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Kunstberichte
Münchner Haus der Kunst zeigt Gerhard Richters abstrakte Bilder

Eine Partitur des Sehens

Der deutsche Maler Gerhard Richter, 77, wird der "Picasso des 21. Jahrhunderts" genannt. Im Bild ein Ausschnitt aus "Wald" 2005. Foto: Gerhard Richter

Der deutsche Maler Gerhard Richter, 77, wird der "Picasso des 21. Jahrhunderts" genannt. Im Bild ein Ausschnitt aus "Wald" 2005. Foto: Gerhard Richter

Von Bettina Louise Haase

Aufzählung Gesprenkeltes Sonnengelb auf tiefblauem Hintergrund, dazwischen Streifen und Schlieren, es scheint, als ob die Farben miteinander einen Kampf austragen.

Das Bild "Claudius" von Gerhard Richter, Blickfang und erstes monumentales Gemälde im Entrée der Ausstellung "Abstrakte Bilder", die das Münchener Haus der Kunst noch bis Mitte Mai zeigt, entreißt den Betrachter aus der Realität und führt ihn in eine eigene Welt. "Mir scheint, als ob hier die Helligkeit gegen die Dunkelheit kämpft, als ob sich das Gute gegen das Böse behaupten will", so eine Kuratorin über Richters Bild. Er selbst entzieht sich bei Nachfragen einer eindeutigen Interpretation und spricht nur davon, dass er am Anfang seines Schaffensprozesses nicht weiß, was an Ende dabei herauskommt.

Kunst und Musik

Seit den 70er Jahren malt Gerhard Richter, Jahrgang 1932, abstrakte Bilder. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin zeigt das Haus der Kunst nun erstmals nur diese Werkgruppe. Rund 60 Bilder sind zu sehen, die zumeist in Gruppen gehängt sind. Darunter ist auch die Serie "Wald" von 2005, die zum ersten Mal in Europa gezeigt wird.

Immer wieder zieht Richter in Interviews Parallelen zwischen seinen abstrakten Bildern und Musik. Nicht nur die Namen seiner Gemäldegruppen wie "Bach" und "Cage", Bezug nehmend auf den Komponisten John Cage, zeigen, dass der Maler selbst seine Kunst als eine Art musikalische Komposition betrachtet. Seine Bilder erscheinen wie Fenster in eine andere Welt, in der Farbharmonie, rhythmische Strukturen und dadurch ausgelöste Emotionen eine besonders starke Rolle spielen.

Mit der Serie "Bach" beispielsweise gibt Gerhard Richter seiner Werkgruppe von vier großformatigen abstrakten Gemälden eine beabsichtigte Doppeldeutigkeit. Einerseits lassen die von Richter in Schwerstarbeit aufgetragenen und wieder abgespachtelten Farbschichten eine Assoziation zu einer Landschaft zu, in der tatsächlich eine Art von Fluss zu fließen scheint.

Andererseits ist es eher die Empfindung der Farbharmonie und der fließenden Wiederholungen, die eine Assoziation zu einem gelungenen Musikstück oder zu einem Blick in die Natur zulässt.

Auch die Bilder der Serie "Wald" provozieren beim Betrachter eher Stimmungen als eine konkrete Wahrnehmung. Das führt jedoch soweit, dass man beginnt, sich diesen virtuellen Wald als Landschaft vorzustellen, in der man sich bewegen könnte.

Reizvoll an Richters abstrakten Bildern ist, dass er ohne Vorlagen, nur mit Spachtel, Rakeln und Pinseln Farbflächen aufträgt, wieder abkratzt, die zum Schluss ein vollkommenes Gemälde mit Struktur, Inhalt und Tiefe ergeben – und das, wie er selber sagt, nur durch Willkür, Einfall und Zerstörung.

Aufzählung Ausstellung

Gerhard Richter:

Abstrakte Bilder München: Haus der Kunst, bis 17.Mai

Printausgabe vom Mittwoch, 15. April 2009

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