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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
16. November 2006
12:38 MEZ
Link: ambafrance-at.org  
Französisches Kulturinstitut in Wien: Demontage oder Umbau?
Heftige Kontroversen - Palais Clam-Gallas wird renoviert, spätere Verwendung offen

Wien - Als der bekannte österreichische Schriftsteller Robert Menasse unlängst erfuhr, er werde zum Ritter des französischen Ordens "Les Arts et Lettres" ernannt, wollte er sich sogleich für einen Französisch-Sprachkurs anmelden. Verblüfft musste er feststellen, dass das Kulturinstitut seine traditionsreichen Kurse im Februar eingestellt hatte. Für Menasse ein katastrophales Signal einer Kulturnation mit desaströsen Auswirkungen. In seiner Dankesrede forderte er als frisch geschlagener Ritter die Wiedereinführung der Kurse und gleichzeitige Inskription von ihm selbst als erster neuer Schüler. Doch für eine Wiederaufnahme der Kurse gibt es keine Hoffnung, im Gegenteil. Auch die Zukunft des Palais Clam-Gallas, des im französischen Besitz befindlichen Sitzes des Kulturinstituts in Wien-Alsergrund, wird derzeit neu überdacht.

"Unwetter" über dem Institut Francais

Seit die französische Tageszeitung "Le Figaro" vor wenigen Tagen von einem "Unwetter" über dem Institut Francais de Vienne berichtet hatte, herrscht wieder Unruhe in der frankophonen Gemeinde der Bundeshauptstadt. Dabei bringt man am Kulturinstitut gerade die Nachwehen der unwürdigen Vorgänge rund um den vor einem Jahr überraschend gefällten Schließungs-Beschluss der allgemeinen Sprachkurse über die Bühne. Damals waren 17 Sprachlehrer gekündigt worden, doch weder wurden dazu vorbereitende und begleitende Gespräche geführt, noch wurden die Kündigungsfristen eingehalten oder das AMS verständigt. Man fand sich vor dem Arbeitsgericht wieder. Mit der den Angestellten zugesprochenen Summe und den Anwaltskosten dürfte man rund 300.000 Euro gezahlt haben, schätzt "Le Figaro". "Das unüberlegte Vorgehen hat öffentliche französische Gelder gekostet", empört sich ein Insider.

Mittlerweile sind die letzten Prozesse ausgefochten, ist ein Sozialplan installiert, mit manchen Professoren hat man sich geeinigt oder ihnen auf anderer Basis eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der nun verstärkt angebotenen Sprachkurse für Spitzenbeamte angeboten, die letzten Kündigungen werden mit Ende November rechtskräftig. So sehr seitens der Lehrer wie der einstigen oder potenziellen Sprachschüler bedauert wird, dass nun weder Kinder noch Gymnasiasten oder Studenten für Kurse ins Haus und so auch mit der französischen Kultur in Berührung kommen werden, so klar ist, dass die Entscheidung endgültig ist. "Die Funktion der Kulturinstitute hat sich einfach in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt", heißt es aus der Botschaft.

Verkauf des Palais?

Das 1834 errichtete Palais Clam-Gallas wird derzeit renoviert. Manche befürchten, es soll bloß hergerichtet werden, um es anschließend besser verkaufen zu können. "Die Renovierung war dringend notwendig und seit Jahren geplant", dementiert der Botschafts-Sprecher. Allerdings würden derzeit sämtliche Zukunftsoptionen geprüft. Eine davon betrifft eine mögliche, zumindest teilweise Zusammenführung der derzeit als "nicht sehr praktisch" empfundenen Zersplitterung von acht in Wien an verschiedenen Standorten vertretenen Dienststellen, doch auch ein möglicher Verkauf ist "nicht ausgeschlossen": "Alles ist offen!" Es gebe allerdings keinen Zeitdruck.

Ein Verkauf des Palais oder eine Schließung für die Öffentlichkeit wäre ein weiterer Schlag für die nach Ansicht mancher ohnedies bereits im Argen liegende Repräsentanz der französischen Kultur in Wien. Neuerdings würden hier "die demokratischen Grundsätze 'liberté, égalité, fraternité' (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) durch 'arrogance, incompétence, indolence' (Arroganz, Inkompetenz, Gleichgültigkeit) ersetzt", formuliert ein besonders scharfzüngiger Kritiker.

Bibliothek mit Lebenszeichen

"Die Sprachkurse und die Bibliothek haben Frankreich immer repräsentiert", so ein anderer, seit vielen Jahrzehnten mit den Verhältnissen Vertrauter, "Das Clam-Gallas muss wieder ein Platz der französischen Kultur werden!" Dass es das zumindest teilweise noch immer ist, demonstriert die Bibliothek des Kulturinstituts mit ihren über 20.000 Bänden und 80 abonnierten Zeitschriften und setzt in der kommenden Woche ein Lebenszeichen: Am Mittwoch (22.11.) werden um 19 Uhr ausgewählte französische Neuerscheinungen des Bücher-Herbstes besprochen, darunter natürlich auch der Gewinner des Prix Goncourt, "Les Bienveillantes" von Jonathan Littell. Interessierte sind herzlich willkommen. (APA)


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