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Raubkunst: „Fantastische Lügengeschichten!“

09.05.2008 | 18:22 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Sammler Rudolf Leopold (83) befürchtet, dass die Angriffe auf ihn wegen Raubkunst dafür sorgen sollen, dass er den Prozess um die in den USA beschlagnahmte "Wally" von Schiele endgültig verliert.

Die Presse: In einem neuen Buch über den jüdischen Sammler Heinrich Rieger behauptet die Kunsthistorikerin Lisa Fischer, dass Sie eine Kampagne wegen eines zentrales Schiele-Bildes, „Kardinal und Nonne“, entfacht haben. Das Bild wurde in der Österreichischen Galerie als obszön abgehängt. Damit war der Weg frei dafür, dass das Belvedere das Gemälde mit Ihnen gegen ein anderes tauscht und Sie dieses wichtige Bild bekommen.

Rudolf Leopold: Das ist eine fantastische Lügengeschichte. Als die Österreichische Galerie (1953) wieder eröffnet wurde, war der damalige Kardinal anwesend. Seine Begleiter haben ihn auf das Bild hingewiesen. Er aber hat eine wegwerfende Handbewegung gemacht, dass über das Bild „Kardinal und Nonne“ hinweg zu sehen ist. Umso erstaunter war ich, dass das Bild dann abgehängt wurde. Ich habe es drei Jahre später getauscht, weil ich zu diesem Zeitpunkt ein passendes Tauschbild hatte. Aber das Bild war an die Rieger-Erben restituiert. Ich beschwöre, dass ich nie einen Brief geschrieben oder andere gebeten habe, Briefe zu schreiben, dass man „Kardinal und Nonne“ nicht ausstellen soll. Ich war – im Gegenteil – perplex, als das Gemälde plötzlich weg war.

Die Rieger-Erben haben „Kardinal und Nonne“ an die Österreichische Galerie verkauft. Für 7500 Schilling. War das nicht ein sehr niedriger Preis?

Leopold: „Kardinal und Nonne“ soll im Versicherungswert höher geschätzt gewesen sein, aber die Österreichische Galerie hat elf Bilder aus der Restitution Rieger gekauft. Daher hat sie „Kardinal und Nonne“ billiger bekommen. Für „Liebespaar“ hat sie 15.000 Schilling gezahlt. Ein Volkswagen hätte 30.000 Schilling gekostet. Anstatt dessen habe ich von Arthur Stemmer in London die „Eremiten“ gekauft. Da haben Sie eine ungefähre Preisrelation für Schiele-Gemälde zur damaligen Zeit.


Wussten Sie, dass Heinrich Rieger hoch betagt in Theresienstadt umgekommen ist und seine Frau Bertha in Auschwitz ermordet wurde?

Leopold: Ja, als ich mit seinen Restitutionsanwälten und seinem Sohn Dr. Robert Rieger 1950 in Verbindung kam, habe ich dies erfahren.

Nehmen wir an, Sie müssen emigrieren, verlieren alles, kommen zurück und finden Ihre Werke in öffentlichen und privaten Sammlungen ohne Hinweis auf Ihre Person. Würde Sie das nicht empören?

Leopold: Ich würde Restitution verlangen, die im Fall Rieger erfolgt ist, und dass ein Hinweis beim jeweiligen Werk angebracht wird. Wir haben das bei „Kardinal und Nonne“ gemacht und dazu geschrieben „ehemals Sammlung Dr. Heinrich Rieger“.


Wenn Sie frei entscheiden könnten, ohne auf den Rat Ihrer Anwälte zu hören, würden Sie klagen bzw. die Verbreitung des Buches von Lisa Fischer per einstweiliger Verfügung verhindern lassen?

Leopold: Ja.


Wie viele Bilder aus der Sammlung Rieger sind in der Sammlung Leopold?

Leopold: Zwei. Ein Ölbild und eine Zeichnung.


Sie haben Filmrollen von der Sammlung Rieger. Es heißt, die hätten Sie erworben, um die Herkunft von Bildern zu verschleiern.

Leopold: Keine Rede davon. Diese Filmrollen wurden mir im Auftrag von Dr. Broda (Christian, Anwalt von Rieger, später Justizminister) übergeben, mit der Frage, ob ich von diesen Bildern etwas kaufen möchte, weil diese restituiert wurden.


Buchautorin Lisa Fischer hat nicht Sie persönlich kontaktiert, sondern mit dem Provenienzforscher des Leopold Museum, Robert Holzbauer, gesprochen. Wollten Sie nicht mit ihr reden und ihr Ihren Standpunkt erklären?

Leopold: Selbstverständlich hätte ich ihr alles ausführlich erklärt. Ich habe nichts zu verbergen. Aber sie wollte offenbar einseitig schreiben und die Wahrheit nicht hören.

Lassen sich aus diesem Buch Ansprüche auf Bilder aus der Leopold-Stiftung ableiten?

Leopold: Nein.


In privaten Sammlungen gibt es vermutlich viele zweifelhafte Bilder, auch international.

Leopold: Bei uns nicht. Wir haben als Erstes alles ins Internet gestellt, was wir wussten, und wir tun das weiterhin. Wir begrüßen auch, dass wir gemeinsam mit dem Bund nun Provenienzen erforschen lassen. Wir legen alles offen, was wir wissen.


Es ist für Sie nicht in Ordnung, dass Fälle aus der Sammlung Rieger neu aufgerollt werden.

Leopold: Sicher nicht mit falschen bzw. ungenügenden Angaben, wie sie in diesem Buch gemacht werden.


Sind Sie dafür, generell einen Schlussstrich zu ziehen unter die Restitutionen?

Leopold: Nein. Wenn es berechtigt ist, wenn es Fälle gibt, wo Leute nicht gewusst haben, wie sie ihre Besitztümer wieder zurückbekommen, warum soll man das nicht berücksichtigen? Ich würde gewisse Verfahren auch heute noch aufrollen.


Glauben Sie, dass eine Gesetzesänderung die Sammlung Leopold dem Kunstrückgabegesetz unterwerfen wird?

Leopold: Das glaube ich nicht. Es ist auch lächerlich zu sagen, es gibt internationalen Druck, wie das Frau Blimlinger im „Presse“-Artikel (Freitag-Ausgabe) behauptet, weil die Ausnahmesituation des Leopold Museum nicht akzeptiert wird. Die Situation des Leopold Museum wird sehr wohl verstanden, auch international.


Warum glauben Sie, finden diese verschiedenen Aktionen jetzt statt? Ein Gutachten im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde, das Raubkunst im Leopold Museum ortet, eine Kampagne der Grünen, dieses Buch . . .

Leopold: Alles, was hier passiert, dient nur dazu, den „Wally“-Prozess in Amerika zu beeinflussen und dafür zu sorgen, dass wir die „Wally“ verlieren. Man bemüht sich, dass das Urteil negativ ausfällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2008)


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