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13.08.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
"Police": Von der Wirklichkeit überholt
VON JOHANNA HOFLEITNER
Landesgalerie Linz. Die Sommerausstellung "Police" gewann unerwartete Aktualität.

Police". Klingt hart, wenn es als Aus stellungstitel verwendet wird. Viel leicht auch cool. Cooler jedenfalls als das Äquivalent "Polizei", wiewohl unterm Strich (zumal im kulturellen Zusammenhang) das eine genauso gut wie das andere Hinweise gibt, dass da über Macht-, Ordnungs-, eventuell auch Repressionsstrukturen nachgedacht werden will.

"Police" heißt die Sommerausstellung der Landesgalerie Linz. In Kombination mit dem Anspruch auf politische Korrektheit würde man der Schau den Sommertouch auch zugestehen - hätte sich nicht während der Laufzeit der Ausstellung in London "7/7" ereignet. Mit den bekannten Folgen: dem fehlgeschlagenen zweiten Bombenanschlag eine Woche später, der erweiterten Befugnis für Scotland Yard, Terrorverdächtige im Zweifelsfall per Kopfschuss zu töten, und der prompt erfolgten Hinrichtung des unschuldigen 27-jährigen Jean Charles de Menezes. Eine Praxis, die das gesellschaftliche Kontrollorgan Exekutive als terroristischen Handlanger instrumentalisiert.

Dass Ereignisse wie diese just zur Nagelprobe für eine Kunstausstellung werden könnten, damit will eigentlich kein Veranstalter rechnen. Die Landesgalerie muss sich mit "Police" dieser Herausforderung stellen. Vorneweg: Auch wenn "Police" Werke von zehn international renommierten Gegenwartskünstlern aufbietet, zieht die Schau als solche eher den Kürzeren. Zu harmlos reiht sie über weite Strecken Installation an Video an Fotozyklus. Flach kommen da die übersteigerten Inszenierungen von Macht und Gewalt daher, wie sie etwa die Schwedin Annika Larsson in ihrer Videoinstallation "Poliisi" betreibt: In übertriebenem Pathos stellt sie nach, wie ein Jockey zu Tode geprügelt wird. Oder die ästhetischen Foto-Inszenierungen des Finnen Tuomo Manninen: Unter Einsatz von Scheinwerfern lässt er Polizeicrews und Sicherheitskommandos für Gruppenfotos posieren, als wären's Modeaufnahmen.

Fehl am Platz auch der Beitrag des Kanadiers Rodney Graham, momentan gewiss einer der fähigsten Künstler im Umgang mit Verfremdungseffekten: Gewandet in blauweiß-gestreiftes Sträflingsoutfit, in Handschellen gelegt und von einem Polizisten bewacht, spielt er Klavier. Doch geht es in der Arbeit viel mehr um die Tragik der conditio humana denn um die Auseinandersetzung mit staatlicher Obrigkeit. Mit solch ästhetisierenden oder psychologisierenden Arbeiten ist in einer kritischen Ausstellung eher kein Staat zu machen. Mehr Subversion bergen da schon die auf Doppelprojektion basierenden "Re-Enactments" von Francis Alÿs: Mit einer Pistole in der Hand schlendert der Belgier durch Mexico-City. Zwölf Minuten dauert es, bis er von der Polizei überwältigt wird.

Das "Re-Enactment" - also die theatralische Nachstellung eines Ereignisses - steht auch bei Jeremy Deller im Mittelpunkt: Der Turner-Prize-Träger 2004 spielt mit 800 Laiendarstellern die als "Schlacht von Orgreave" in die Geschichte eingegangene Niederschlagung des britischen Bergarbeiterstreiks durch die englische Polizei von 1984 nach. Angereichert durch Kommentare und dokumentarische Beiträge kommt dem Video in der Linzer Ausstellung eine Schlüsselstellung zu. Zwar wird exakt dieselbe Arbeit derzeit in Wien bei der Jeremy-Deller-Personale der Bawag-Foundation weitaus eindrucksvoller präsentiert. Ihre typische, zwischen Spiel und Zeitgeschichte pendelnde Dynamik ist allerdings ein wichtiger künstlerischer Katalysator, von dem andere aktivistisch-dokumentarische Projekte in der Ausstellung erhellt werden können: etwa Oliver Resslers sympathisierende Video-Aufarbeitung der Einkesselung von Demonstranten beim World Economic Forum in Salzburg im Juli 2001. Oder Lisl Pongers Fotoprojekt "Sommer in Italien": eine Inventarisierung verschiedener Formen der Machtdemonstration in Zusammenhang mit dem Polizeischutz des G8-Gipfels 2001 in Genua. Nun, zur Neuauflage des G8-Gipfels in Glenneagles, wurden solche Bilder mit "7/7" von der Gegenwart und ihrer Wirklichkeit gespenstisch überholt.

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