Der echt deutsche Zeichner
Markus Lüpertz. Die Albertina präsentiert Arbeiten auf Papier aus drei Jahrzehnten.
ERNST P. STROBL Wien (SN). Abgesehen von Paola Pivis umgedrehtem Hubschrauber 2006 auf dem Residenzplatz war es sicher die Mozartskulptur von Markus Lüpertz vor der Markuskirche, welche in den vergangenen Jahren die Abwehrkräfte einzelner Salzburger Bürger gegen zeitgenössische Kunst am meisten aktiviert hat. Überraschung war es jedenfalls keine, was Lüpertz in Salzburg aufstellte, bei genauerer Kenntnis des Oeuvres war die bemalte Skulptur mit dem berühmten Namen eine Variation von Vorhergegangenem. Auch im zeichnerischen Werk gibt es Wiederholungen und Variationen, das zeigt eine Ausstellung in der Albertina anschaulich. Unter dem pompösen Titel „Metamorphosen der Weltgeschichte“ wird ab heute, Mittwoch, eine repräsentative Auswahl von rund 100 Arbeiten aus drei Jahrzehnten gezeigt, dazu sieben kleine Skulpturen, sogenannte Bozzetti, die in Zusammenhang mit der Skulptur „Daphne“ entstanden sind, welche 2008 vor der Antikensammlung in München Platz gefunden hat.
Markus Lüpertz, der sich nicht ungern als Genie darstellt und stets perfekt dandyhaft gekleidet erscheint – vielleicht eine Spätfolge aus der kargen Zeit, da er sich im Kohlebergbau unter Tage seinen Lebensunterhalt verdient hatte –, zählt gewiss zu den bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten Deutschlands. Der 1941 im nordböhmischen Liberec geborene, nach dem Krieg mit seinen Eltern ins Rheinland geflüchtete Lüpertz machte oft Furore und erntete auch Protest, auch mit heute „harmlosen“ Bildern wie den „Deutschen Motiven“. Anfangs zwischen Pop-Art und Expressionismus schwankend, entwickelte Lüpertz mit seiner „Dithyrambischen Malerei“ in den 1960er-Jahren seine eigene Form von Ab-straktion, ohne wirklich abstrakt zu malen oder zu zeichnen. Wenn Lüpertz als „deutsche“ Motive Stahlhelme oder Militärkappen in Stillleben einband, erntete er Widerspruch, eine „Ähre“ oder eine „Bauernhand“, Gewehre oder Fahnen bilden ebenfalls eine Auseinandersetzung mit speziell deutschem Nationalpathos.
Kolossale figurative Gouachen („Dämmerung“, „Die Nacht“, „Der Abend“) erinnern an das Kunstverständnis in unseligen Zeiten, „Schwarz-Rot-Gold“ mit Helm und Kanonenrädern ist natürlich Grauschwarz und Blau. Wenn deutsche Kinder eine Landschaft betrachten, entsteht statt der treudeutschen Idylle eine Art unheimlicher Anspannung.
„Ich brauche nur irgendwo eine Skulptur hinzustellen, und schon geht’s los – sie wird bestenfalls verbal abgelehnt, schlimmstenfalls geköpft, geteert und gefedert“, sagt Lüpertz aus leidvoller Erfahrung. Die Bozzetti mit der Verwandlung der Nymphe Daphne in einen Baum sind Kunstwerke, die auf Anhieb Sympathie wecken (11. März bis 6. Juni). www.albertina.at