Bregenz (VN-cd) Die Präsenz der Menschen trotz Abwesenheit ist
eine zentrale Frage im Schaffen des Vorarlberger Fotokünstlers Arno
Gisinger. Seine jüngsten Arbeiten werden nun im Pariser Louvre
gezeigt.
VN: Es war ein Auftrag, der Sie nach Südindien führte. Waren die
Aufgaben klar vorgegeben?
Gisinger: Es war eine Initiative des Forschungsinstituts. Robert
Dulau hat eine Dissertation über das südindische Haus geschrieben
und mich angesprochen. Es ging in eine unbekannte, abseits gelegene
Gegend südlich von Madras und um die Frage, was mit Dingen, mit
einer bestimmten Architektur passiert ist.
VN: Ich nehme an, dass es nicht einfach war, überhaupt in die
Häuser hineinzukommen.
Gisinger: Ohne offizielle Begleitung wäre es unmöglich gewesen,
denn es gibt in Indien eine komplexe Regelung was den öffentlichen
und den privaten Raum betrifft.
VN: Wie muss ich mir Ihre Ausrüstung vorstellen?
Gisinger: Die technische Ausrüstung gleicht einer Kamera aus dem
19. Jahrhundert. Die Bilder werden bei langer Belichtungszeit
gemacht, was mir für die Thematik und die Perfektion in diesem
Bereich sehr wichtig war. Die Aufgehobenheit der Zeit ist zudem
wesentlich.
VN: Zu welcher Tageszeit haben Sie fotografiert?
Gisinger: Die Außenaufnahmen sind alle am Tagesrand, also bei
Sonnenauf- und Sonnenuntergang entstanden, die Innenaufnahmen bei
grellem Tageslicht. Draußen war mir das feine, weiche Licht sehr
wichtig. Es ist fast eine malerische Tätigkeit.
VN: Aus welcher Zeit stammen diese Paläste, basiert die
Architektur auf einer Tradition?
Gisinger: Die meisten wurden etwa zwischen 1850 und 1950
errichtet. Zwei Linien machen sich bemerkbar, das traditionelle
indische Haus und der europäische Einfluss durch die Kolonialzeit.
Die Mischung aus Tradition und Eklektizismus ist einmalig.
VN: Die meisten sind ja nicht mehr bewohnt.
Gisinger: Die noch bewohnt sind, sind in der Minderzahl. Das
hängt damit zusammen, dass die Familien mit den englischen
Kolonialherren Geschäfte machten und sich nun zurückgezogen haben.
VN: Das Thema Armut ist ein schwieriges, welche Erfahrungen haben
Sie gemacht?
Gisinger: Für europäische Verhältnisse ist es eine sehr arme
Gegend, es gibt aber Landwirtschaft.
VN: In Indien war es ein spezielles Thema, aber auch sonst fällt
in Ihrer Arbeit die Abwesenheit der Menschen auf.
Gisinger: Es ging mir bei diesem Projekt auch darum, von
Indienklischees wegzukommen. Die Präsenz der Menschen trotz
Abwesenheit ist aber eine zentrale Frage in meinem Schaffen.