Temporäre Menschenkörperskulptur | |
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Parallel zur Teamwork-Ausstellung
unterhält die Kunsthalle Wien die Reihe "project space" bei der in
temporär genutzten Räumen (die zum Teil noch nicht feststehen)
Performances, Installationen und die unvermeidlichen Events aktuelle
künstlerische Einzelpositionen präsentieren sollen. Kommen Sie nackt
Den Reigen eröffnete der New Yorker Performancekünstler Spencer Tunick,
dessen Methode darin besteht mittels großer Gruppen nackter Menschen
ortsbezogene Installationen im öffentlichen Raum zu entwickeln. Tunick
passt insofern recht gut in den Kontext der Get-Together-Ausstellung, als
seine Installationen nur im Zusammenspiel mit den oft mehr als tausend
freiwilligen DarstellerInnen funktionieren können. 300 "Unverfrorene"
In bitterer Kälte haben sich Sonntag Früh 300 "Unverfrorene" auf dem
Maria Theresienplatz zwischen Kunst- und Naturhistorischen Museum in Wien
ihrer Kleidung entledigt. Für zwei Körperinstallationen unter dem Titel
"New Vienna" legten sich die Freiwilligen nach den Anweisungen des
Fotokünstlers in unterschiedlichen Positionen auf die Straße. "Mich
interessiert der menschliche Körper als Form in Beziehung zum Raum und den
Gebäuden in der Umgebung. Ich ordne Körper zu einer sozialen Skulptur an",
sagte Tunick im Anschluss an die Aktion. Inszenierung der Schutzlosigkeit Neben der Kleidung mussten sie auch Brillen, Schmuck und alle
persönlichen Gegenstände ablegen. "Ich möchte mit dem Körper alleine
arbeiten und alles weglassen, was individuell und identifizierbar ist",
begründetet Tunick. Ihn reizt die Spannung zwischen der Schutzlosigkeit
und Verletzlichkeit des Körpers im Kontrast zu Straße und massiven
Gebäuden. Mit seinen "Nudescapes", Körperlandschaften im öffentlichen
Raum, will er den Blick auf Bauwerke und städtische Situationen
verändern. Flitzer in der U-Bahn "New Vienna" begleitet den Umzug der Kunsthalle Wien, die 2001 den
neuen Standort im Museumsquartier beziehen wird, das zur Zeit als größte
Kulturbaustelle Europas umgestaltet wird. Ausschnitte aus der Performance
werden U-Bahnbenützer in den nächsten Tagen auch auf den Infoscreens in
den Stationen zu sehen bekommen, kündigte Kunsthallenchef Gerald Matt
an. Für die Teilnehmer war es das, was man hier "a Hetz" nennt, zu der sich
im Morgengrauen Hundertschaften versammelt hatten, von denen sich dann die
Hälfte entblößte. Nicht wenigen war in letzter Minute allerdings im wahren
Sinne des Wortes die Schneid eingefroren. Naked States Das größte Projekt Spencer Tunicks war die Fotoserie Naked
States für die er durch alle Staaten der USA gereist ist, um 52 Mal
einzelne Akte oder gleich wogenden Meere nackter Menschenleiber zu
inszenieren - von der Fifth Avenue bis zu aufgelassenen Flugplätzen. Für seine Körper-Landschaftsinstallationen, "Nudespace", ist Tunick in
den USA immer wieder kriminalisiert worden. Zuletzt im Sommer in New York,
wo die Polizei einschritt, als 200 Nackte den Times Square besetzten,
weshalb dem Künstler nun ein gerichtliches Nachspiel droht. Liberales Europa Ganz anders Europa, wo es in Wien wie auch zuletzt in Basel keinerlei
Probleme gab, behördliche Genehmigungen zu erreichen und den Verkehr auf
der Lastenstraße umzuleiten. Den friktionsfreien Umgang mit den Behörden
wusste denn der Künstler nach der Aktion auch zu preisen, der die
Österreicher glücklich nannte, weil hier Kultur so stark unterstützt
werde. Davon, dass europäische Institutionen, wie hier in Wien die
Kunsthalle, seine Arbeit unterstützen, erhofft er sich nun auch
Rückenstärkung in der Auseinandersetzung mit den New Yorker Behörden. Teamwork auf der schiefen Ebene Mit Pornografie - so der Vorwurf, mit dem sich Tunick immer wieder
auseinander setzen muss - hat seine Arbeit nichts zu tun. Eher mit
Desexualisierung. Wenn nackte und damit anonymisierte Menschengruppen
herum dirigiert werden, lässt das Assoziationen an schutzloses
Ausgeliefertsein zu, die der Künstler offenbar auch zulassen will. Denn zu
den (via Megaphon erteilten) Anordnungen an die Teilnehmer gehörte es, nur
ja nicht in die Kamera zu lachen. Die Begriffe Anordnen und
Herumdirigieren will Tunick aber nicht hören, er spricht lieber von
Plazieren oder Positionieren seines künstlerischen Mediums. "Mein Medium
hat Beine", so der Amerikaner. Let´s talk about sex... Die Reihe "project spaces" soll aber noch zwei weitere Veranstaltungen
umfassen - für die auf Grund der prekären Umbausituation im
Museumsquartier noch Räumlichkeiten gesucht werden. Die österreichische Künstlerin Judith Baum hat heuer und im vergangenen
Jahr hundert Männer aus der New Yorker Kunstszene zu fragen der Sexualität
interviewt und wollte zum Beispiel wissen: "Was ist ihre faszinierendste
erotische Phantasie?" oder "Wodurch und wie haben sie bemerkt, dass auch
ihr Vater ein sexuelles Wesen ist?" Ich ist ein anderer Judith Baum ist von der alltäglichen Beobachtung ausgegangen, dass
Männer unter einander selten über ihren Bezug zur Sexualität reden und hat
versucht "auf fremdem Boden" und "als neutrale Person" unter dem Schutz
des Kunstprojekts Männer zum sprechen zu bringen. Unter dem Titel This
other being sollen die tausend Antworten - unter anderem von Mike
Kelly oder Paul Mc Carthy - gegen Ende Oktober in Wien präsentiert werden.
Die Ausstellung war zuvor im Sommer in Bregenz im Rahmen der Reihe "Kunst
in der Stadt" zu sehen. Ein Bild von einem Mann... Den Abschluss der Projekt-Reihe bildet der Fotokünstler Matthias
Herrmann dessen "Text Pieces" erstens Fotografien und zweitens erotische
Selbstdarstellungen sind, die sich als ironischer Umgang mit sexuellen
Rollenbildern herausstellen. Ähnlich der amerikanischen Fotografin Cindy
Sherman schlüpft Herrman immer wieder in neue Rollen, die er aber mit
gefundenen Textzitaten aus unterschiedlichen Medien, wie Mode- und
Lifestilemagazinen oder Texten zur Kunst, Kultur und Sexualität
unterlegt. | ||||||