„Anselm Kiefer wird entwürdigt“
Empörung. Ein Wirrwarr aus Gastgarten, Abschleppzone, Parkplatz und Kunsthandwerk umringt die Kollegienkirche und das Kiefer-Haus.
Hedwig Kainberger Salzburg (SN). „Ich bin entsetzt! Das ist die Diktatur der Unsensiblen und der Kunstbanausen.“ So reagiert Walter Smerling, künstlerischer Leiter der Salzburg Foundation, auf die Umgebung des Kiefer-Hauses bei der Kollegienkirche. „Wer diese Machenschaften zu verantworten hat, betreibt die Vulgarisierung der Kunst.“
Der Standort für das Kunstwerk „A. E. I. O. U.“ sei gemeinsam mit Anselm Kiefer gegenüber dem Festspielhaus gewählt worden, damit bildende Kunst und Poesie (mit dem Verweis auf ein Gedicht Ingeborg Bachmanns) ein Pendant zu Musik und Theater bildeten, erläutert Walter Smerling. Tatsächlich sind zwischen beiden Kunsträumen nun Barrikaden: Lieferwagen, Autos, Fahrräder, verschiedene Verkehrssperren wie Ketten, Bänder, Schilder und Scherengitter sowie am Abend zudem noch riesige Busse. Wer vom Festspielhaus zum Kiefer-Haus will, muss sich zwischen Blech durchzwängen, über eine Kette klettern und das Schild „Marktgebiet – Hier wird abgeschleppt“ passieren. „Toller kann es nicht sein“, sagt Walter Smerling. Eine Tafel mit der Aufschrift „Fahrradständer“ weise zum Eingang des Kiefer-Hauses. „Ich weiß nicht, was Ingeborg Bachmann mit Fahrradständern zu tun hat.“
Aus Sicht eines Festspielbesuchers sei „das Lustigste“ die Stahlabsperrungen entlang der Hofstallgasse, sagte Walter Smerling nach einer Aufführung im Großen Festspielhaus. „Dort kann sich das gaffende Publikum mit Kameras auf das andere Publikum stürzen. Diese Promi-Kultur in Salzburg ist entsetzlich. Sie bindet überhaupt keine Kraft.“ Die Basis für ökonomischen Erfolg brächten nicht die Prominenten, sondern allein die künstlerischen Inhalte.
Zudem entsetzt ihn die Umgebung des Kiefer-Hauses. Da stehe ein „kunsthandwerkliches Gebilde, ein Baumstamm, aus dem ein Engel herauswächst, der eine Taube in der Hand hält“. Das habe mit Anselm Kiefers Werk „null und nichts zu tun“. Das sei so, wie wenn man in der Pause von „Così fan tutte“ im Foyer des Hauses für Mozart eine Blasmusikkapelle aufspielen lasse. „Nichts gegen Blasmusik, aber nicht hier!“
Er sei auch deshalb empört, weil die Salzburg Foundation für jedes Kunstwerk bei Behörden und in Kommissionen mit großem Aufwand habe erklären müssen, was, von wem und wie gestaltet werde, und warum es sich um Kunst handle. „Aber das Engelsgebilde wird einfach hingestellt!“
Unerträglich seien zudem die vielen Gastgartentische. „Drei Meter von Ingeborg Bachmanns ,Zigeunerlager‘ sehe ich ein Bierlager“, sagt Smerling. „Der Ort ist wie eine Bierlaube mit Kunsthandwerk, also ein Jahrmarkt.“ So werde das Werk von Künstlern wie Anselm Kiefer und Fischer von Erlach entwürdigt. „Was Salzburg im Sommer mit den Festspielen, in Galerien und Museen leistet, ist großartig.“ Doch der Platz zeige, wie all dies banalisiert und vulgarisiert werde. „Da fragt man, wessen Geistes Kind das ist.“
Kiefers mystisches, poetisches Kunstwerk im Inneren des Kubus zeigt das Bild „Wach im Zigeunerlager“ mit einem Zitat der vierten Strophe aus Ingeborg Bachmanns Gedicht „Das Spiel ist aus“ und ein Regal mit sechzig Bleibüchern, aus denen Dornenzweige ragen. Führungen zu den sieben Kunstwerken der Salzburg Foundation: Freitag, Samstag, Sonntag, 28. bis 30. August, 14.30 Uhr, 10 Euro, Treffpunkt: „Caldera“ von Tony Cragg, Makartplatz.