24.10.2002 18:39
Interview: Die Vorfreude auf gute
Nachbarschaften
Joanneum-Chef Peter Pakesch
hofft im STANDARD-Interview auf urbane Synergien sowie einen verstärkten
Dialog zwischen Wissenschaft und Kunst
"Einbildung - das Wahrnehmen in der Kunst" wird die erste
Ausstellung im derzeit in Bau befindlichen Grazer Kunsthaus heißen: Sein Leiter,
Joanneum-Chef Peter Pakesch, hofft im Gespräch mit Gerfried Sperl
auch auf urbane Synergien sowie einen verstärkten Dialog zwischen Wissenschaft
und Kunst.
STANDARD: Die Programmplanungen für das Kunsthaus, das in etwa
einem Jahr eröffnet wird, sind im Gang?
Pakesch: Teil eins wird
die Eröffnung selbst sein, wo Bild- und Klanginstallationen die Architektur
einstimmen. Teil zwei wird die Ausstellung Einbildung - das Wahrnehmen in der
Kunst sein. Damit werden, wie überhaupt auch mit anderen Ausstellungen in den
ersten zwei Jahren, die Räume abgetestet.
STANDARD: Die Außenhaut
der "Blase" ist materialmäßig fixiert, es wird Plexiglas. Das Ganze ist so
sensibel gestaltet, dass hier - Stichwort Wahrnehmung - die ganze Zeit über auch
Botschaften an die Stadt abgegeben werden. Was ist da konkret
geplant?
Pakesch: Es ist natürlich eine spektakuläre Möglichkeit,
dass a) die Gebäudefassade als Bildschirm funktioniert - etwas, womit sich
Künstler in den letzten Jahren viel auseinander gesetzt haben. Und b) wird es
für mich interessant sein, einzelne Künstler, die mit Text arbeiten, und
Schriftsteller zu involvieren.
STANDARD: Was könnte sich da im
Vergleich zum Wiener Museumsquartier entwickeln?
Pakesch:
Städtebaulich ist das in Graz viel prägnanter gelöst. Was mich am meisten
begeistert, ist die Durchlässigkeit des Entwurfs. Dadurch kann man diesen
urbanen Raum sehr gut ausnützen. Außerdem sollen Nachbarhäuser ebenfalls für
kulturelle Zwecke genutzt werden.
STANDARD: Wie sieht das in
weiterer Folge aus? Sehen Sie im kleineren Grazer Maßstab ähnliche
Beeinflussungsmöglichkeiten, wie sie etwa in Paris vom Centre Pompidou bewirkt
wurden?
Pakesch: Das ist alles schon im Gange. Geschäfte oder
Wirtshäuser in der Gegend nennen sich ja bereits "Zum Kunsthaus". Es ist das
Hauptquartier Graz 2003 in der Nähe, und es sind auch schon einige junge
Architekturbüros dorthin gezogen.
STANDARD: Sie sind auch Chef des
Joanneums, einer Institution, die aus der Alten und Neuen Galerie sowie
naturwissenschaftlichen Einrichtungen besteht. Wie wird das
weiterentwickelt?
Pakesch: Das ist einer der wichtigsten Punkte,
warum mich diese Position so interessiert hat: die Chance, die sich aus der
Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft in ein und derselben Institution
erschließt. Wenn ich im Kunsthaus mit der Wahrnehmung beginne, dann peile ich
noch weitere Themen an: Bewegung, Struktur und Wissen - alles Ausstellungen, die
in den nächsten fünf Jahren stattfinden werden. Parallel dazu sollen dann im
Joanneum auch die naturwissenschaftlichen Sammlungen neu eingerichtet
werden.
STANDARD: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Ost- und
Süderweiterung auf den Kunstbetrieb auswirken?
Pakesch: Das
Phänomen Osteuropa beschäftigt uns jetzt seit mehr als 15 Jahren. Dabei ist viel
passiert, aber es hat auch viele uneingelöste Erwartungen und Projektionen
gegeben.
STANDARD: Die Osteuropäer sind aber daran interessiert,
überhaupt gleich den Sprung nach Paris, London oder New York zu schaffen und
nicht nach Wien.
Pakesch: Österreich hat vielleicht nicht genug
gemacht, aber wir unterschätzen, dass viele Künstler über Graz oder Wien erst
den Kontakt zum Westen gefunden haben. Ein Ilja Kabakov erinnert sich heute noch
daran, dass sein erster Schritt in den Westen Graz war. Es gibt Künstler, die
mit einer prinzipiellen Sympathie angekommen sind. Da hat Graz eben die gute
Tradition, dass die Neue Galerie zuerst nach Jugoslawien, dann nach Ungarn
aufgemacht hat. Ich möchte diesen Gedanken gerne wieder aufnehmen: dass man
zwischen Venedig und Budapest in einer speziellen Biennale ein Forum schaffen
könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.10.2002)