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Absagen wegen Aschewolke: Chaos im Kulturbetrieb

19.04.2010 | 15:29 |  (DiePresse.com)

Das Flugverbot wirkt sich auf die Kultur aus: Klassik-Konzerte wurden abgesagt, die Kunsthalle verschiebt eine Schau, dem Crossing Europe Filmfest fehlen Filmrollen. Der European Newspaper Congress wackelt.

Die durch den Vulkanausbruch in Island verursachte großräumige Sperre des europäischen Luftraums beeinträchtigt auch den österreichischen Kulturbetrieb. So musste die Kunsthalle Wien die für Dienstag geplante Eröffnung ihrer "Detroit"-Ausstellung im project space verschieben, denn nicht alle Künstler und Kunstwerke kommen rechtzeitig nach Wien. Die Kunsthalle hofft, dass die Künstler John Corbin und Scott Hocking, die ihre Kunstwerke für die "Detroit"-Ausstellung selbst mitbringen wollten, es wenigstens in den nächsten Tagen nach Wien schaffen, und hat die Ausstellungseröffnung um eine Woche auf den 27. April verschoben.

Oliviero Toscani kann nicht kommen

Das Pressegespräch sowie die anschließende Podiumsdiskussion am Dienstag im Kunst Haus Wien zum Thema "Was darf Fotografie?" mussteverschoben werden. Der italienische Starfotograf Oliviero Toscani schaffe es aufgrund der weiträumigen Flugbehinderungen nicht verlässlich rechtzeitig von Mailand nach Wien, hieß es seitens der Veranstalter. Nach einem Ersatztermin werde noch gesucht.

Das RadioKulturhaus musste das für Dienstagabend angesetzte "Musikalische Freundschaftsspiel Helsinki-Wien" wegen der isländischen Aschewolke ebenso absagen wie das italienische Kulturinstitut das heutige dritte Konzert des Zyklus von Cristiana Pegoraro "32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven": Da einige Flüge am römischen Flughafen Fiumicino gestrichen wurden, konnte die Pianistin nicht nach Wien gelangen.

Musikverein und Philharmoniker: Absagen

Die Wiener Philharmoniker konnten am vergangenen Wochenende Konzertverpflichtungen in Luxemburg nicht wahrnehmen. Das Gustav Mahler Jugendorchester musste Konzerte in Paris und Amsterdam absagen und befindet sich derzeit auf einer Odyssee von Lissabon nach Wien, um am Dienstag plangemäß ihr Konzert im Musikverein spielen zu können.

Im Musikverein muss das für Montagabend geplante Hammerklavier-Konzert mit Malcolm Bilson auf den 25. Mai verschoben werden, beim Konzert des Küchl-Quartetts am Dienstag konnte für Solisten Tsuyoshi Tsutsumi rasch "innerphilharmonischer" Ersatz gefunden werden. "Wir sind im Moment glücklicher Weise in einer ruhigen Phase", meinte heute Vormittag Musikvereins-Intendant Thomas Angyan, das nächste wirklich fragliche Konzert stehe mit dem "Tokyo String Quartet" erst am 26. April auf dem Programm.

Im Wiener Konzerthaus finden alle Konzerte wie geplant statt, da die anreisenden Künstler rechtzeitig auf Bahn und Auto umgestiegen sind. "Wir sind den Künstlern extrem dankbar, dass sie solche Mühen auf sich nehmen", so eine Konzerthaus-Sprecherin. An Staatsoper und Volksoper dagegen gibt es im Moment kaum Auswirkungen. Praktisch alle Partien der kommenden Vorstellungen werden mit hauseigenen Kräften bestritten.

Crossing Europe: "Es ist fast alles da"

Beim Internationalen Filmfestival Crossing Europe, das am Dienstag in Linz starten soll, sind insgesamt rund 75 Personen betroffen, die mit dem Flugzeug nach Österreich reisen sollten. Bei ihnen werden so weit wie möglich Umbuchungen auf die Bahn versucht. Einige werden aber wohl nicht oder nur mit Verspätung kommen können.

95 Prozent der zur Vorführung vorgesehenen Filmkopien sind bereits in Linz. Bei den restlichen werde versucht, sie auf anderem Weg herbeizuschaffen, schilderte Festivaldirektorin Christine Dollhofer: "Die Botschaft ist: Das Festival findet statt, es ist fast alles da".

Deutscher Filmpreis ohne 13-fach nominierten Haneke?

Auch die für Freitag in Berlin geplante Gala des Deutschen Filmpreises könnte beeinträchtigt werden. Ob und wie der österreichische Regisseur Michael Haneke, dessen Film "Das weiße Band" in 13 Kategorien nominiert wurde, überhaupt zur Veranstaltung reisen werde, stehe derzeit noch nicht fest, so Produzent Veit Heiduschka.

Im Burgtheater musste am Wochenende nicht nur eine Leseprobe von Grillparzers "Die Jüdin von Toledo", sondern auch die Diskussionsveranstaltung "Europa im Diskurs: Security versus Privacy" abgesagt werden, da weder Rolf Tophoven noch Otto Schilly anreisen konnten.

Auch der Literaturbetrieb ist erheblich beeinträchtigt: Die Hauptbücherei Wien musste etwa eine Veranstaltung mit dem algerischen Schriftsteller Boualem Sansal, die für Montagabend geplant war, absagen. Auch der mexikanische Schriftsteller Juan Banuelos wird es sicher nicht bis zu seiner für am Dienstag geplanten Lesung mit Friederike Mayröcker im Wiener Literaturhaus schaffen. Das Lateinamerikanisch-Österreichische Literaturforum sagte die Veranstaltung ab.

Fällt "European Newspaper Congress" aus?

Der heurige "European Newspaper Congress" in Wien könnte ein Opfer der Vulkanaschewolke werden. Die Durchführung stehe wegen der beeinträchtigten Reisepläne derzeit infrage, so die Veranstalter. Sie wollen bis Mittwoch, 14Uhr, eine Entscheidung treffen, ob der Kongress stattfindet.

Die Elite der europäischen Zeitungsmacher soll sich kommenden Montag und Dienstag im Wiener Rathaus einfinden. Auf dem Programm stehen unter anderem Diskussionen über moderne Zeitungskonzepte, wie die tschechischen "Newsroom-Cafes", in denen die Konsumenten aktiv zu Informationsgebern gemacht werden. Der Medienkongress soll heuer bereits zum elften Mal stattfinden.

 


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