Darf man das?

Die Übermalung von Goya-Drucken der Brüder Chapman sorgt für Diskussionen in der britischen Kunstszene.


Das Brüderpaar Dinos und Jake Chapman war schon immer für Aufregung gut. Gemeinsam mit den Künstlern Damien Hirst und Tracey Emin gehören sie zu "Young British Artists", die die Presse und "Tate Modern"-Besucher begeisterten und spalteten.

Jetzt hat das Brüderpaar Goyas berühmte Druckserie "Schrecken des Krieges" (1810) mit Clowns-, Affen - und Hundemasken im Comic-Stil versehen. Goya schuf die 80-teilige Druckgrafikserie anlässlich des spanisch-französischen Kriegs, in dem Napoleon seinen Bruder Joseph den Thron sichern wollte. Ein blutiger Bürgerkrieg, gepaart mit den Schrecken der Inquisition, war die Folge. Goyas Serie wurde erst Jahrzehnte nach seinem Tod (1863) veröffentlich, da sie als zu antiklerikal und anstößig galt.

Kontroverse

Nun erregen die Brüder Chapman, indem sie Goya zitieren und nach eigenen Angaben dessen Gräueldarstellung steigern wollten, Aufsehen. Sie lösten damit die Kontroverse aus, die beabsichtigt ist. Kunsthistoriker und Kritiker diskutieren, ob es sich dabei um Vandalismus oder Kunst handelt.

Pressestimmen

Die Zeitung "The Guardian" meinte in einem Kommentar, die Entstellung von Kunstwerken sei eines der letzten Tabus des liberalen, Brit-Art-liebenden "Tate-Modern"-Publikums. Doch Jonathan Jones, der Kunstkritiker des Blattes, ist voll des Lobes. Er findet, die Übermalungen hätten die Drastik der Goyaschen Blätter noch gesteigert. Der australische Kritiker und Goya-Experte Robert Hughes vertritt die Auffassung, dass der Meister "diese Heinis, deren Namen in ein paar Jahren vergessen sein werden, überleben wird".

Der eher konservative Kunstkritiker des Londoner "Evening Standard", Brian Sewell, billigt die Arbeit der Chapmans: "Mit diesen Figuren, die aussehen, als trügen sie Gasmasken, transferieren sie die Schrecken des Krieges in die Gegenwart."

Gemilderter Tabubruch

Es ist wohl eine prinzipielle Frage, ob es legitim ist, Arbeiten eines Künstlers zu übermalen. Da es sich hier aber um Druckgrafiken handelt, wo die Platten erhalten sind und jederzeit Abzüge gemacht werden können, ist der Tabubruch wohl nicht gar so groß. Vor zwei Jahren erwarben die Brüder Chapman die 1937 gefertigten Druckplatten.

Die Wahl Goyas

Pikant und treffend ist, dass sich die beiden Künstler Goya aussuchten, dessen Liberalität und Antikriegsposition seine künstlerische Arbeit prägte.

Als einer der Ersten zeigte Goya den Krieg ohne verherrlichende Romantik, Ritterlichkeit und Idealismus. Die Chapmans, Gegner des Irak-Kriegs, sind der Meinung: Es liege noch immer zuviel "Vergnügen" in Goyas Darstellung.

Agent Provocateur

Die Brüder wenden sich seit Jahren gegen das moralische Regime der Political Correctness. Lieber würden sie als banale Antihumanisten verachtet, als zu schweigen.

Ziel der Attacke seien Leute wie sie selber, die Kunstgalerien durchstreifen und Small-Talk üben. Diese Position mag kokett oder selbstironisch klingen, sichert den Chapmans aber jedenfalls Interessenten und Spitzenkäufer wie die Saatchi Collection.

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