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Kunstberichte

Die neue Leiterin der Generali Foundation zeigt ihre erste Schau: "Un Coup de Dés"

Buchstaben wie Wasserfälle

Was ist die Wahrheit? Die Künstlerin Ana Torfsist greift die Pilatus-Frage in ihrem Werk

Was ist die Wahrheit? Die Künstlerin Ana Torfsist greift die Pilatus-Frage in ihrem Werk "Toast" auf. Foto: Ana Torfs

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Schon gespannt warteten Kunstkiebitze auf die erste Schau der neu ernannten Leiterin der Generali Foundation, Sabine Folie. Der Abschied ihrer Vorgängerin Sabine Breitwieser, die auch Gründerin der Sammlung ist, hätte eine Last werden können.

Erst im Februar angetreten, hat Folie nun ihre Würfel ausgeworfen. Der Spagat zwischen Referenz an bereits vorhandene Exponate von hoher Qualität und dem sofortigen Einbringen fehlender Kunstwerke ist auf durchaus hohem Niveau gelungen. Durch eine Anhebung des Ankaufsbudgets konnten wichtige Objekte schon vorweg aus "Un Coup de Dés" angekauft werden.

Für das Publikum ist es ein erfreulicher Start. Bei einem konzeptuellen Thema wie Kunst und Sprache könnte schnell Theorielastigkeit den Augenschmaus verderben. Zu Unrecht: Dem Lesevergnügen mit Gerhard Rühm, Ian Wallace oder Dominik Steiger in Vitrinen in der Eingangshalle folgt ein opulentes Bespielen der beiden Haupthallen mit Installationen, Filmen und Diashows. Hier zeigt sich, dass Sprachwitz – und sei er scheinbar auch noch so unsinnig – seit der Antike auch Antriebsfeder für bildende Künstler ist.

Querverweise zwischen Sprache und Objekt

Folie beginnt mit Lewis Carrolls Buch "The Hunting of the Snark" von 1876, weil diese Dichtung Anregungsquelle für die Konzept-Künstler Marcel Broodthears und Rodney Graham war. Hier kommen auch erstmals Bezüge untereinander zum Sprechen – ein Aspekt, den Folie als Subthema aufgreift.

Stéphane Mallarmé hat vor seinem Tod das Gedicht "Un Coup de Dés" (Ein Würfelwurf) geschrieben. Broodthears hat Jahrzehnte über diesen Vorläufer visueller Poesie der 60er Jahre nachgedacht, um schließlich die Buchstaben Mallarmés schwar durchzustreichen. Sein ehemaliges Atelier als alternativer Kunstraum ist von Ulrike Grossarth paraphrasiert worden: Sie verzichtet auf Sprache und nimmt nur die Figuren der Postkartenmotive aus dem Original auf.

Die reine Poesie kommt auch bei Ewa Partum oder Ana Torfs zum Ausdruck: Partum warf Buchstaben in die Natur, auch in die Meeresbrandung. Ein Video mit Installation hält den angeschwemmten Zufall ihrer "aktiven Poesie" fest; hier lässt es sich durch Buchstaben waten. Torfs hinterfragt mit der Arbeit "Toast" aus dem Jahr 2003 nichts Geringeres als die Wirklichkeit.

Hinterfragung unserer Wahrnehmung trieb auch den Aby Warburg der Sprache, Lothar Baumgarten, von 1972 bis 1974 zur Sichtung ethnologischer Museen: Seine Installation mit Adlerfedern, auf denen die Namen der Indianerstämme gedruckt sind, hält uns die Politik der Sprache vor Augen. Während Warburg "Pathosformeln" in Bildgesten sammelte, ist es bei Baumgarten die Suche nach der Bedeutung des Adlers in allen Facetten indigener Mythen.

Aufzählung Ausstellung

Un Coup de Dés

Sabine Folie (Kuratorin) Generali Foundation Bis 23. November

Donnerstag, 18. September 2008

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