Ein spanisches Kunstwirtschaftswunder190 000 Besucher strömten zur 25. ArcoAm Arco-Freitag hatten die Schulen in Madrid wie gewohnt frei
(wohlgemerkt: wegen einer Kunstmesse!), nachdem der König persönlich tags
zuvor "die" spanische Kunstmesse mit ihren in diesem Jahr 278 Teilnehmern
aus 33 Ländern eröffnete. In Deutschland würde man sich schon an einem
Ministerpräsidenten erfreuen. Gefördert von Stadt und Land, vor dem
Hintergrund zahlreicher neuer Museumsgründungen, Stiftungen und seit einem
Jahrzehnt kräftig steigenden Wirtschaftsdaten, wird nicht nur öffentlich
heftig eingekauft. Der EU-Beitritt hatte 1985 dem spanischen Kunstmarkt
bereits den ersten Schub gegeben. Sogar eine eigene Arco-Kollektion
existiert seit einigen Jahren. Mit dem Blick ins Kunstmessen-Deutschland
darf man wohl behaupten: glückliches Spanien. Die nach dieser 25.
Arco-Ausgabe im kommenden Jahr ausscheidende Direktorin Rosina Gomez-Baeza
wies darauf hin, daß der Kunstmarkt im Investitionsbereich Spaniens
mittlerweile Platz 3 einnimmt. Entsprechend munter wurde am bereits publikumsstarken Vor-Eröffnungstag
eingekauft - die Gesamt-Besucherzahl lag nach fünf Tagen bei wieder einmal
unglaublichen 190 000. Wie immer war naturgemäß der spanische, aber
auch der lateinamerikanische Markt besonders stark vertreten, nicht minder
eine höchst liquide Latino-Sammlerschaft. Doch auch deutsche Top-Sammler
wie Ingvild Goetz und Frieder Burda waren beim Sichten eines ansonsten
weniger stark präsenten spanisch-lateinamerikanischen Marktes auszumachen,
nicht minder eine junge Sammler-Generation der Dreißig- bis
Vierzigjährigen, die auch im Diskussionsforum auftrat: neben dem Norweger
Erling Kagge, etwa der Berliner Albrecht Kastelein und der Hamburger Rik
Reinking, der sich bei Modern Art aus London in eine wüste
Graffiti-Installation des marktscheuen Amerikaners Barry McGee - " Smash
the State" - verguckt hatte. Allerdings war das 85 000 Dollar teure
Werk bereits fest reserviert - natürlich für ein spanisches Museum.
Arco bedeutet vor allem in den letzten Jahren mit zunehmender
Konsequenz: zeitgenössische Kunst, dazu sehr international und auf der
Klaviatur aller Kunst-Medien spielend. Allerdings mit in diesem Jahr
zurückgewiesenen 90 spanischen Galerien, die sich in der Casa del Campo
als "Art Madrid" formierten, übrigens dort, wo die Arco einst startete. So
knirschte es dieses Mal ein wenig im spanischen Gebälk. Wobei die kommende
Arco-Direktorin, die spanische Galeristin Lourdes Fernandez, ab 2007 den
zeitgenössischen Weg kaum verlassen dürfte. Neben der offensichtlichen Präsenz junger Galerien aus Asien und
Skandinavien besonders im Foerderprogramm, umfaßten die jungen spanischen
Offerten 2006 auffallend markante Raum-Installationen und viel Fotografie,
dazu teils schrille Objekte. Wenn auch in Spanien längst moderne Zeiten
angebrochen sind, war heuer doch zu beobachten, wie besorgte Eltern ihren
pubertierenden Nachwuchs am schulfreien Arco-Besuchstag beim spanischen
Anbieter Espacio Liquido /Gijon zum Weitergehen antrieben. Der Grund: Cuco
Soarez hatte auf griechischen Amphoren attisch erigierende Faune gegen
aktuelle Pornofim-Szenen eingetauscht - die schlüpfrige Amphore zu rund
4000 Euro. Die aktuelle spanische Malerei hingegen verhielt sich im Angebot des
Jahres 2006 recht unauffällig, nachdem sie ohnehin zu lange im Tapies- und
Chilida-Schatten gepinselt und gewerkelt hat. Gleich zum Auftakt verkaufte
Michael Schultz/Berlin hingegen großformatige Malerei der Berliner
Koreanerin SEO an das Kunstmuseum Santander (20 000 Euro). Nicht
minder traf Ropac/Salzburg museal, indem er zwei Skulpturen, von Tony
Cragg und Antony Gormley (120 000 Euro/170 000 Pfund), in eine
koreanische Museumssammlung plazierte. Auch Karsten Greve
(St. Moritz, Paris, Köln, Mailand) konnte sich, nach einer längeren
Arco-Pause, nicht nur über sehr konkretes Interesse eines spanischen
Museums an zwei hochkarätigen Objekten von Louise Bourgeois freuen. Eine
fulminante Kopf-Plastik Tony Craggs wurde gleich zum Auftakt bei der Greve
AG rot bepunktet. "Öffentliches Einkaufen" bedeutet für die 25. Arco 2006 in konkreten
Zahlen: Das Museum Reina Sofia, gerade von Jean Nouvel opulent ausgebaut,
ließ etwa 1,2 Mio. Euro auf der Arco. Die Arco-Stiftung investierte ihr
Jahres-Budget von 174 000 Euro in die Madrider Messe, 350 000
Kunst-Euros war der Region Kastilien-León ihr im April 2005 eröffnetes und
besonders auf raumgreifende Video-Inszenierungen setzendes MUSAC in Leon
wert; eine der zahlreichen neuen zeitgenössischen Museumsgründungen in
Spanien - Besuch empfehlenswert. Bärbel Grässlin war unter anderem mit einer Arbeit Thomas Rehbergers
(24 000 Euro) und zwei Förg-Fotos für je 50 000 Euro
erfolgreich, die in junge spanische Privat-Sammlungen gingen - neben den
öffentlichen Sammlungen und privatwirtschaftlichen Stiftungen das zweite
Boom-Potential, das zunehmend wächst. Österreich präsentierte sich in
diesem Jahr mit 24 Galerien (Darunter Krinzinger und Hilger, beide Wien),
gewohnt eigenwillig und stark, als Gastland. Artikel erschienen am Sa, 18. Februar 2006 |
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