Die neue Leiterin der Generali Foundation zeigt ihre erste Schau: "Un Coup de Dés"
Buchstaben wie Wasserfälle
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Was ist die Wahrheit? Die Künstlerin Ana Torfsist greift die Pilatus-Frage in ihrem Werk "Toast" auf. Foto: Ana Torfs
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00082424-Dateien/wzfeld.gif)
Schon gespannt warteten Kunstkiebitze auf die erste Schau der neu
ernannten Leiterin der Generali Foundation, Sabine Folie. Der Abschied
ihrer Vorgängerin Sabine Breitwieser, die auch Gründerin der Sammlung
ist, hätte eine Last werden können.
Erst im Februar angetreten,
hat Folie nun ihre Würfel ausgeworfen. Der Spagat zwischen Referenz an
bereits vorhandene Exponate von hoher Qualität und dem sofortigen
Einbringen fehlender Kunstwerke ist auf durchaus hohem Niveau gelungen.
Durch eine Anhebung des Ankaufsbudgets konnten wichtige Objekte schon
vorweg aus "Un Coup de Dés" angekauft werden.
Für das Publikum ist es ein erfreulicher Start. Bei einem
konzeptuellen Thema wie Kunst und Sprache könnte schnell
Theorielastigkeit den Augenschmaus verderben. Zu Unrecht: Dem
Lesevergnügen mit Gerhard Rühm, Ian Wallace oder Dominik Steiger in
Vitrinen in der Eingangshalle folgt ein opulentes Bespielen der beiden
Haupthallen mit Installationen, Filmen und Diashows. Hier zeigt sich,
dass Sprachwitz – und sei er scheinbar auch noch so unsinnig – seit der
Antike auch Antriebsfeder für bildende Künstler ist.
Querverweise zwischen Sprache und Objekt
Folie beginnt mit Lewis Carrolls Buch "The Hunting of the Snark" von
1876, weil diese Dichtung Anregungsquelle für die Konzept-Künstler
Marcel Broodthears und Rodney Graham war. Hier kommen auch erstmals
Bezüge untereinander zum Sprechen – ein Aspekt, den Folie als Subthema
aufgreift.
Stéphane Mallarmé hat vor seinem Tod das Gedicht "Un Coup de Dés"
(Ein Würfelwurf) geschrieben. Broodthears hat Jahrzehnte über diesen
Vorläufer visueller Poesie der 60er Jahre nachgedacht, um schließlich
die Buchstaben Mallarmés schwar durchzustreichen. Sein ehemaliges
Atelier als alternativer Kunstraum ist von Ulrike Grossarth
paraphrasiert worden: Sie verzichtet auf Sprache und nimmt nur die
Figuren der Postkartenmotive aus dem Original auf.
Die reine Poesie kommt auch bei Ewa Partum oder Ana Torfs zum
Ausdruck: Partum warf Buchstaben in die Natur, auch in die
Meeresbrandung. Ein Video mit Installation hält den angeschwemmten
Zufall ihrer "aktiven Poesie" fest; hier lässt es sich durch Buchstaben
waten. Torfs hinterfragt mit der Arbeit "Toast" aus dem Jahr 2003
nichts Geringeres als die Wirklichkeit.
Hinterfragung unserer Wahrnehmung trieb auch den Aby Warburg der
Sprache, Lothar Baumgarten, von 1972 bis 1974 zur Sichtung
ethnologischer Museen: Seine Installation mit Adlerfedern, auf denen
die Namen der Indianerstämme gedruckt sind, hält uns die Politik der
Sprache vor Augen. Während Warburg "Pathosformeln" in Bildgesten
sammelte, ist es bei Baumgarten die Suche nach der Bedeutung des Adlers
in allen Facetten indigener Mythen.
Ausstellung
Un Coup de Dés
Sabine Folie (Kuratorin) Generali Foundation Bis 23. November
Donnerstag, 18. September 2008
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