Die
Presse: In einem neuen Buch über den jüdischen Sammler Heinrich Rieger
behauptet die Kunsthistorikerin Lisa Fischer, dass Sie eine Kampagne
wegen eines zentrales Schiele-Bildes, „Kardinal und Nonne“, entfacht
haben. Das Bild wurde in der Österreichischen Galerie als obszön
abgehängt. Damit war der Weg frei dafür, dass das Belvedere das Gemälde
mit Ihnen gegen ein anderes tauscht und Sie dieses wichtige Bild
bekommen.
Rudolf Leopold: Das ist eine
fantastische Lügengeschichte. Als die Österreichische Galerie (1953)
wieder eröffnet wurde, war der damalige Kardinal anwesend. Seine
Begleiter haben ihn auf das Bild hingewiesen. Er aber hat eine
wegwerfende Handbewegung gemacht, dass über das Bild „Kardinal und
Nonne“ hinweg zu sehen ist. Umso erstaunter war ich, dass das Bild dann
abgehängt wurde. Ich habe es drei Jahre später getauscht, weil ich zu
diesem Zeitpunkt ein passendes Tauschbild hatte. Aber das Bild war an
die Rieger-Erben restituiert. Ich beschwöre, dass ich nie einen Brief
geschrieben oder andere gebeten habe, Briefe zu schreiben, dass man
„Kardinal und Nonne“ nicht ausstellen soll. Ich war – im Gegenteil –
perplex, als das Gemälde plötzlich weg war.
Die
Rieger-Erben haben „Kardinal und Nonne“ an die Österreichische Galerie
verkauft. Für 7500 Schilling. War das nicht ein sehr niedriger Preis?
Leopold:
„Kardinal und Nonne“ soll im Versicherungswert höher geschätzt gewesen
sein, aber die Österreichische Galerie hat elf Bilder aus der
Restitution Rieger gekauft. Daher hat sie „Kardinal und Nonne“ billiger
bekommen. Für „Liebespaar“ hat sie 15.000 Schilling gezahlt. Ein
Volkswagen hätte 30.000 Schilling gekostet. Anstatt dessen habe ich von
Arthur Stemmer in London die „Eremiten“ gekauft. Da haben Sie eine
ungefähre Preisrelation für Schiele-Gemälde zur damaligen Zeit.
Wussten
Sie, dass Heinrich Rieger hoch betagt in Theresienstadt umgekommen ist
und seine Frau Bertha in Auschwitz ermordet wurde?
Leopold: Ja, als ich mit seinen Restitutionsanwälten und seinem Sohn Dr. Robert Rieger 1950 in Verbindung kam, habe ich dies erfahren.
Nehmen
wir an, Sie müssen emigrieren, verlieren alles, kommen zurück und
finden Ihre Werke in öffentlichen und privaten Sammlungen ohne Hinweis
auf Ihre Person. Würde Sie das nicht empören?
Leopold:
Ich würde Restitution verlangen, die im Fall Rieger erfolgt ist, und
dass ein Hinweis beim jeweiligen Werk angebracht wird. Wir haben das
bei „Kardinal und Nonne“ gemacht und dazu geschrieben „ehemals Sammlung
Dr. Heinrich Rieger“.
Wenn Sie frei entscheiden
könnten, ohne auf den Rat Ihrer Anwälte zu hören, würden Sie klagen
bzw. die Verbreitung des Buches von Lisa Fischer per einstweiliger
Verfügung verhindern lassen?
Leopold: Ja.
Wie viele Bilder aus der Sammlung Rieger sind in der Sammlung Leopold?
Leopold: Zwei. Ein Ölbild und eine Zeichnung.
Sie haben Filmrollen von der Sammlung Rieger. Es heißt, die hätten Sie erworben, um die Herkunft von Bildern zu verschleiern.
Leopold:
Keine Rede davon. Diese Filmrollen wurden mir im Auftrag von Dr. Broda
(Christian, Anwalt von Rieger, später Justizminister) übergeben, mit
der Frage, ob ich von diesen Bildern etwas kaufen möchte, weil diese
restituiert wurden.
Buchautorin Lisa Fischer hat
nicht Sie persönlich kontaktiert, sondern mit dem Provenienzforscher
des Leopold Museum, Robert Holzbauer, gesprochen. Wollten Sie nicht mit
ihr reden und ihr Ihren Standpunkt erklären?
Leopold:
Selbstverständlich hätte ich ihr alles ausführlich erklärt. Ich habe
nichts zu verbergen. Aber sie wollte offenbar einseitig schreiben und
die Wahrheit nicht hören.
Lassen sich aus diesem Buch Ansprüche auf Bilder aus der Leopold-Stiftung ableiten?
Leopold: Nein.
In privaten Sammlungen gibt es vermutlich viele zweifelhafte Bilder, auch international.
Leopold:
Bei uns nicht. Wir haben als Erstes alles ins Internet gestellt, was
wir wussten, und wir tun das weiterhin. Wir begrüßen auch, dass wir
gemeinsam mit dem Bund nun Provenienzen erforschen lassen. Wir legen
alles offen, was wir wissen.
Es ist für Sie nicht in Ordnung, dass Fälle aus der Sammlung Rieger neu aufgerollt werden.
Leopold: Sicher nicht mit falschen bzw. ungenügenden Angaben, wie sie in diesem Buch gemacht werden.
Sind Sie dafür, generell einen Schlussstrich zu ziehen unter die Restitutionen?
Leopold:
Nein. Wenn es berechtigt ist, wenn es Fälle gibt, wo Leute nicht
gewusst haben, wie sie ihre Besitztümer wieder zurückbekommen, warum
soll man das nicht berücksichtigen? Ich würde gewisse Verfahren auch
heute noch aufrollen.
Glauben Sie, dass eine Gesetzesänderung die Sammlung Leopold dem Kunstrückgabegesetz unterwerfen wird?
Leopold:
Das glaube ich nicht. Es ist auch lächerlich zu sagen, es gibt
internationalen Druck, wie das Frau Blimlinger im „Presse“-Artikel
(Freitag-Ausgabe) behauptet, weil die Ausnahmesituation des Leopold
Museum nicht akzeptiert wird. Die Situation des Leopold Museum wird
sehr wohl verstanden, auch international.
Warum glauben Sie, finden diese verschiedenen Aktionen jetzt statt? Ein
Gutachten im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde, das Raubkunst
im Leopold Museum ortet, eine Kampagne der Grünen, dieses Buch . . .
Leopold: Alles, was hier passiert, dient nur dazu, den „Wally“-Prozess in Amerika zu beeinflussen und dafür zu sorgen, dass wir die „Wally“ verlieren. Man bemüht sich, dass das Urteil negativ ausfällt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2008)