Man kann es kaum glauben: Obwohl es seit
Jahrzehnten gerade die Italiener sind, die scharenweise nach Wien
pilgern, um hier begeistert die Architektur der Jahre vor dem Ersten
Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit zu besichtigen, gab es bis jetzt
in ihrem eigenen Land noch keine Ausstellung über einen der wichtigsten
österreichischen Architekten dieses Zeitraumes – über Adolf Loos.
Eine große Schau in der Galleria Nazionale
d'Arte Moderna in Rom bietet nun die erste italienische Dokumentation
der Arbeit von Adolf Loos.
Das Werk Loos’ (1870-1933) ist für die Architekturgeschichte von
grundlegender Bedeutung – nicht nur der Bauwerke wegen, die von dem
Architekten verwirklicht werden konnten, sondern auch dank seiner
Kompromisslosigkeit als Verfechter eines Architekturverständnisses, das
die radikale Vereinfachung der Formen zum Ziel hatte. Loos führte eine
beträchtliche Zahl von Werken aus, zum Großteil solche kleineren
Ausmaßes, die unter den zeitgenössischen Architekten sehr schnell große
Bekanntheit erlangen sollten und die noch nachhaltiger die Werke der
folgenden Generationen beeinflussten. Loos gründete ein neues
Architekturverständnis, das der handwerklichen und der formalen
Qualität des Werkes gleiche Bedeutung zumaß. Der Verzicht auf jeden
überflüssigen Formalismus wurde für ihn gleichermaßen zum
Beurteilungskriterium wie zur konkreten Vorgangsweise.
Die Ausstellung ist in sieben Sektionen gegliedert, die eine
umfassende Auswahl von Entwürfen und Bauten des österreichischen
Architekten dem italienischen Publikum vorstellt. Damit werden die
wesentlichen Entwicklungsstufen seiner Arbeit nachvollzogen.
Porträts und Plakate
Mit Hilfe eigenhändiger Zeichnungen, zeitgenössischer Fotografien
sowie von Modellen und Einrichtungsgegenständen können die
bedeutendsten Arbeiten miteinander verglichen und die wichtigsten
Schritte eines großen und vielseitigen Œuvres nachvollzogen werden. In
der ersten Abteilung der Ausstellung werden die wichtigsten Etappen der
Biografie von Loos dargestellt.
Die Auswahl umfasst Porträts, Titelblätter der wichtigsten
Publikationen und Plakate für die zahllosen Vorträge, mit denen Loos
öffentliche Diskussionen in Wien und in anderen bedeutenden Städten
Europas entzündete.
In der zweiten Ausstellungssektion werden mit seinen Entwürfen für
den Chicago Tribune Tower, für das Rathaus in Mexiko-Stadt und für das
Grand Hotel Babylon in Nizza drei Ikonen der Architektur des 20.
Jahrhunderts vorgestellt.
Im folgenden Abschnitt zeigt die Schau Loos' Vorschläge für die
Hauptstadt des habsburgischen Kaiserreiches – darunter auch das heute
weltberühmte Geschäftshaus Goldman & Salatsch am Michaelerplatz.
Innenräume
Eine weitere Sektion widmet sich den "Innenräumen einer Metropole".
Geschäfte und Lokale, darunter das Geschäftslokal für den Hofschneider
Kni ž e und das Café Museum, lassen die Entwicklungsstufen seines
Gesamtwerkes verfolgen, mit denen er die künftigen Vorstellungen von
Inneneinrichtungen nachhaltig prägte.
Loos lieferte aber auch Lösungen für den Wiener Wohnbau der Ersten
Republik. Seine beiden Doppelwohnhäuser in der Wiener Werkbundsiedlung
sind heute Anziehungspunkt für Architekturinteressierte aus aller Welt.
Außerdem befasste sich Loos mit der Reform des Alltäglichen und
schuf Wohnräume und Gebrauchsgegenstände. Dabei vertrat er aber die
Meinung, dass Gegenstände des täglichen Gebrauchs nicht unbedingt
ständig neu zu entwerfen seien, sondern auch jene aus laufenden
Firmenproduktionen verwendet werden können, sobald sie den
verschiedenen Gegebenheiten angepasst sind.
Im letzten Teil der Schau werden seine Errungenschaften des
Raumplanes (eine Wortschöpfung seines Schülers und Mitarbeiters
Heinrich Kulka) bei Einfamilienhäusern gezeigt. Der "Raumplan" ist
einer der Gründe für den unumstrittenen Ruhm des Architekten. Eine
große Variationsbreite für die Gestaltung der Innenräume ging dabei
immer Hand in Hand mit einer strengen Vereinfachung des Äußeren.
Kombinationen
Die freie Kombinationsmöglichkeit von Räumen wurde durch selbst
geschaffene Grenzen eingeschränkt. Beispiele dafür sind die Villen
Steiner, Moller und Rufer in Wien, das Haus Tristan Tzara in Paris und
die Villa Müller in Prag sowie das Landhaus Khuner auf dem Kreuzberg
beim Semmering.
Die entscheidende Rolle bei der Verwirklichung dieses
Ausstellungsvorhabens spielte das Österreichische Historische Institut
in Rom, wobei Ausstellungskonzept, wissenschaftliche Koordination und
Organisation in den Händen des Direktors dieses Instituts, Richard
Bösel, lag. Unterstützt wurde er dabei von dem jungen, in Venedig
tätigen Architekturspezialisten Vitale Zanchettin und der Albertina in
Wien, welche den Löwenanteil der Exponate aus ihrem Adolf-Loos-Archiv
zur Verfügung stellte.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter italienischsprachiger Katalog von ca. 350 Seiten Umfang bei Electa.
Adolf Loos
Galleria Nazionale d'Arte Moderna
Zu sehen von 7. Dezember 2006 bis 11. Februar 2007
Eintrittspreis: 9 Euro
Hervorragender Überblick über die Arbeit von Loos.
Donnerstag, 14. Dezember 2006