Salzburger Nachrichten am 12. Februar 2003 - Bereich: kultur
Nicht nur liebe Grüße

"Sight.Seeing": Graz auf Postkarten-Bildern

GRAZ (SN).

Lieblich inszenierte Gruppenbilder mit beschränkter Aussagekraft sind nicht zu erwarten, wenn man 20 Kunstschaffende aus Europa, Kanada, USA und Mexiko einlädt, um "neue Bilder der Stadt anzufertigen", Bilder, die im öffentlichen Raum platziert werden und einen Dialog zwischen Foto und Umraum erlauben sollen. "Sight.Seeing", die "4. Österreichische Triennale zur Fotografie", meidet die überbelegten Kunsträume der Kulturhauptstadt Europas.

Vergrößerte "Ansichtskarten" als - oftmals zurückhaltende - Irritationen im öffentlichen Raum: wer seinen Blick auf die kulturhauptstädtischen Attraktionen konzentriert, kann die auf Toilettenanlagen, in Parks, Gasthäusern, Supermärkten oder Auslagen affichierten Arbeiten leicht übersehen. Erst Tage nach dem Abklingen der "Graz 2003"-Mobilmachung und einer wahlkampfbedingten Bilderflut im Stadtgefüge wurden die Statements sichtbarer. Das "Freundschaftsbild" von sozialen Außenseitern am Bahnhofsvorplatz (Sabine Groß), das auf markante Symbole reduzierte christlichbürgerliche Weltbild im Rotlichtmilieu (FA+), die ironische Kritik an der rotweiß-roten Migrationspolitik (Minerva Cuevas) oder die bullige Sightseeing-Störung von Edwin Zwakman vor dem "Lichtschwert".

Die Kunst-Streuung in belebte Orte des Alltags mag nicht neu sein, in einigen Fällen geht das von Werner Fenz erstellte Konzept auf. Wenn Ken Lum etwa im Rathaus die private Rezeption der (veröffentlichten) Repräsentation thematisiert, Roman Ondak an der Brüstung des Sitzes von Bürgermeister Alfred Stingl einen Orientteppich auslüften lässt oder Martin Parr sein melancholisches Einkaufswagen-Gruppenbild mit betagter Dame in den Katakomben des Konsumtempels aussetzt.

Formal wie inhaltlich interessant: die in eine Bierdeckel-Edition gemündete Arbeitswelt-Recherche von Johanna und Helmut Kandl: das Bild einer Marktfrau, ergänzt mit dem Satz "Manche Manager lassen sich auch von mageren Zeiten nicht bremsen!"

(Bis 28. 2.)

MARTIN BEHR