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Kunstberichte
Christian Dewanger hat mit professionellem Mal- und Zeichenunterricht in Wien eine Marktlücke gefunden

Schnörkellos zeichnen in der Fabrik

Christian Dewanger, Geschäftsführer und Mastermind in der Zeichenfabrik im 15. Bezirk. Foto: zf

Christian Dewanger, Geschäftsführer und Mastermind in der Zeichenfabrik im 15. Bezirk. Foto: zf

Von Konstanze Walther

Aufzählung Wie sich mit bildender Kunst Geld verdienen lässt.
Aufzählung Lehren und lernen in der Zeichenfabrik.

Wien. Als Genie wird man geboren, sagen jene, die darauf warten, dass sie die Muse küsst. Dieser Kuss kann kommen oder nicht. – Nein, Kunst kommt von Können, kontern die Anhänger des Handwerklichen, es heißt Üben, Üben, Üben. Christian Dewanger sieht es pragmatisch: Auch dem begabt Geborenen schadet es nicht, die Grundtechniken der Malerei oder der Zeichnung zu erlernen oder zu vertiefen.

"Beim Dewanger", wie die Künstler sagen, kann man das lehren und lernen. Genauso wie die Radierung, die Renaissance-Malerei, Comics bis hin zum Modedesign – im 15. Wiener Gemeindebezirk, in der Loft-artigen Zeichenfabrik (wo früher das Architekturzentrum West beheimatet war).

Bis dato haben in der Zeichenfabrik 24 verschiedene bildende Künstler unterrichtet, die meisten kommen wieder, wenn es das variierende Kursprogramm erlaubt. Wenn sie nicht gerade "beim Dewanger" sind, arbeitet jeder der Künstler auch sonst in dem jeweiligen Bereich. Manche wollen sich damit ein Zubrot verdienen, manche können von ihrer Kunst zwar leben, freuen sich aber über etwas Struktur und Abwechslung zu dem täglichen Einzelkampf, mit dem sich freischaffende Künstler konfrontiert sehen.

Ein Kurs-Angebot, das es bisher nicht gab

Jene, die zum Lernen in die Zeichenfabrik kommen, teilt Dewanger in zwei große Gruppen ein. Einerseits, gibt es die 18- bis 30-Jährigen, von denen sich viele bei der Bildenden, der Angewandten oder der Grafischen bewerben wollen und ihre Mappe vervollständigen möchten. Die kommen meist nur für ein Semester. Dann heißt es für sie "ab zur Zuchtbullenschau", spielt Dewanger auf die legendär harten und teils undurchschaubaren Kriterien der Akademien an.

Die andere große Gruppe, jene der 40- bis 60-Jährigen, kommt öfter. Manchmal sogar immer wieder zum gleichen Thema, um bei unterschiedlichen Leuten (manche der Dozenten kommen aus dem Ausland und haben schon von daher einen anderen Background) die verschiedenen Herangehensweisen und Blickwinkel zu erlernen.

Für beide Gruppen war das Angebot bisher bescheiden. "Früher gab es nur die typischen VHS-Kurse oder esoterische Persönlichkeitsentwickelungs-Kurse, nach dem Motto ‚Auf der Suche nach den inneren Bildern‘." Dewanger hat mit der angenehm schnörkellosen Zeichenfabrik offenbar eine Marktlücke gefunden. Anders kann man sich den Erfolg der Zeichenfabrik nicht erklären: Der studierte Theaterwissenschafter gründete das Unternehmen Anfang 2009, sein Business-Plan sah vor, in drei Jahren den Break-Even zu schaffen. Doch den hat er sogar schon im letzten Quartal 2010 erreicht.

Im jetzigen Frühling (der Kurs dauert vier Monate) haben sich aufgrund der Mundpropaganda 90 Schüler angemeldet – darunter auch Kinder. "Kinderkurse rentieren sich wegen des verbilligten Preises nur wenig, aber den anzubieten, ist für mich eine Überzeugungssache", erklärt der Vater einer kleinen Tochter. Auf die Idee einer Drehscheibe für Kunstunterricht kam Dewanger über Freunde, die künstlerisch tätig sind. Es gebe doch genug Menschen, die zeichnen und malen lernen wollen, war die Überlegung. Schließlich beschloss Dewanger, es zu versuchen, nachdem er das Pendeln nach St. Pölten in seinem damaligen Verlags-Job satt hatte. "Ich habe die Leute im Zug schon an den Tränensäcken erkannt."

Gründerprogramm beim Arbeitsmarktservice

Er bewarb sich für das Unternehmensgründungsprogramm (UPG) des Arbeitsmarktservice (AMS). Dort begann er, sich mit den Grundbegriffen von Buchhaltung und Rechnungswesen auseinanderzusetzen. "Ich habe mir viele Dinge aneignen müssen, die ich nie gelernt habe. Zum Beispiel mache ich neben dem ganzen Organisatorischen auch die Kurshefte selbst. Ich kümmere mich also um alles, vom Layout bis hin zum Riesen-Pakete-auf-die-Post-Tragen", erzählt Dewanger.

Die Firmengründung sei ihm "überraschend einfach" gemacht worden, die einzige Bedingung war, privat das notwendige Geld aufzustellen. "Jeder, der heute eine Firma gründet, muss das Geld irgendwie haben. Bei der Bank wäre man Ende 2008 mit Kreditansuchen gegen die Wand gelaufen. Das war auch der Tenor im UGP, dass man sich Kredite abschminken kann", meint Dewanger.

Inzwischen denkt Dewanger sogar über Zweigstellen in Salzburg oder Berlin nach. "In Salzburg wäre das Interesse jedenfalls vorhanden. Da kommen die Leute sogar zu den Blockveranstaltungen im Sommer nach Wien. Die Herausforderung ist nur, adäquate Dozenten vor Ort zu finden."

Website Zeichenfabrik

Veranstaltungshinweis: Am Samstag, den 9. April feiert das Kunst Haus Wien sein 20-jähriges Bestehen. In Kooperation mit der Zeichenfabrik werden unter anderem kostenlose Workshops für Kinder angeboten.

 

Printausgabe vom Freitag, 08. April 2011
Online seit: Donnerstag, 07. April 2011 18:01:00

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