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Illustration

Das Kettenraucher-Gen

(cai) Sind Bäume nicht eigentlich Passivraucher , nämlich CO 2 -Schnüffler, die dabei Sauerstoff abgasen? Seit wann paffen die denn selber? Also entweder leidet dieser irische Baum an einer Stoffwechselkrankheit, weshalb er jetzt raucht wie ein Auspuff ohne Katalysator und das Kyoto-Protokoll aufs Stickigste sabotiert, oder den Paradiesbaum der Tabakindustrie gibt es wirklich. Den Baum des Hustens. Und irgendwo im dichten Qualm ringelt sich eine Schlange und verführt naive Konsumenten nicht mit einem Apfel, sondern mit einer Zigarette. Und nachher kommt die Vertreibung aus der Gesundheit.

Natürlich könnte es sich genauso gut um eine mythische Liebesszene handeln (so sinnlich, wie das Geäst da umdampft wird): Zeus bestäubt in Gestalt einer Wolke eine nackte Pinie. Oder ist’s doch eine Pflanze, in die man das Kettenraucher-Gen eingeschleust hat? Na ja, in gewisser Weise schon . Freilich hat man ihr das virtuelle K-Gen verabreicht. Der Ire John Gerrard injiziert der starren Fotografie aber nicht bloß den Surrealismus, sondern auch: die Zeit. Dezente Bewegung. Erinnert ein bissl an Bildschirmschoner, die hier allerdings philosophischer drauf sind als üblich. Oder sadistischer veranlagt. Denn der romantische Sonnenaufgang in Extremzeitlupe (die Sonne soll in 1000 Jahren endlich soweit sein) überfordert sogar die Geduld eines buddhistischen Mönchs. Andererseits: Der kann ja am 20. September 3005 seine Reinkarnation vorbeischicken.

Und dann das Frauenporträt, das einmal im Jahr lächelt. Da traut man sich ja nicht einmal, aufs Klo zu gehen, um den raren Moment nicht zu verpassen. Aber womöglich arbeitet der Gerrard eh mit dem Godot-Schmäh (Künstler genießen ja unser Misstrauen): Wir warten und – nix. Und am ersten April 2025 erscheint, in Abwandlung des "Game over"-Schriftzugs, ein herzhaftes "April, April!" auf dem Schirm.

Hilger Contemporary

(Dorotheergasse 5)

John Gerrard

Bis 1. März

Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr

Sa. 10 bis 16 Uhr

Bin begeistert.

Das Ferkel rauslassen

(cai) Die Kindheit ist halt auch nicht mehr so jugendfrei wie früher. Überall militante Eichhörnchen, die Bomben werfen. Und die vorpubertären Menschen müssen sich immer volljähriger anziehen (jedenfalls was den Preis betrifft). Dejan Kaludjerovi æ malt (mit süffig plakativem Pinsel) höchst ambivalente "Unschuldsgefilde". Körperverletzungsidyllen. Eine "heile Massakerwelt". Modebewusste kleine Erwachsene posieren zwischen gewaltbereiten Cartoonfiguren, die die unbeschwert brutale Sau rauslassen (pardon: das unbeschwert brutale, süße Ferkel). Und das berüchtigt harmlose Schnittmustermagazin "Burda" steht nun im Ruch, Nähmaschinen-Pornografie zu verbreiten. Denn Kaludjerovi æ stellt mit aktuellen Kindern eine 25 Jahre alte "Burda"-Illustration nach, die heute wie eine ungustiöse Pädophilenfantasie anmutet. Wie eine anrüchige orale Belästigung. Bub stopft Mäderl fette Karotte in Mund. Pfuigack!

Galerie Steinek

(Eschenbachgasse 4)

Dejan Kaludjerovi æ

Bis 24. Februar

Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Süffige Kneippkur.

Die drei Zeitgenossen

(cai) Der Titel der Schau ist nicht sehr ehrgeizig: "Zusammen – Zeitgenössisch." Und diese Mindestanforderung für eine Gruppenausstellung erfüllen die drei Künstler tatsächlich: Sie sind Zeitgenossen. Alfred Graselli feiert das Mysterium "Körper" mit einschlägigen Devotionalien (Nierenschalen, Einlaufbesteck . . .) und entwirft exzentrische Zwangsgewänder. Die Neugier stachelt auch Waltraud Palme an. Mit traumlogischen Fotogrammen. Anna Margareta Spohn ist dagegen eine Verbündete der Langeweile. Ihre pragmatisch romantischen Wäscheporträts sind nicht unbedingt inspirierend.

Kulturverband

Favoriten

(Favoritenstraße 118)

Zusammen —

Zeitgenössisch

Bis 23. Februar

Di. bis Fr. 14 bis 18 Uhr

Leicht desorientiert.

Dienstag, 13. Februar 2007


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