Nitsch: Keine aktionistische Schändung, denn heute ist vieles anders
"Lob ist etwas ganz wichtiges", zeigte sich Nitsch über die Ehrenmedaille erfreut. Als Oskar Kokoschka mit 75 Jahren die gleiche Auszeichnung bekommen habe, sei er sehr unzufrieden über dessen Aussage, "nun schließen wir (Kokoschka und die Stadt Wien Anm.) endlich Frieden", gewesen, so Nitsch. Er habe sich damals gedacht, falls er die Auszeichnung einmal erhalten sollte, werde er sie annehmen und dann "durch eine aktionistische Tätigkeit schänden, die er nicht näher benennen möchte", meinte Nitsch. Heute sei aber vieles anders.
Mailath-Pokorny: "Stadt steht zu dem, was du tust"
In seiner Laudatio hob Mailath-Pokorny hervor, dass es nur wenige Wiener Künstler gebe, die so nachhaltig die Kunstgeschichte und die nachfolgenden Kunstgenerationen beeinflusst hätten, aber auch derartigen Verleumdungen ausgesetzt seien wie Nitsch. Nitsch habe aber trotz böswilliger Unterstellungen und Missverständnissen konsequent an seinem Weg festgehalten, betonte Mailath-Pokorny. Die Auszeichnung sei ein "Signal, dass die Stadt zu dem steht, was du tust", wandte er sich direkt an den Künstler.
Durchbruch 1966
Der am 29. August 1938 geborene Gesamtkünstler Nitsch verfolgte seit 1957 konsequent die Idee eines als Gesamtkunstwerk konzipierten Daseinsfestes - das so genannte Orgien-Mysterien Theater (O.M. Theater). Den internationalen Durchbruch brachte 1966 eine Einladung für Nitsch, Günter Brus und Otto Mühl nach London zum "Destruction in Art Symposium".
Nitsch arbeitete von 1989 bis 2003 als Professor an der Frankfurter Städelschule und beschäftigte sich im Spannungsfeld von christlicher Liturgie und griechischer Mythologie vor allem mit den Themenmotiven Tod und Geburt. Er gilt als Nestor der Wiener Aktionisten und war wiederholt Teilnehmer der documenta in Kassel. Daneben gestaltete er Aktionen und Ausstellungen in Los Angeles, Vancouver, Berlin, München, Paris, Mailand, Bologna, Florenz, Triest, Eindhoven und Zürich.
Kritik von der Wiener FPÖ
Die Kultursprecherin der Wiener Freiheitlichen, Heidemarie Unterreiner, kritisierte die Ehrenbekundung. Hermann Nitsch habe sich einen Namen gemacht, indem er mit den Stilmittel der Provokation religiöse, ethische und moralische Werte der österreichischen Kultur pervertiere und diese Provokation zur Kunst erkläre, so Unterreiner in einer Aussendung. (APA)