Extremsportart Kunst
Von Claudia Aigner
Hätte Rotkäppchen damals eine so hohe Arbeitsmoral gehabt wie
Danica Phelps heute (die mit geradezu briefträgerischer Sturheit
beharrlich nicht vom Weg abkommt), dann wäre es . . . na ja,
wahrscheinlich trotzdem vom Wolf gefressen worden - früher oder später.
Aber die Jause wäre bei der Großmutter vorher immerhin pünktlich
angekommen. Daraus geht nun unmissverständlich hervor, dass die
werbestrategisch ungünstig formulierte (natürlich fiktive) Aufforderung
eines fiktiven Esslokals "Nutzen Sie auch unseren Rotkäppchen-Service"
wohl nur unerschütterlich gleichmütige Fatalisten dazu animieren dürfte,
die Hauszustellung in Anspruch zu nehmen (und womöglich eher vom bösen
Wolf genachtmahlt zu werden, bevor die Botin, die es mit der Geografie
eventuell nicht so genau nimmt, endlich mit der Bestellung daherkommt).
Egal. Danica Phelps hat ohnedies keine Mitbringsel dabei, wenn sie
kaltblütig von 9 bis 17 Uhr immer geradeaus marschiert, mehrere Tage
hintereinander, immer vom Stadtzentrum aus, zum Beispiel vom
Stephansplatz, und immer in eine andere Richtung. Um mittels der zwei
Marathonorgane an die Grenzen jener Welt zu stoßen, die mit einer
geregelten Arbeitszeit zu bewältigen ist. Hat dabei aber keine
James-Cook-Allüren, sondern bewegt sich auf bekannten Routen (heraus aus
dem geheimnisvollen Südland diesseits vom Donaukanal, der terra australis
namens "Innere Stadt"). Um 17 Uhr springt sie dann auf den öffentlichen
Verkehr auf, etwa in der Wildnis von Breitenfurt, und fährt heim. Ihr
jeweiliges Tagwerk dokumentiert die "Fortbewegungsextremistin"
fotografisch. Da durchquert sie unter anderem den Flughafen Schwechat und
ignoriert provokant jede Mitfluggelegenheit, also jede Möglichkeit, sich
mit einem Flugzeug Erleichterung zu verschaffen. Eine subjektive Form der
Landvermessung, um das Phänomen Stadt wieder auf ein menschliches Maß zu
bringen. Entwaffnend konsequent. In Amsterdam hätte sie übrigens nach acht
Stunden schon beginnen können, nach England zu schwimmen. Aber der
Dienstschluss hat sie anscheinend in letzter Sekunde gerettet. Zwei
weitere Fußgänger (ach ja: bis 5. Juli beim Winter, Breite Gasse 17):
Michael Höpfner sammelt in Tibet mit dem Fotoapparat Bodenproben und
Catherine Bagnall akklimatisiert sich mit ihren Kleidern in Neuseeland.
Erschienen am: 30.06.2003 |
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