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Eine Stimme der Beduinen

12.05.2008 | 18:15 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Tal Adler, Co-Kurator der Essl-Schau „overlapping voices“, setzt sich mit Kunst für Beduinen ein.

Die am Donnerstag eröffnende Ausstellung „overlapping voices“ im Essl Museum beschränkt sich nicht auf Bilder, Skulpturen, Videos, Installationen von Künstlern mit israelischem und palästinensischen Hintergrund. Dem Umstand verpflichtet, dass die meisten der 22 Künstler sich auch als Aktivisten im gesellschaftlichen und kulturellen Leben verstehen, wurden auch vier „Utopia-Projekte“ initiiert. In künstlerischer Zusammenarbeit mit NGOs sollen so Visionen für ein „vertieftes Verständnis der Region“ erarbeitet und bei einem Symposium vorgestellt werden.

Bereits im Vorfeld stellt die „Presse“ alle vier Utopia-Projekte vor, beginnend mit dem des israelischen Fotokünstlers Tal Adler, der auch als einer von vier Kuratoren die ganze Ausstellung vorbereitet hat. Wobei man bei dem durchaus brisanten Unterfangen eines nie vergessen soll, was auch Tal Adler betont: „Wir sind kein Friedensprojekt, es geht nicht um Koexistenz und Kooperation. Wir wollen niemanden manipulieren, sondern persönliche Standpunkte zeigen.“ Also einzelne, divergierende, sich überlappende Stimmen.

Tal Adler benützt seine Stimme seit gut fünf Jahren dafür, eine Minderheit in Israel bei ihrem Kampf um mehr Rechte zu unterstützen, die Beduinen, die seit Generationen in der Wüste Negev leben und in Dörfern sesshaft geworden sind. Die vom Staat Israel nicht anerkannten Barackensiedlungen – einige wurden es bereits – sind mit mangelnder Infrastruktur ausgerüstet und werden teils auch zerstört. Aufgrund der Armut, erzählt Adler, herrscht hohe Kriminalität.

Die Beduinen sind muslimische Araber, die zum israelischen Militär gehen können oder auch nicht, manche verstehen sich als Israeli, andere als Palästinenser – was schon einen Eindruck des Problems der komplizierten Identitäten in Israel gibt, das in der Ausstellung bewusster gemacht werden soll.

2003 bot Adler den Beduinen seine Unterstützung an, es dauerte lang, bis er ihr Vertrauen gewann. Schließlich fotografierte er mit einer Großformatkamera ausgewählte Personen stellvertretend für je ein Beduinen-Dorf und schrieb ihre Geschichte auf. In dieser Kombination tourten Bilder und Texte seit 2006 als Wanderausstellung „unrecognised“ durch Israel, L.A., Tallinn. Wobei Adler sich zur Einpersonen-NGO entwickelte, als Journalist, Aktivist, Anthropologe, Künstler gleichzeitig arbeite, erzählt er. Erfolg definiert er damit, viele Leute mit den Anliegen der Beduinen zu erreichen. Das habe er versprochen. Ein Ende von „unrecognised“ ist nicht absehbar. Wobei sich Adler ursprünglich nur ein halbes Jahr damit beschäftigen wollte. Im Essl Museum wird ein Teil der Wanderausstellung zu sehen sein, im Herbst ist ein Panel mit Beduinen-Vertretern geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2008)


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