Gute Ideen darf man kopieren, sagt sich wohl die britische Regierung, selbst wenn sie „vom Kontinent“ stammen. Auf der Insel hat der Kulturminister jetzt angekündigt, eine heimische Version des Europawettbewerbs zur Kulturhauptstadt auszuloben. Die erste Metropole mit britischer Kulturkrone soll sich der Welt schon im Jahr 2011 vorstellen.
Zum Jahreswechsel musste Liverpool den Titel der Kulturhauptstadt wieder abgegeben – jetzt ist Linz an der Reihe, nächstes Jahr folgt das Ruhrgebiet.
Kulturminister Andrew Burnham will nicht warten, bis sein Land in dem EU-weiten Wettbewerb womöglich erst in 20 Jahren erneut die Chance bekommt, sich zu präsentieren. Er glaubt, eine Mini-Varian-te der „britischen Kulturhauptstadt“ könnte Städten die gleichen Vorteile verschaffen wie das etablierte Original: „Durch die landesweite Beachtung als Kulturhauptstadt könnte jede Metropole im Königreich die Möglichkeit erhalten, ihre Kreativität, ihr Talent und ihren Enthusiasmus auf einer nationalen Bühne unter Beweis zu stellen.“
Der Gewinner des Wettbewerbs würde ein zwölfmonatiges Programm aus Show, Kunst und Musik auf die Beine stellen und Prestigeveranstaltungen beherbergen, die bisher ausschließlich in London zu Gast waren. Im Gespräch für eine Rundreise durch die Siegerstädte sind so bereits der Turner Prize, die BAFTA-Filmpreise, der Brit Music Award, die BBC-Kür zum „Sportler des Jahres“ sowie verschiedene Architektur-Lorbeeren. Auch ein erster potenzieller Bewerber hat sich schon gefunden: Das historische Örtchen Durham mit seinen 40.000 Einwohnern hat gestern als Erstes die Hand zur Teilnahme gehoben.
Es ist kein Geheimnis, dass Regierung und Kommunen mit einem solchen Wettbewerb vor allem den Erfolg und die Investitionssummen wiederholen wollen, die Liverpool 2008 angezogen hatte. Die Stadt war unter geringem nationalen Interesse, saftigen Intrigen und harscher Kritik von Steuerzahlern ins Jahr der Kulturhauptstadt gestartet.
Am Ende staunte Großbritannien über Liverpools sanierte Stadtteile, neue Museen und Shopping-Tempel aus Glas und Stahl. 3,5 Millionen Besucher und 200 Millionen Euro Einnahmen im Tourismus – das sind Zahlen, die selbst den nüchternen Zahlenmenschen und Premier Gordon Brown eine Ode auf die Kultur anstimmen lassen.
„Liverpool zeigt uns, was in Zukunft alles erreicht werden kann“, sagte der Staatschef. Er plädierte dafür, die Kunst und Kultur Großbritanniens analog zu Liverpool stärker touristisch zu vermarkten, um die vier Millionen Arbeitsplätze in der Urlaubsbranche zu sichern. Phil Redmond, Vorsitzender und Chefplaner des Kulturjahres in Liverpool, soll daher auch die britischen Kulturhauptstädte organisieren – er, so die Hoffnung vieler Anwärterstädte, könnte die rentabelsten Lektionen aus dem EU-Wettbewerb weitergeben.