riesigen Plastikplane ab: Von da an drang kein Wasser mehr ins Depot.

Um 15 Uhr endlich konnte mit der Auslagerung der 300 bedeutendsten Kunstwerke begonnen werden. In den vom Wassereintritt betroffenen Sektoren befanden sich insgesamt 120.000 Objekte.

Sie sind längst in der Basteihalle, in der zum Glück derzeit keine Ausstellung läuft, in Sicherheit. Am Mittwoch waren bereits knapp 50 Prozent aller Werke evakuiert. Die Totalräumung wird in rund acht Tagen abgeschlossen sein.

Zu dieser hatte sich Schröder entschlossen, weil die genaue Ursache (und damit die Frage nach der Schuld) noch nicht feststeht. Tatsache ist lediglich, dass das Wasser bei drei der vier Einlassöffnungen in der Decke eindrang. Diese waren in die Betondecke geschnitten worden, um die Roboter implantieren zu können.

Elisabeth Thobois, die Chefrestauratorin der Albertina, versicherte, dass keines der bisher geborgenen Kunstwerke Schaden erlitten hätte. Aufgrund der zu hohen Luftfeuchtigkeit hätten sich Blätter gewellt; die Gefahr von Schimmelbildung sei aber äußerst gering.

Rettende Blechdächer

Dass die größtmögliche Katastrophe derart glimpflich ausging, sei, so Schröder, einer rein "atavistischen Vorsorgemaßnahme" zu verdanken gewesen: Über den Regalen mit den tausenden Kassetten, in denen die Kunstwerke aufbewahrt werden, hatte man ohne logischen Grund - das Depot galt ja als wasser- und staubdicht - Blechdächer montiert. Das Wasser fiel daher nicht direkt auf die Kassetten aus Karton, sondern wurde in die Schächte abgeleitet.

Alfred Weidinger, bis 2007 Vizedirektor der Albertina und als solcher mit den Bauprojekten betraut, sagte dem Standard: "Die Architekten und das Bauunternehmen, die Porr, beteuerten immer wieder, dass die Decke wasserdicht sei. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, sagten sie. Für mich gab es trotzdem ein Restrisiko. Deshalb wies ich an, die Blechdächer zu montieren. Deshalb ließ ich das Leckage-Warnsystem einbauen. Deshalb wurde auch eine Wasserabpumpanlage gekauft."

Dickere Decke abgelehnt 

Weidinger, nun bei der Esterhazy-Privatstiftung, sagt, er sei immer vom Worst-Case-Szenario ausgegangen. "Deshalb habe ich auch eine bombensichere Decke gefordert. Sie wurde aber von der Burghauptmannschaft als Bauherrn aus Kostengründen abgelehnt."

Burghauptmann Wolfgang Beer bestreitet dies nicht. Aber: "Weidinger hat seinen Wunsch nicht schriftlich beantragt." Dieser kontert: "Wir hatten ja kein Mandat, konnten nur Vorschläge machen. Der Wunsch nach einer bombensicheren Decke wurde in Bausitzungen geäußert - und protokolliert."

Errichtet wurde das Depot nach der Ö-Norm für Flachdächer; die Betondecke ist derart stark, dass sie von einem Bergepanzer befahren werden kann. "Eine Autobombe hält die Decke aus", sagt Beer.

Der Standard fragte beim nicht involvierten Architekten Wolfgang Vasko nach. Er sagt: "Die Uno rechnet mit Anschlägen - und definiert daher die Bombenstärke, der zum Beispiel die Uno-City trotzen muss. Mit einer besonders dichten Betonhülle hat man sehr wohl eine gewisse Sicherheit gegen das Eindringen von Wasser." (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.7.2009)

 

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